Haushaltsabgabe statt GIS wäre im Sinne aller Medien, findet Blimlinger: "Vielleicht ändert die ÖVP da noch ihre Linie."

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STANDARD: Die neue Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) spricht von "hoher Priorität" für Reformen bei Regierungswerbung und Medienförderungen. Gibt es darüber schon inhaltliche Einigkeit mit den Grünen, wohin die Reise gehen soll?

Blimlinger: Am Mittwoch hat die Medienministerin einen sehr umfangreichen Ministerratsvortrag vorgelegt, der den Weg schon ziemlich klar umreißt. Aber nun gehen wir in konkrete Gespräche mit den Stakeholdern aus der Branche, Wissenschafterinnen und Wissenschaftern und Vertreterinnen und Vertretern der anderen Parteien. Wir wollen wissen, was gebraucht wird und sinnvoll ist. Das sollte eine gute Ausgangsbasis für Gesetze sein, die den Medienstandort Österreich qualitätssichern.

STANDARD: Aber die Grünen und Sie hatten schon recht konkrete Vorstellungen über die Ziele.

Blimlinger: Es soll möglichst gleiche Standards für die vielen, recht unterschiedlichen Medienförderungen geben. Das heißt: Qualitätskriterien zu definieren, die über Reichweite und Auflage hinausgehen. Und es geht darum, Medienförderungen und Inserate der öffentlichen Hand in ein sinnvolles Größenverhältnis zu bringen.

STANDARD: Neue Medienförderungen sind neue Beihilfen, die die EU genehmigen muss – bei der neuen Digitalförderung gab es dafür noch im Herbst 2021 einigen Änderungsbedarf.

Blimlinger: Bei einer Neugestaltung von Medienförderungen muss man immer darauf achten, dass sie den EU-Richtlinien entsprechen müssen. Das wird sicher eine Herausforderung. Es gibt in der EU Länder, die keine direkte Medienförderung haben – wie Deutschland. In vielen anderen wie Dänemark gibt es eine klar umrissene Medienförderung nach konkreten Kriterien der Qualität, aber auch der Innovation für neu zu gründende Medien – und nicht eine Basisförderung, wie wir sie kennen.

STANDARD: Ist Dänemark ein Vorbild – Förderung nach Qualitätskriterien und Förderung für Innovationen und Gründungen?

Blimlinger: Wir sind selbstverständlich für Qualitätskriterien. Ein Qualitätskriterium wäre die Anzahl der nach Kollektivvertrag beschäftigten Journalisten und Journalistinnen bei einem Medium. Dieses Kriterium werden schon die Richtlinien für die neue Digitalförderung erstmals vorgeben. Weitere Kriterien sind in Diskussion, etwa das Verhältnis von eigenrecherchierten Berichten zu Übernahmen aus der APA oder anderen Medien. Solche Fragen sollten bei der Erstellung von Qualitätskriterien eine Rolle spielen.

STANDARD: Ministerin Raab wollte sich bei der Vorstellung ihrer medienpolitischen Pläne nicht darauf festlegen, ob es überhaupt Qualitätskriterien geben soll – das wolle sie erst in den Gesprächen mit der Branche und Expertinnen und Experten klären. Was wurde aus der oft in solchen Debatten genannten Beteiligung am Presserat als Qualitätskriterium?

Blimlinger: Da wäre ich sehr vorsichtig. Das ist eine freiwillige Selbstkontrolle der Branche. Wenn wir das gesetzlich normieren, mischt sich der Staat in diese Selbstkontrolle ein. Das sollte der Staat nicht als Kriterium für Förderentscheidungen einsetzen.

STANDARD: Die Ministerin wollte sich am Dienstag nicht festlegen, ob reine Onlinemedien künftig gefördert werden sollen. Steht das nun nicht in ihrem Ministerratsvortrag?

Blimlinger: Dort steht: "Inklusion reiner Onlinemedien in das Förderregime", und es ist, denke ich, für die Zukunft notwendig, wenn wir die Entwicklung des Printsektors sehen.

STANDARD: Die Höhe der Medienförderungen wird immer wieder diskutiert, eine Erhöhung gefordert. Soll es eine Gesamtförderung sein, und sind Sie für eine Erhöhung des Fördergesamtvolumens?

Blimlinger: Insgesamt soll es mehr Fördervolumen geben – und zugleich soll die Praxis einer verdeckten Medienförderung über Inseratenvergabe beendet werden. Es geht um – endlich – eine klare Trennung von Einschaltungen mit sinnvollen Informationen öffentlicher Stellen und andererseits Medienförderung, die zielgenau diesen Medienstandort absichert. Da geht es nicht nur um den Bund, sondern auch um die Länder und Gebietskörperschaften, die sich hoffentlich diesen neuen Standards anschließen.

STANDARD: Ministerin Raab wollte sich am Start nicht festlegen, ob es eine Obergrenze, eine Deckelung für Buchungen öffentlicher Stellen geben soll und wird. Wie sehen das die Grünen?

Blimlinger: Das hat mehrere Aspekte. Wenn man Werbung bucht, braucht man auch eine Wirkungsanalyse. Die gibt es bisher bei öffentlichen Stellen nur sehr rudimentär. Es muss zudem eine Berichtspflicht über Buchungen, Ziele und Ergebnisse gegenüber dem Ministerrat, besser noch gegenüber dem Nationalrat, geben. Jedes Unternehmen, das Werbung schaltet, schaut sich die Wirkung an. Und für besondere Situationen wie Pandemien oder Naturkatastrophen kann man ja Ausnahmen definieren, zum Beispiel mit Zustimmung des Parlaments.

STANDARD: In Diskussion war nach unseren Informationen auch eine unabhängige Stelle, die den geplanten Mitteleinsatz für öffentliche Buchungen und vielleicht auch Wirkung prüfen soll. Was wurde daraus?

Blimlinger: Wir sind für eine solche begleitende Kontrolle.

STANDARD: Finden sich die Grünen nun im Ministerratsvortrag von Susanne Raab über ihre Pläne für Werbebuchungen öffentlicher Stellen und Medienförderungen wieder?

Blimlinger: Wir hätten die Qualitätskriterien gerne noch präziser und ausführlicher festgehalten gehabt – aber das ist nun ein Thema für die Diskussionen mit den Stakeholdern und den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern.

STANDARD: Die Reform von Inseratenvergabe und Medienförderungen soll im Paket ausgearbeitet werden?

Blimlinger: Ja. Deshalb ist es ja auch in einem Ministerratsvortrag. Das ist zusammen zu denken.

STANDARD: Die Ministerin wollte sich auf keinen Zeitplan für diese Reformen festlegen – haben Sie einen? Jetzt ist gerade im Gefolge einer mutmaßlichen Umfrage- und Inseratenaffäre ein Bundeskanzler mit seinem Team zurückgetreten.

Blimlinger: Das sollte sinnvollerweise noch dieses Jahr passieren – wie auch die geplante ORF-Novelle. Aber natürlich braucht es noch Zeit, neue Fördermodelle in Brüssel abklären zu lassen.

STANDARD: Wie balanciert man bei der ORF-Novelle die Interessen von ORF und Privaten aus?

Blimlinger: Da wird es Kompromisse brauchen. Es geht es schon darum, den ORF in der Digitalisierung zu stärken. Aber im Gegenzug müssen auch der kommerzielle wie der nicht kommerzielle Privatfunk ebenso abgesichert und gestärkt werden. Das wäre am einfachsten über eine Haushaltsabgabe statt der GIS-Gebühr – da könnte man die Interessen aller in einem höheren Maße berücksichtigen. Da ist die ÖVP nicht auf unserer Linie. Aber vielleicht ändert sich da auch noch etwas, das wäre wunderbar. (Harald Fidler, 13.1.2022)