Corona hat das Büroleben auf völlig neue Beine gestellt: Überall wird derzeit der Flächenbedarf evaluiert. Andererseits wird "das physische Büro zum Mitarbeiterbindungsmodell", wie Expertinnen und Experten betonen.

Foto: Getty Images/iStockphoto

Das "Quartier Lassalle" an der Lassallestraße ist das größte laufende Generalsanierungsprojekt am Wiener Büromarkt. In die beiden früher von der Bank Austria genutzten Bürokomplexe werden heuer unter anderen die ÖBB und der Wiener ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds einziehen.

Foto: Putschögl

In den Neubau am Tlapa-Standort wird das AMS als Büromieter einziehen.

Visualisierung: Picasa

Im Jahr 2021 wurden auf dem Wiener Büromarkt etwas mehr als 170.000 Quadratmeter vermietet und 66.700 Quadratmeter an Flächen neu übergeben. Die Vermietungsleistung befindet sich damit auf einem Rekordtief, wie Alexandra Bauer, Research-Chefin bei EHL Immobilien, am Dienstag in einem Pressegespräch sagte. Im ersten Corona-Jahr 2020 waren immerhin 210.000 Quadratmeter neu vermietet worden.

Beim Vienna Research Forum (VRF), dem die größten Wiener Maklerhäuser (und somit auch EHL) angehören, kommunizierte man am Dienstag sogar eine noch niedrigere Vermietungsleistung von 136.400 Quadratmetern für 2021. Vom VRF werden nämlich nur die modernen Flächen gemäß bestimmten Kriterien gewertet. Die Vermietungsleistung lag damit um 25 Prozent unter jener des Jahres 2020. "Die pandemische Lage beeinträchtigt weiterhin den Vermietungsmarkt für Büroimmobilien", sagte Steven Bill Scheffler, Teamleiter Bürovermietung bei Otto Immobilien, in einer Aussendung.

Über die zu erwartende Vermietungsleistung im heurigen Jahr will man bei EHL keine Prognose abgeben, zumindest die Flächenproduktion sollte aber wieder steigen. Man rechnet mit einer Verdoppelung auf 126.000 Quadratmeter. Allerdings spielen dabei Refurbishments eine immer größere Rolle. Der Anteil der Generalsanierungen an der Neuflächenproduktion wird einen Rekordwert von 82 Prozent erreichen, prognostiziert EHL.

Nur zwei Neubauten

Mehr als die Hälfte der neuen Flächen wird sich in den beiden Objekten des Projekts "Quartier Lassalle" nahe dem Praterstern befinden. Von den insgesamt 78.000 Quadratmetern in den beiden von Imfarr generalsanierten Objekten wird die ÖBB 54.000 Quadratmeter beziehen (der Mietvertrag wurde hier aber schon 2020 abgeschlossen), weitere 7.400 Quadratmeter mietete der Wiener ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds an.

Andere größere generalsanierte Objekte, die heuer bezogen werden können, sind das Doppio Due im 9. Bezirk nahe dem Schottentor (6.000 Quadratmeter) sowie die Alte Post vulgo "Das Lebendige Haus" im 1. Bezirk (9.000 Quadratmeter). Neubauten, die das Flächenangebot am Wiener Büromarkt auch tatsächlich erhöhen, werden heuer lediglich zwei fertiggestellt: das siebenstöckige Bürogebäude beim Projekt Vienna Twenty Two in Kagran, wo das Bezirksamt für den 22. Bezirk einziehen wird, sowie der "Innovation Hub" beim Bondi-Großprojekt Twenty One an der Siemensstraße.

Die Liste der Top-Vermietungen 2021 legt nahe, dass Mieter aus dem öffentlichen Bereich im Vorjahr sehr aktiv waren. Sie wird angeführt von der Akademie der Wissenschaften, die auf 16.000 Quadratmetern im altehrwürdigen Postsparkassen-Gebäude am Georg-Coch-Platz einzieht. Die AUVA mietete 9.100 Quadratmeter im My Hive am Wienerberg an, das AMS 5.500 Quadratmeter in der Favoritenstraße 73. Bei Letzterem handelt es sich um den ehemaligen Tlapa-Standort in der Favoritner Fußgängerzone, wo die Vermehrt GmbH gerade ein modernes Büro- und Geschäftshaus errichtet.

Corona machte Büros zum Top-Thema

Die aktuellen Trends am Wiener Büromarkt, von denen Bauer berichtete, haben naturgemäß sehr viel mit Corona zu tun: "Alle setzen sich gerade mit ihren Büroflächen auseinander", so die Expertin. Remote Working werde "immer mehr zur 'neuen Normalität'", hybride Büronutzungskonzepte mit großer Flexibilität und Individualität "werden sich weitgehend durchsetzen".

Gleichwohl spiele das Büro aber auch bei der Mitarbeitersuche und -bindung mittlerweile eine sehr große Rolle, betont Bauer. "Das physische Büro wird zum Mitarbeiterbindungsmodell und ist sichtbar gewordene Unternehmenskultur."

Flexibilität ist ein Muss

Auch Otto-Experte Scheffler sieht den Büromarkt weiterhin stark von den Unsicherheiten geprägt, die die Pandemie mit sich bringt. "Ein Großteil der Wiener Unternehmen konnte aufgrund der Maßnahmen nur selten in den Normalbetrieb mit einer Vollauslastung des Büros zurückkehren. Dies führt bei den Entscheidungsträger:innen zu großer Unsicherheit, wie viel Bürofläche man für das Unternehmen künftig überhaupt benötigt."

Doch der Trend zum "New Way of Working" sei klar etabliert. "Flexible Arbeitszonen und großzügige Gemeinschaftsbereiche liefern den Anreiz, regelmäßig das Büro aufzusuchen, statt die Arbeit allein im Homeoffice zu verrichten. Dies stellt auch einen wichtigen Faktor im Buhlen um neue, qualifizierte Mitarbeiter:innen dar", so Scheffler. (Martin Putschögl, 12.1.2022)