Die Nummer Eins der Weltrangliste steht derzeit aus anderen Gründen als üblich im Rampenlicht.

Foto: imago images/Belga

Melbourne – Die Entscheidung über die Einreise von Tennisprofi Novak Djokovic nach Australien wird sich verzögern und soll nicht vor Donnerstag fallen. Das berichtete die australische Nachrichtenagentur AAP am Mittwoch. Neue Informationen der Anwälte des 34-jährigen Serben hätten den Zeitrahmen verschoben, teilte das Büro von Einwanderungsminister Alex Hawke mit.

Es seien weitere Dokumente vorgelegt worden, die sich als relevant für eine mögliche Aufhebung des Visums erweisen könnten. "Das wird natürlich den Zeitrahmen für eine Entscheidung beeinflussen", hieß es. Hawke ist es vorbehalten, von seinem persönlichen Recht Gebrauch zu machen und Djokovics Visum ungültig zu machen.

Djokovic war in der vergangenen Woche auf dem Flughafen in Melbourne die Einreise verweigert worden, weil er nicht gegen das Coronavirus geimpft ist und den Behörden die Dokumentation seiner medizinischen Ausnahmegenehmigung nicht ausreichte. Weil die Grenzbeamten ihm allerdings nicht die vereinbarte Zeit zur Klärung zugestanden hatten, wurde die Entscheidung vor Gericht am Montag gekippt.

Der Sportler selbst hat indes absichtliche Falschangaben in seinen Einreiseformularen und die Gefährdung anderer Menschen bestritten. Fehler im Umgang mit seinem positiven Testergebnis räumte er jedoch ein. Dass in seinem Einreiseformular fälschlicherweise angegeben wurde, er sei in den 14 Tagen vor seinem Flug nach Australien nicht gereist, bezeichnete Djokovic als "menschlichen Fehler" seines Agenten, der "sicher nicht absichtlich" geschehen sei.

Der neunfache Australian-Open-Sieger wehrte sich in einer ausführlichen Stellungnahme auf Instagram vor allem gegen zwei Vorwürfe: Weder habe er absichtlich eine falsche Angabe zu seinem Reiseverhalten in den 14 Tagen vor dem Flug gemacht, noch habe er im Wissen eines positiven Corona-Tests im Dezember eine Veranstaltung mit Kindern besucht und sich dort ohne Maske bewegt.

Bei diesem Event am 17. Dezember und damit einen Tag nach "Test und Diagnose" sei er ohne Maske aufgetreten, habe aber von dem positiven Resultat noch nichts gewusst, erklärte Djokovic. Er habe am 16. Dezember einen negativen Antigentest gemacht und aus reiner Vorsicht auch noch einen PCR-Test. "Ich hatte keine Symptome und fühlte mich gut, und ich erhielt die Nachricht des positiven PCR-Tests erst nach der Veranstaltung", schrieb Djokovic.

Interview nach positivem Testergebnis

In Bezug auf diesen Test gibt es allerdings Berichte über neue Ungereimtheiten. So schreibt "Spiegel", dass der von den Djokovic-Anwälten vorgelegte PCR-Test in einer serbischen Datenbank auf ein späteres Datum datiert sei und nicht vom 16. Dezember stamme.

Zuvor hatte Djokovic "Fehlinformationen", die korrigiert werden müssten, als "verletzend und beunruhigend für meine Familie" bezeichnet. Er wolle darauf hinweisen, dass er sich sehr um die Sicherheit anderer und das Einhalten von Testvorgaben bemüht habe. Es sei ihm wichtig gewesen, all das klarzustellen, aber er werde sich aus Respekt vor der australischen Regierung nicht weiter zu den Vorkommnissen äußern.

Allerdings gestand Djokovic auch, dass er bei einem Interview mit der französischen Sportzeitung "L'Equipe" am 18. Dezember bereits von seinem positiven Testergebnis wusste und den Termin dennoch nicht abgesagt hatte. Er habe lediglich Abstand gehalten und seine Maske nur für den Fotografen abgesetzt. "Obwohl ich nach dem Interview nach Hause bin und mich für die vorgeschriebene Dauer in Isolation begeben habe, war das, nach genauerem Nachdenken, eine Fehleinschätzung, und ich sehe ein, dass ich diese Verpflichtung hätte verschieben sollen", schrieb er.

Ministerpräsidentin wird skeptisch

Aus Sicht der serbischen Ministerpräsidentin Ana Brnabic wirft Djokovics Verhalten nach einem positiven Corona-Test in Serbien Fragen in Hinblick auf mögliche Gesetzesverstöße auf. "Da besteht eine gewisse Grauzone, und Antworten in dieser Hinsicht kann nur Novak geben", sagte Brnabic am Dienstagabend dem britischen Fernsehsender BBC.

Sie selbst könne weder wissen noch beurteilen, ob Djokovic von seinem positiven Ergebnis wusste, als er sich am Tag nach dem Test ohne Abstand und Maske bei einer Veranstaltung mit Kindern zeigte. Sollte er als wissentlich positiv Getesteter zu der Veranstaltung gegangen sein, hätte er eindeutig gegen serbische Gesetze verstoßen. Die Regierungschefin wies außerdem darauf hin, dass die Mitteilung von Corona-Testergebnissen über SMS-Nachrichten in Serbien rasch funktioniere. "Wir haben eines der effizientesten Systeme der Welt", sagte sie.

Auch die Mutter des Weltranglisten-Ersten hat sich wieder zu Wort gemeldet. Dijana Djokovic forderte die australische Regierung auf, das Visum ihres Sohnes nicht noch in letzter Minute aufzuheben und ihn das Turnier spielen zu lassen. "Werfen Sie ihn nicht raus. Er ist kein Politiker, er ist ein Tennisspieler. Er ist kein Krimineller, er ist doch kein Mörder", sagte sie dem Sender Channel 7.

Heimgeschickte Voracova fordert Kostenersatz

Indes ergriff die WTA für Renata Voracova Partei: Die Tschechin habe alle Regeln befolgt. Ihr war wie Djokovic das Visum entzogen worden, sie beeinspruchte die Entscheidung aber nicht. Die Doppelspezialistin hat Australien am Samstag verlassen, nachdem sie in Melbourne schon ein Turnier bestritten hatte. Im Sender RTL sagte Voracova nun, sie hoffe auf einen Ersatz der entstandenen Reisekosten durch Tennis Australia. "Ich hoffe nicht, dass wir da juristische Schritte setzen müssen." (APA, 12.1.2022)

Schon gesehen?

Tennisstar Novak Djoković musste vier Tage in einem Hotel verbringen, weil er die Pandemiebeschränkungen des Landes nicht erfüllt hatte. In der Einrichtung der Einwanderungsbehörde leben auch mehr als 30 Asylsuchende, einige davon seit fast einem Jahrzehnt
DER STANDARD