Die Impfung nütze sowohl gegen die Infektion als auch gegen eine schwere Erkrankung, sagt Simulationsforscher Niki Popper. "Aber der Effekt der Drittimpfung geht bei Omikron im Vergleich zu Delta zurück."

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Der Simulationsforscher Niki Popper hat im "ZiB 2"-Interview am Dienstagabend einen Ausblick gegeben, wie sich die Corona-Infektionszahlen entwickeln werden, der schnell zur Realität wurde. Diese Woche werde man demnach die Zahlen vom November übertreffen – damals wurde der Höchstwert von 16.000 Infizierten pro Tag erreicht. Keine zwölf Stunden nach dem Gespräch war es schon so weit: 17.006 neue Fälle wurden registriert.

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Wie hoch die Zahlen durch Omikron in den kommenden Wochen noch steigen werden, hänge davon ab, wie gut die Maßnahmen und die Immunisierung wirken. Auch die Teststrategie spiele eine Rolle. Zuletzt kritisierte Popper, dass es in den meisten Bundesländern zu Verzögerungen im PCR-Test-Ausbau kommt. Man habe bereits vor einem Jahr eine Studie veröffentlicht, wonach sich ein gut ausgebautes PCR-Test-Angebot "sehr positiv auf die Ausbreitungsdynamik auswirken würde", besonders an Schulen. Es seien "Versäumnisse der Politik", dass die Infrastruktur erst aufgebaut werden müsse. Angesichts des erwarteten Übertreffens der Höchstwerte brauche es ein "sicheres Management dieser Entwicklungen", so Popper, der auch Teil der Gecko-Kommission ist.

Wie gut die Impfung wirkt

Angesichts vermehrter Berichte über Infektionen von dreifach Geimpften betont der Simulationsforscher, dass in den Zahlen nach wie vor ein Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften erkennbar sei. Die Impfung, vor allem die Zweit- und Drittimpfung, nütze sowohl gegen die Infektion – "nicht so stark, wie wir uns wünschen würden" – als auch gegen eine schwere Erkrankung. "Aber der Effekt der Drittimpfung geht bei Omikron im Vergleich zu Delta zurück", stellt Popper klar.

Auch der Komplexitätsforscher Peter Klimek betonte am Montag im STANDARD-Interview die Wichtigkeit der Impfung: "Der wichtigste Hebel, den wir im Moment haben, sind die Impfungen. Wenn wir die Welle etwas abflachen können, würden wir Zeit gewinnen, die unbedingt dafür genützt werden muss, dass sich mehr Menschen noch schnell impfen oder boostern lassen. Denn je mehr Personen immunisiert sind, desto glimpflicher wird diese Welle ausfallen."

Überlastung der Spitäler "genau das Thema"

Zwar würden Studien derzeit nahelegen, dass Omikron zu weniger drastischen Verläufen führe, sagt Popper. Von Medizinern habe er erfahren, dass vor allem weniger Beatmungsgeräte gebraucht werden, die Verweildauer auf den Intensivstationen also kürzer sei. Ob die Spitäler trotzdem noch einmal an oder über die Belastungsgrenze kommen, sei "genau das Thema. Wir fahren hier derzeit wirklich auf Sicht." Die Evidenz sei noch nicht sicher genug.

Außerdem seien jetzt schon zehn Prozent der Gesamtressourcen im Intensivbereich besetzt, sagt Popper. Die Impfpflicht spiele für diese Welle jedenfalls "keine Rolle mehr". Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) bekräftigen am Dienstagabend wie berichtet, dass die Impfpflicht zum geplanten Zeitpunkt im Februar starten werde. Gegenwind gibt es derzeit von vielen Seiten.

Vorsicht bei Prognosen zum Ende der Pandemie

Und der Lockdown für Ungeimpfte? In den Auswertungen der Mobilitätsdaten sei es sehr schwer einzuordnen, wie sehr das eingehalten werde, sagt Popper. "Wir sehen eigentlich üblicherweise Effekte in der Rücknahme der Kontakte bei denen, die schon geimpft sind."

Mit Prognosen, wann das Virus endemisch wird, sei Popper zwar "vorsichtig", das habe er auch einem ehemaligen Bundeskanzler geraten. Allerdings könne es im Herbst so weit sein, wenn sich genügend Menschen immunisieren (lassen). "Rund 90 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher hatten in der Vergangenheit schon mit der Impfung oder dem Virus selbst Kontakt." (Lara Hagen, 12.1.2022)