Das Landestheater Innsbruck verbindet Peter Handke mit Otto Gründmandl und Abba: Stefan Riedl, Petra Alexandra Pippan, Johannes Gabl, Ulrike Lasta (von links).

Birgit Gufler

In unwägbaren Zeiten steigt das Bedürfnis nach verlässlichen Botschaften, zugleich bringen sie unheimlich viel leeres Geschwätz hervor. Wir erleben dieses Paradoxon gerade live, und insofern darf man das Entlarven von Worthülsen als Gebot der Stunde verstehen.

Im Tiroler Landestheater bedient man sich dazu der Weissagung von Peter Handke, der dieser 1964 einige Zeilen aus einem Gedicht von Ossip Mandelstam vorangestellt hat: "Die Erde dröhnt von Metaphern", heißt es da, aus der rhythmischen Abfolge von Tautologien dröhnt wiederum Handkes Sprachkritik, die keine Handlung oder Charaktere, sondern lediglich vier Spieler mit den Bezeichnungen a, b, c und d braucht. Diese vier stecken nun in Abba-Gedächtnisoutfits.

Das rund 50 Zuschauer fassende K2 ist die Experimentierbühne des Landestheaters, man könnte auch sagen, sie ist der Ort, an dem das Risiko experimentellerer Produktion möglichst klein gehalten wird, leider oft zu klein. Wobei die Vorsicht im aktuellen Fall schon irgendwie nachvollziehbar ist, wagt man mit Grufttheater : Weissagung doch eine wahrlich schräge Kombination. Handke trifft dabei auf Otto Grünmandl, dessen Sinn für das Absurde und den Aberwitz nicht nur in die Kabarettgeschichte einging, sondern der zuletzt auch wieder als Literat in Erinnerung gerufen wurde.

Sinnentleert witzig

Grünmandls Grufttheater ist der erste Akt einer Farce mit dem Titel Die Witwe von Ephesus und wird nun in Innsbruck erstmals aufgeführt. Ein gewisser Karner, der hier seine bahnbrechende Erfindung namens Grufttheater vorstellt, heißt nicht zufällig so, sondern verweist auf ein Beinhaus und eine abwertende Bezeichnung für das Volk der Jenischen. So sinnentleert die Idee des Grufttheaters, so absurd, sprachwitzig und grotesk auch dessen marktschreierische Anpreisung, in die sich Karner zunehmend verheddert. Der junge Südtiroler Regisseur Joachim Gottfried Goller lässt die Figur von drei Darstellern verkörpern, die sich bemüht das Tiroler "Ckhh" aus den Kehlen pressen (warum eigentlich?), aber für Facettenreichtum sorgen. Mit grandiosem Mimikrepertoire sticht Petra Alexandra Pippan als "Frau Trampel" und divenhafte "Madame" hervor.

Am Ende läuft freilich alles auf die Frage hinaus, wie sich der Übergang zur Weissagung bewerkstelligen lässt. Und er gelingt erstaunlich gut: Das Grufttheater bereitet nicht nur den sprachlichen Boden, sondern wird auch zum Bühnenbild für ein weiteres Stück absurdes Theater, das die Darsteller mit tollem Rhythmusgefühl bewältigen. Und mit jener Mischung aus Fatalismus und Würde, die es braucht, wenn Goller am Ende ans Äußerste geht und tatsächlich Abba einspielen lässt. (Ivona Jelcic, 11.1.2022)