In den vergangenen Tagen ließ der burgenländische Landesvater, Hans Peter Doskozil, mit einem neuen Meinungsbildungsprozess rund um seine Bedenken zur Impfpflicht aufhorchen und lieferte möglicherweise einen Beleg dafür, wieso ausgerechnet er derart beliebt im Osten Österreichs ist und vielleicht für den Posten an der Parteispitze der SPÖ besser geeignet wäre. Im hünenhaften Mann mit dominantem Auftreten steckt möglicherweise ein feinsinnigerer Geist, als manche beim ehemaligen Sicherheitswachebeamten erahnen würden. Schein und Sein müssen nicht immer übereinstimmen. Doskozil hat sensible Antennen für die Zeichen der Zeit und schafft es so die Performance seiner Parteichefin oft wirkungsvoll zu konterkarieren. In seiner Partei macht er sich dadurch weniger Freunde - beim Ottonormalwähler in vielen Fällen dafür umso mehr.

Rigidität der Regierung

Der Regierungskurs ist klar - Impfpflicht ab Februar. Die Meinung eines skeptischen Teils der österreichischen Bevölkerung, der auch aus immunisierten Personen besteht, ebenso. Stimulusworte wie Impfung, Tests und Pandemie kann niemand mehr hören und die Spaltung der Gesellschaft schreitet rasant voran.

An der Spitze der Krise sitzen Herr und Frau Politiker, die sich ihren Job in der Regierung bei Amtsantritt wahrscheinlich etwas leichter ersonnen und jetzt keine Ahnung haben, wie sie der wütenden Meute Herr (oder Frau) werden sollen. Kritik ist hier nur das Geringste, das derzeit auf die Regierungsriege einprasselt. Da hilft der allseits beliebte “Schulterschluss“, der der Bevölkerung Einigkeit demonstrieren soll, nichts, sondern gießt in den Augen der Bevölkerung lediglich Öl ins Feuer.

Es würde nicht überraschen, wenn letztere dadurch immer häufiger zu dem Schluss kommen würden, dass keine der Parteien in dieser Form mehr wählbar seien und in großen Bereichen sogar dazu bereit wären, Farben das berüchtigte Kreuzerl zu schenken, die sie im Leben nie hätten ankreuzen wollen. Wahrhaben will das natürlich keiner und so halten alle an parteischmeichelnden Umfragen fest, die die zu Wählenden in rosarote Sicherheit hüllen. Von sozial erwünschten Antworten, weil man es im Sinne der Cancel Culture ja “gar nicht laut sagen darf“, hat natürlich noch niemand etwas gehört.

Doskozil hat am Dienstag angedeutet, sich von der SPÖ abspalten zu wollen.
Foto: APA/HANS KLAUS TECHT

Pannonische Provokationen

Während also die einen um ihre Position bemüht versuchen, dem Unmut der Gesellschaft mit eiserner Disziplin entgegenzutreten und etwaige Unsicherheiten bezüglich der Umsetzbarkeit der Maßnahmen in peinlicher Manier vor den Kameras abwehren wo es geht, demonstriert ein ohnehin durchaus beliebter Politiker, dass es anders gehen könnte.

Der pannonische Provokateur Doskozil zeigt keine Angst davor, im Sinne des Versuches einer Zusammenführung der Gesellschaft, seine Meinung anzupassen, vom “Corpus Delicti“ der Impfpflicht abzusehen und einen anderen Weg aufzuzeigen, ohne das Virus nur annähernd infrage zu stellen. Natürlich ist der Vorschlag nicht ausschließlich dazu gedacht den Corona-Leugnern und Demonstranten einen Gefallen zu tun, denn sein Ansatz würde ebenfalls Problemstellungen bezüglich der Überforderung des Verwaltungsapparats bedienen. Und freilich würde selbst diese Lösung nicht allen zu Gesicht stehen und Kritik aus der Bevölkerung ist vorprogrammiert.

Irruption auf die Innenpolitik

Dass die braven Parteivasallen der anderen politischen Gruppierungen vor Schreck ganz bleich werden, ist klar. Am meisten dürfte sein Verhalten allerdings der Parteichefin, Pamela Rendi-Wagner, aufstoßen, an deren Stuhl Doskozil - bewusst oder unbewusst - schon lange und mit zunehmendem Erfolg sägt.

Denn sogar wenn er ihren Sessel vielleicht gar nicht will, stellen sich folgende Fragen: Warum ist es möglich, dass ein Landeshauptmann über mehr Gespür für potenzielle und bereits bestehende Wähler gepaart mit einer entsprechenden Immunität vor der Angst eines Gesichtsverlustes ausgestattet ist, als die Chefin einer Partei selbst? Und warum wird nicht bemerkt, dass er auf diese Weise den kompletten Untergang der Partei mehr verhindert, als ihn voranzutreiben? Denn jeder, der glaubt, es sich leisten zu können, einen derart großen Teil an Wählern zu ignorieren, überlässt das Spielfeld anderen.

Schwierige Zeiten erfordern manchmal außergewöhnliche Lösungen, die die Menschen - auch wenn man es kaum jedem Recht machen kann - zumindest so weit abholen, dass ein positiver gemeinsamer Weg entsteht, der aus einem Geben und einem Nehmen besteht und nicht aus einem depersonalisierten Bevormunden à la Schulsystem. (Daniel Witzeling, 13.1.2022)

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