Apple-Chef Tim Cook gibt sich gerne als Vorreiter in Fragen der Privatsphäre – und eckt damit auch gerne mal an.

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Wer das Netzwerk betreibt, der hat auch einen Einblick in die Internetgewohnheiten der Nutzer. Eine alte Regel, die in ihren Grundzügen bis heute gilt – trotz fraglos signifikanter Sicherheitsfortschritte in den vergangenen Jahren. Ohne weiteren Schutz könnte der eigene Internetanbieter also zumindest grob verfolgen, welche Seiten seine Nutzer so ansurfen.

Privacy-Fokus

Ein Umstand, den man bei Apple als echtes Problem für die Privatsphäre identifiziert. Insofern hat man mit iOS 15 ein neues Feature namens "Private Relay" eingeführt. Zahlende iCloud-Kunden können mit dessen Hilfe all ihre via Safari absolvierten Surfaktivitäten verschlüsselt über zwei hintereinandergeschaltete Server umleiten. Damit sieht einerseits der eigene Internetanbieter nicht mehr, was man tut, auf der anderen Seite wird gegenüber der besuchten Webseite auch die echte IP-Adresse verschleiert. Aber auch Apple selbst soll durch die Art, wie das gesamte System aufgebaut ist, keinerlei Einblick in die Surfgewohnheiten haben.

Genau dieses Feature scheint nun bei einigen europäischen Providern die Alarmglocken schrillen zu lassen. Wie "The Telegraph" berichtet, wenden sich nun mehrere europäische Netzanbieter in einem gemeinsamen Brief an die EU-Kommission gegen "Private Relay". Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Vodafone, Telefonica sowie T-Mobile.

Argumentation

"Private Relay" schneide die Netzbetreiber von "essenziellen Netzwerkdaten und Metadaten ab", heißt es darin etwa. Dies habe negative Auswirkungen auf die Möglichkeit der Netzbetreiber, ihre Telekommunikationsnetzwerke effektiv zu managen. Zudem unterminiere Apples Vorgehen auch die "digitale Souveränität Europas", argumentieren die Provider.

Darüber hinaus fordern die Netzbetreiber, dass die EU-Kommission Apple im Rahmen des geplanten "Digital Markets Act" als "digitalen Türwächter" klassifiziert. Dies würde es ermöglichen, "Private Relay" auf dem Rechtsweg zu verhindern. Parallel zu den EU-Providern sollen auch britische Netzanbieter Beschwerden eingebracht haben – natürlich bei ihren eigenen Behörden. "Private Relay" würde es erheblich schwerer machen, gefährliche Inhalte zu blockieren, argumentiert etwa der Anbieter TalkTalk.

Angst vor Apple

Dass die Provider gegen "Private Relay" nun Sturm laufen, obwohl es mit VPNs und anderen Diensten schon länger ähnliche Formen der Verschleierung gibt, zeigt nicht zuletzt die Marktmacht Apples. Würde Apple dieses Feature von einem Tag auf den anderen bei allen iPhone-Nutzern aktivieren, würden die Provider mit einem Schlag den Einblick in einen guten Teil des gesamten Netzwerkverkehrs verlieren. VPNs sind im Vergleich dazu nur eine Randerscheinung. Bisher ist "Private Relay" allerdings nur ein optionales Feature, das von Haus aus also nicht aktiviert ist. Allerdings befindet es sich derzeit auch noch im Betatest.

Aus Nutzersicht ist "Private Relay" übrigens eine Art abgespeckter VPN. Abgespeckt, weil der Dienst nicht für alle lokalen Programme, sondern nur für Safari zur Verfügung steht. Zudem werden dabei immer Server in der gleichen Region genutzt. Zum Austricksen von Regionalbeschränkungen – also Geoblocking – kann das also nicht verwendet werden.

A1 hat kein Problem

Etwas vorsichtiger fallen die Antworten auf Rückfragen bei österreichischen Providern zu dem Thema aus. So betont etwa A1, dass man generell kein Problem mit Apples "Private Relay" habe. Ähnlich klingt eine Antwort von "3", man habe nicht vor das neue Feature zu blockieren, heißt es dort. Allerdings habe man sehr wohl die eigenen Bedenken – gemeinsam mit anderen Betreibern – gegenüber Apple geäußert, sei aber nun damit zufrieden, dass Apple das "Private Relay" nicht von Haus aus aktiviere.

Für die Provider geht es bei all dem vor allem um die Optimierung der Netzinhalte, um die Belastung für das eigene Netzwerk möglichst gering zu halten. Also etwa möglichst kurze Routen für oft direkt bei den Mobilfunkern untergebrachte Server für Netflix und Co zu finden. Einige Anbieter in der EU beschränken aber generell HD-Streaming oder komprimieren Bilder und andere Inhalte noch weiter – gerade bei günstigeren Anbietern ist das immer wieder der Fall. Dies könnten nun "Private Relay" generell sperren. Bei "3" betont man aber noch ein anderes Problem durch die Apple-Technologie: Bei aktiviertem "Private Relay" würden gewisse Dienste wie der eigene "Internetschutz" nicht funktionieren.

Überwachung

Dazu kommen aber noch andere Interessen: In einigen Ländern ist es generell illegal, den Netzwerkverkehr auf eine solche Weise zu verschleiern. So hat Apple auch bereits angekündigt, "Private Relay" in diesen Regionen prinzipiell nicht anbieten zu wollen. Dazu zählen etwa China, Weißrussland, Saudi-Arabien oder auch Uganda und die Philippinen. (Andreas Proschofsky, 10.1.2022)