Vergessene Krisen 2021.

Grafik: APA, Quelle: Care

Malawi ist einer der ärmsten Staaten der Welt, im Herbst 2021 protestierten tausende Menschen gegen Korruption und steigende Lebenserhaltungskosten.

Foto: Amos Gumulira / AFP

Wien – Von der Öffentlichkeit weltweit weitgehend unbemerkt ist der Hunger zurückgekehrt, zum Beispiel in Sambia. 512 Mal wurde die Hungerkatastrophe mit 1,2 Millionen Betroffenen in dem Land im südlichen Afrika im vergangenen Jahr in Online-Medien erwähnt, wie aus dem am Donnerstag präsentierten Report "Suffering in Silence" der Hilfsorganisation Care hervorgeht. Als Vergleich brachte Care die mehr als 240.000 Erwähnungen der Weltallflüge von Jeff Bezos und Elon Musk.

Vergessene Krisenherde in Afrika südlich der Sahara

Zum sechsten Mal hat CARE mit dem Medienbeobachtungsdienst Meltwater die zehn Krisen und Katastrophen weltweit herausgefiltert, über die im vergangenen Jahr am wenigsten berichtet worden ist. Dabei wurden rund 1,8 Millionen Online-Berichte von 1. Jänner bis 30. September herangezogen. Zur traurigen Konstante ist dabei bereits geworden, dass vor allem auf die Krisenherde in Afrika südlich der Sahara in der Öffentlichkeit gern vergessen wird. Sechs der zehn am wenigsten beachteten Katastrophen ereigneten und ereignen sich dort, und fünf davon waren bereits im Vorjahr auf der Liste der zehn vergessenen Krisen.

Hungerkatastrophe in Sambia

Sambia lag im Vorjahres-Bericht auf Platz zehn, und seither ist die Berichterstattung über 1,2 Millionen Menschen, die nicht genug zu essen haben, weiter zurückgegangen. Heuer bedeutete das Platz eins in der Liste der vergessenen Krisen. Auch Malawi – heuer auf Platz drei – war im Vorjahr vertreten, auf Platz sechs: In dem südostafrikanischen Land sind 17 Prozent der Bevölkerung unterernährt. Die Zentralafrikanische Republik, in der 2,8 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen, liegt heuer auf Rang vier (2021: Platz drei). Sie wurde bisher in jedem der "Suffering in Silence"-Reports erwähnt. In Burundi sind 2,3 Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Heuer liegt das Land auf Platz sieben der am wenigsten berichteten Krisen, im Vorjahr lag es gar auf Platz eins.

In jedem "Suffering in Silence"-Bericht wurden bisher auch Länder der Sahel-Zone erwähnt. Im Vorjahr war es Mali, 2020 fand Burkina Faso Erwähnung, heuer ist es Niger auf Platz acht des Reports. 1,8 Millionen Kinder sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Simbabwe komplettiert auf Platz neun die Reihe afrikanischer Länder im Ranking der vergessenen Krisen, auch dort ist Hunger die Ursache. 5,7 Millionen Menschen haben in dem Land im Süden Afrikas nicht genug zu essen. Erstmals fand sich Madagaskar nicht auf der Liste der zehn am wenigsten beachteten Krisenherde.

Ukraine an zweiter Stelle im "Suffering in Silence"-Bericht

Außerhalb Afrikas kam die Ukraine erneut in den "Suffering in Silence"-Bericht. Heuer liegt sie an zweiter Stelle, was angesichts der derzeitigen Berichterstattung über den russisch-ukrainische Krise umso überraschender erscheint. 2021 lag die Ukraine am vierten Platz – an der Ursache der Krise hat sich nichts geändert: 3,4 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe, hieß es im Vorjahr, und das gilt auch ein Jahr später exakt so.

Ebenfalls wie im Vorjahr findet sich Guatemala auf der Liste, heuer auf Platz fünf (2021: Platz zwei). Zwei Drittel der Bevölkerung müssen mit weniger als zwei US-Dollar (1,76 Euro) pro Tag auskommen. Mit Honduras kam heuer ein zweiter mittelamerikanischer Staat auf die Liste – auf Platz zehn. 2,8 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe. Auf Platz sechs landete ein südamerikanischer Staat: In Kolumbien leben laut CARE 4,9 Millionen Menschen unter der Kontrolle bewaffneter Gruppen.

Klimawandel und Corona-Pandemie verstärken prekäre Lagen

Care wies unter anderem auf den verschärfenden Effekt des Klimawandels und der Corona-Pandemie hin. Das betrifft unter anderem die Krisen in Sambia, Malawi, Simbabwe oder Burundi. Betroffene wie Concessa Nizigiyimana aus Burundi bestätigten dies: "Überschwemmungen nach starken Regenfällen haben uns gezwungen, unsere zerstörten Häuser zu verlassen. Wir mussten in Camps Zuflucht suchen, wo wir unter Kälte und Hunger gelitten haben."

Andrea Barschdorf-Hager, Geschäftsführerin von Care Österreich, wies darüber hinaus auf den Umstand hin, dass die Katastrophen immer besonders Frauen und Mädchen treffen. Und es werde vor allem über Hunger, Armut und Flucht zu wenig berichtet: "Vergessene Krisen sind auch für Hilfsorganisationen eine besondere Herausforderung. Mit der mangelnden Bekanntheit geht nicht selten auch eine geringe finanzielle Unterstützung einher. Dadurch fehlt es jedoch am wichtigsten – nämlich an konkreter Hilfe für die betroffenen Menschen vor Ort."

Zehn humanitäre Krisen, die 2021 keine Schlagzeilen machten:

  • 1. Sambia – 1,2 Millionen Menschen haben nicht genug zu essen
  • 2. Ukraine – 3,4 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe
  • 3. Malawi – 17 Prozent der Bevölkerung sind stark unterernährt
  • 4. Zentralafrikanische Republik – 2,8 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe
  • 5. Guatemala – 2/3 der Bevölkerung leben von weniger als 2 US-Dollar pro Tag
  • 6. Kolumbien – 4,9 Millionen Menschen leben unter der Kontrolle bewaffneter Gruppen
  • 7. Burundi – 2,3 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe
  • 8. Niger – 1,8 Millionen Kinder benötigen Nahrungsmittelhilfe
  • 9. Simbabwe – 5,7 Millionen Menschen fehlt es an genügend Nahrung
  • 10. Honduras – 2,8 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe

(APA, 13.1.2022)