Auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs 1961 schrieb der russische Schriftsteller Jewgeni Jewtuschenko sein später auch vertontes Gedicht Chotjat li russkije wojny ("Wollen die Russen Krieg?"). Heute stellen sich wieder viele Politiker und Militärexperten im Westen diese Frage. Denn in der Ukraine-Krise hat Moskau jüngst den Einsatz deutlich erhöht und mit der impliziten Kriegsdrohung den Gipfel in Genf erzwungen.

Gipfeltreffen Russlands und der USA in Genf wegen der Ukraine-Krise.
Foto: AFP/DENIS BALIBOUSE

Dass bei den russisch-amerikanischen Verhandlungen die Betroffenen, um deren Sicherheit es geht, also die Europäer, nicht mit am Tisch sitzen, hat dabei Symbolkraft. Für Moskau ist Washington nach wie vor der einzig relevante Ansprechpartner, weil Gebieter des kollektiven Westens. Mit den USA will Russland über die Aufteilung und Abgrenzung von Einflusssphären verhandeln – so wie einst im Kalten Krieg.

Das Problem ist, dass sich die USA darauf gar nicht einlassen können. Angesichts der massiven Konfrontation, die sich zwischen beiden Seiten aufgebaut hat, sind jedoch die Folgen einer Nichteinigung beim Gipfel ungewiss. Mit welchem Kompromiss kann sich der Kreml zufriedengeben, ohne das Gesicht zu verlieren?

Nein, die Russen wollen sicher keinen Krieg. Aber durch die Drohkulisse, die sie aufgebaut haben, könnte sich der Konflikt entzünden, wenn der Gipfel keine Entspannung bringt. Es ist ein unverantwortlicher Poker, den Moskau hier betreibt. (André Ballin, 10.1.2022)