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Klar auf Abstand: US-Vizeaußenministerin Wendy Sherman und ihr russischer Amtskollege Sergej Rjabkow.
Foto: Reuters / Denis Balibouse

Neutral wie die Schweiz war der Boden nicht: Schauplatz des mit einiger Nervosität erwarteten Krisentreffens zwischen den USA und Russland war die US-Botschaft bei den Vereinten Nationen in Genf. Kurz vor neun Uhr früh starteten am Montag die bilateralen Gespräche zwischen den Rivalen, und ganz oben auf der Agenda der eintägigen Konferenz stand die aktuelle Krise rund um die Ukraine.

Nach fast acht Stunden war klar: Das Treffen verlief zwar in durchaus guter Atmosphäre, bewegt hat sich aber in den strittigen Punkten keine Seite. US-Vizeaußenministerin Wendy Sherman verlangte den Abzug der russischen Truppen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine. Die USA sprechen von 100.000 dorthin verlegten Soldaten. Das sei die Voraussetzung für diplomatische Fortschritte. Russland wurde im Fall einer militärischen Eskalation erneut mit massiven Konsequenzen gedroht – finanzielle Sanktionen, Exportkontrollen, eine größere Nato-Präsenz in europäischen Ländern und mehr Hilfe für die Ukraine.

Uneinigkeit

Die USA seien bereit, über Themen wie die Begrenzung von Manövern oder die Stationierung von Raketen zu sprechen, sagte Sherman. Es könne etwa der INF-Vertrag über das Verbot landgestützter atomwaffenfähiger Mittelstreckensysteme wiederbelebt werden.

Die USA hatten sich unter Präsident Donald Trump daraus zurückgezogen. Die US-Truppenpräsenz in Europa sei kein Thema gewesen. Die Forderungen Russlands nach einem garantierten Ende der NATO-Osterweiterung wies Sherman aber erneut zurück: "Wir werden nicht auf die bilaterale Zusammenarbeit mit souveränen Staaten verzichten, die mit den Vereinigten Staaten zusammenarbeiten wollen."

Russlands Vizeaußenminister Sergej Rjabkow hielt dagegen fest, man sei mit Blick auf ein Ende der Nato-Osterweiterung in Genf nicht weitergekommen. "Ich würde sagen: Nein, es ist nicht gelungen, irgendeine Verbesserung zu erzielen." Moskau habe klar gemacht, dass in Bezug auf wesentliche Forderungen Fortschritte erzielt werden müssten. Dazu zählten das Ende der Nato-Ausdehnung nach Osten und ein Verzicht des westlichen Militärbündnisses auf die Stationierung von Angriffswaffen nahe der russischen Grenzen. Von diesen Forderungen werde Russland nicht abrücken.

Drei Treffen in vier Tagen

Das Gespräch bildete nur den Auftakt zu einer Serie von insgesamt drei Treffen, die diese Woche auf dem Programm stehen: Am Mittwoch kommen in Brüssel die Partner des westlichen Militärbündnisses Nato mit Russland zusammen, am Donnerstag findet dann in Wien eine Sitzung im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) statt. Bei dem OSZE-Meeting hat die Ukraine selbst die Möglichkeit, ihre Stimme zu erheben.

In Moskau ist auch Experten bewusst, dass die meisten russischen Forderungen unannehmbar sind. Selbst der ebenfalls geforderte Verzicht der Nato auf künftige Erweiterungen widerspricht dem Selbstverständnis der Organisation, der zufolge jedes Land selbst entscheiden kann, ob es beitreten will. Besser stehen die Chancen beim Thema Kurz- und Mittelstreckenraketen in Europa, meint der Moskauer Militärexperte Michail Chodarjonok. Allerdings könnten dabei die USA im Rahmen eines möglichen Kompromisses Russland dazu auffordern, seine Iskander-Raketen nach Osten zu verlegen, vermutet er.

USA dämpfen Erwartungen weiter

US-Außenminister Antony Blinken war bereits im Vorfeld bemüht, die ohnehin nicht besonders hohen Erwartungen an den Gesprächsreigen zu dämpfen: "Ich glaube nicht, dass wir in der kommenden Woche irgendwelche Durchbrüche erleben werden", sagte er am Sonntag und führte dabei einmal mehr die Truppenkonzentration an Grenze zur Ukraine ins Treffen. Es sei schwierig, "in einer Atmosphäre der Eskalation mit einer Pistole am Kopf der Ukraine" Fortschritte zu erzielen.

Auch dass Blinken keine Entscheidungen über Europa treffen will, ohne Europa selbst in die Gespräche miteinzubeziehen, dürfte nicht nach dem Geschmack Russlands sein. Moskau setzt lieber auf bilaterale Verhandlungen mit Washington – und setzte diese schließlich gerade durch den Aufbau der vom Westen so heftig kritisierten militärischen Drohkulisse auch durch. (André Ballin aus Moskau, Jan Herbermann aus Genf, Gerald Schubert, 10.1.2022)