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Eigentlich hätte Außenminister Alexander Schallenberg am Dienstag von einer Schar spielender Kinder empfangen werden sollen. Doch der Pausenhof der Schule Patriarch Sfeir im ostlibanesischen Zahlé ist bei seiner Ankunft leer. Weil die Corona-Zahlen im Osten des Landes zu hoch sind, blieben die Pforten der Schule nach den Weihnachtsferien zu.

Sie wird von der Caritas mit österreichischer Unterstützung betrieben und ist einzigartig in der verarmten Bekaa-Region zwischen den schneebedeckten libanesischen Gebirgsketten. Denn nur hier werden Kinder mit Behinderung oder besonderen Bedürfnissen betreut. Etwa die neunjährige Jana, die aufgrund einer Minderbegabung Sprech- und Verständnisprobleme hat.

Janas Mutter, eine syrische Geflüchtete, erzählt, dass sie auf die Unterstützung der Caritas angewiesen ist. Viele der Familien der insgesamt 147 libanesischen und syrischen Kinder, die hier zur Schule gehen, führen ein Leben im Überlebensmodus. Die Gehälter reichen wegen der Hyperinflation kaum für Essen, die Caritas übernimmt daher teilweise auch Schulgebühren und leistet für die Kinder nötige psychologische Unterstützung.

Caritas hofft auf Fortsetzung der Hilfen aus Österreich

Finanziert wird die Schule mitunter von Geldern des österreichischen Innenministeriums. Diese Unterstützung – 500.000 Euro für sechs Bildungsprojekte im Libanon – läuft im Sommer aus. Die örtlichen 36 Lehrer sowie die Caritas hoffen, dass sie verlängert wird. Bildung bräuchte langfristige Planungsperspektiven und dafür konkrete Zusagen, sonst gibt es die Schule schon bald nicht mehr.

Außenminister Schallenberg versicherte bei seiner Besichtigung, dass der Libanon mit seinen Problemen nicht allein sei, zwar müssten sie hier gelöst werden, aber Österreich sei da, um zu helfen. Die Menschen bräuchten wieder Perspektiven vor Ort.

Über 1,5 Millionen Flüchtlinge

Davon gibt es derzeit wenig: Inzwischen sind drei Viertel der Libanesen unter die Armutsgrenze gerutscht. Sie leben Seite an Seite mit 1,5 Millionen syrischen Flüchtlingen, die ebenfalls kaum Mittel zum Überleben haben.

Tausende leben in einem inoffiziellen Flüchtlingslager unweit von Zahlé – in Haouch al Rafqah. Das Rote Kreuz hat die dürftigen Behausungen mit Unterstützung des Österreichischen Roten Kreuzes mit Wassertanks und Latrinen versorgt. Deshalb macht Außenminister Schallenberg auf seiner Reise durch den Libanon auch hier halt.

In Haouch al Rafqah empfangen ihn zahlreiche Kinder und Jugendliche vor den Zelten. Houda ist 18 und will einmal Ärztin werden, ihre Freundin träumt vom Lehrerinnen-Dasein. Es sind unwahrscheinliche Träume: Die Freundinnen gehen nicht zur Schule. Das Fahrtgeld für den Schulbus können sich ihre Familien schon lange nicht leisten.

Houda, die ihren kleinen Bruder auf dem Arm trägt, arbeitet wie die meisten Erwachsenen hier auf dem Feld bei der Gemüseernte mit. Für zehn Stunden Arbeit bekommt man umgerechnet zwei Euro am Tag. Davon müssen die Familien den libanesischen Grundbesitzern eine Miete für ihren Zeltplatz zahlen, rund 70 Euro im Jahr. Strom gibt es hier nicht. Geheizt wird angesichts der hohen Spritpreise mit Holz.

Von den humanitären Hilfszahlungen der Uno von umgerechnet 66 Euro im Monat kommt wegen der Bankenkrise manchmal nur noch die Hälfte bei den Flüchtlingsfamilien an. Hier bleiben will niemand: Houda und ihre Freundinnen möchten am liebsten, sobald es geht, nach Syrien zurück, der 25-jährige Mohammad Dawwas aus dem Nachbarszelt will dagegen mit Frau und den zwei Kleinkindern nach Kanada. Er will nicht mehr zurück nach Syrien. Dort erinnere ihn alles an Tod. (Flora Mory, 11.1.2021)