Es ist eines der beliebtesten Argumente von Kohle-, Gas- oder auch Atomkraftbefürwortern: Erneuerbare Energieträger können nur dann liefern, wenn gerade der Wind bläst oder die Sonne scheint. Ansonsten fehle ihnen das Zeug, die Grundlast zu sichern. Den Versprechungen der tatsächlich immer besser werdenden Akkus wollen viele Kritiker nicht so recht Glauben schenken. Zu wenig, zu spät, heißt es.

Ocean Grazer

Die Wasserkraft ist diesem Argument ein wenig besser gewachsen, aber auch sie kämpft vielerorts mit schwächerer Stromproduktion in den kalten Wintermonaten. Dies wird bei sogenannten Pumpspeicherkraftwerken dadurch auszugleichen versucht, dass in Zeiten überschüssiger Energie Wasser in höhere Lagen gepumpt wird. Steigt der Energiebedarf, heißt es wieder "Wasser marsch", und es kann erneut Strom produziert werden. Diese mehr als 100 Jahre alte Technologie will sich ein niederländisches Start-up namens Ocean Grazer – ein Spin-off der Uni Groningen – nun zunutzemachen, um Offshore-Windparks lukrativer und effizienter zu machen und Nachfrage und Angebot auszugleichen.

Die Installation der Systeme wäre zweifellos aufwendig – der Nutzen möglicherweise spektakulär.
Foto: Ocean Grazer

Während die Windräder auf dem Wasser heute teils noch abgeschaltet werden müssen, um die Netze an windigen Sonnentagen nicht zu überlasten, soll diese überschüssige Energie dafür benutzt werden, Meerwasser in befüllbare Säcke auf dem Meeresboden zu pumpen. Wird Energie gebraucht – weil an Land gerade die Nacht angebrochen ist oder Flaute über dem Meer herrscht –, werden die Schleusen geöffnet. Durch die Last, die auf die befüllten Säcke drückt, fließt das Wasser zurück in die starren Auffangbecken, die unter dem Seeboden fix verankert sind. Auf dem Weg nach unten läuft das Wasser durch eine Turbine, die für die Stromproduktion sorgt. Auf kostspielige Akkus kann in diesem Anwendungsfall verzichtet werden.

Bis zu 80 Prozent der überschüssigen Energie können laut dem Unternehmen genutzt werden. Die "Ocean Batteries" sollen über einen Zeitraum von 20 Jahren unbegrenzt oft benutzbar sein, heißt es. Und das System könne sowohl in bestehenden als auch neuen Windparks installiert werden. 15 Prozent des Weltmarkts plant man zu besetzen.

Druck der Meere

Aktuell liegt die Leistung aller Offshore-Windparks bei insgesamt bei rund 35 Gigawatt. Bis zur Mitte des Jahrhunderts soll sich diese auf 1.150 Gigawatt vervielfachen, um den steigenden Energiebedarf möglichst klimafreundlich zu decken, weshalb die Firma großes Investmentpotenzial sieht.

Daniel Buhagiar

Design- und aufbautechnisch einen etwas anderen, im Konzept aber vergleichbaren Weg wählt die Firma Flasc, ein Spin-off der Universität Malta. Sie nützt die überschüssige Energie, um Wasser in einen Unterdruckbehälter zu pumpen und später damit wieder eine Turbine anzutreiben. Auch andernorts, etwa in Kanada oder Deutschland, wurde mit dem Druck, der auf dem Meeresboden herrscht, experimentiert. Dabei wurde etwa Luft in am Seeboden verankerte Ballons gepumpt, die sich dann vom Wasserdruck wieder zurückdrücken ließ und Turbinen antrieb.

Während Flasc seinen Protoyp bereits 2017 vorstellte, will das wenig bescheidene Unternehmen Ocean Grazer – es vergleicht die Bedeutung seiner Technologie mit jener des iPhones für das Mobiltelefon – sein erstes Unterwasserpumpspeicherkraftwerk erst 2025 installieren. (Fabian Sommavilla, 14.1.2022)