Wien – Sobald Christina die Schutzausrüstung anlegt, schlagen zwei Herzen in ihrer Brust: Einerseits ist der Wunsch groß, die Patienten lebend durchzubringen, andererseits ist auch die Angst da, das eigene Leben oder das von Familienmitgliedern aufs Spiel zu setzen. Durch Ansteckung.

Foto: Günter Valda

Was für die meisten unvorstellbar, ist für das Gesundheitspersonal brutaler Alltag. Der Kampf um das Leben von Covid-Patienten fordert unermüdlichen Einsatz und viele Opfer – auf allen Seiten. Welche das sind, dokumentiert Krankenpfleger und Fotograf Günter Valda jetzt in Buchform. Er hat es via Crowdfunding geschafft, sein Buchprojekt "Gesichter der Pandemie" zu realisieren, DER STANDARD berichtete darüber.

Bis Anfang Jänner 2022 sind über die Plattform Startnext beachtliche 26.000 Euro zusammengekommen. Das Minimalziel lag bei 7.000 Euro. Das Buch soll noch im Februar im Kettler-Verlag erscheinen. Unter dem neuen Namen "Don't Let Me Down" und mit größerer Auflage. Statt 1.000 Exemplaren könnten 5.000 gedruckt werden. Der Umfang ist auf 200 bis 250 Fotos gestiegen. "Deswegen bin ich auch so happy, dass das Crowdfunding so gut gelaufen ist. Das ergibt ein Kapital, mit dem man arbeiten kann", sagt Valda.

Günter Valda.
Foto: Günter Valda

Selfies und andere Fotos

Aufgrund des Erfolges und der damit einhergehenden Wertschätzung für das Gesundheitspersonal möchte Valda das Buch jetzt erweitern. Neben der Ursprungsidee, Selfies von erschöpften Gesichtern aus den Krankenhäusern mitsamt ihren Botschaften zu drucken, zeigt Valda noch weitere Bilder. Gespeist aus einem "Riesenpool an Leuten", die ihm Fotos und Nachrichten schicken. Das Bedürfnis, gehört zu werden, scheint groß zu sein. "Ich habe sie gefragt, ob sie Tagebucheinträge haben oder Fotos vom medizinischen Aufwand, der da betrieben wird", sagt er. "Anhand der Detailgeschichten bekommt man einfach mehr von dem Wahnsinn mit, der da hinter verschlossenen Türen passiert." Der "Wahnsinn" materialisiert sich in den unzähligen Maschinen, Schläuchen, Medikamenten und Spritzen, die in den Krankenhäusern zum Einsatz kommen.

Spritzen und unzählige Medikamente

Valda verweist im Gespräch mit dem STANDARD auf den "dokumentarischen Wert" dieser Fotos aus den Corona-Intensivstation. Stehen die "Tonnen von Medikamenten und Spritzen", die verabreicht werden, doch im Zusammenhang mit der ganzen Impfdebatte. "Ich finde es immer spannend, wenn wegen der drei Impfungen diskutiert wird. Erwischt es dich aber schwer mit Corona, rinnen literweise Sachen in dich rein – und du weißt nicht, was da drinnen ist." Mit den Bildern wolle er Einblicke in die Arbeitsumgebung geben, das "Epizentrum der Pandemie", wie er die Covid-Intensivstationen nennt.

Panikattacken und Burn-out

Welchen Tribut Intensivstationen auch beim Personal fordern, dokumentiert Valda mit eindringlichen Texten wie jenem einer Intensivpflegerin. Sie ist nach 13 Jahren im Beruf ins Burn-out geschlittert – nachdem sie den ständigen Druck im Dienst und die Ängste nicht mehr bewältigen konnte. "Nach vielen Panikattacken und einem totalen Zusammenbruch ging nichts mehr", schreibt sie.

Brief einer Intensivpflegerin, Teil eins.
Foto: Günter Valda

Aktuell befinde sie sich auf dem Weg der Besserung, sie möchte nach ihrer Genesung wieder zurück in den Beruf: "Trotzdem sehe ich diese Pandemie nun nochmal mit ganz anderen Augen! Überhaupt in Zeiten dieser Demos und Impfdiskussionen."

Brief einer Intensivpflegerin, Teil zwei.
Foto: Günter Valda

"Das Personal steht mit dem Rücken zur Wand", sagt Valda über seine Kolleginnen und Kollegen. Er selbst hat 16 Jahre in der Notaufnahme im Wiener AKH gearbeitet, derzeit ist er Intensivkrankenpfleger im Unfallkrankenhaus Meidling. "Viele schreiben von Burn-out, dass sie im Langzeitkrankenstand oder psychotherapeutischer Betreuung sind. Es ist ein Wahnsinn, welcher Druck auf dem Personal lastet." Eine Welle folgt auf die nächste. Nach Delta ist Omikron da. Die Verschnaufpause ist kurz, die Ressourcen sind knapp.

Über die eigenen Grenzen gehen

"Sie haben es lange kompensieren können, vielen wird es jetzt aber zu viel." Dienste könnten nicht mehr besetzt werden, es drohen lange Arbeitsausfälle. Ein Stolperstein sei die soziale Kompetenz, "weil man sich über die eigenen Grenzen hinaus einsetzt, weil man ein wichtiges Glied in der Kette ist". Gehe man in den Krankenstand, kommen die Kollegen noch mehr unter Druck. Die Folgen sind Burn-outs und ein Scherbenhaufen. "Das habe ich jetzt sehr oft mitbekommen, das macht mich sehr nachdenklich und besorgt."

Von der öffentlichen Hand fühle sich das Gesundheitspersonal im Stich gelassen. "Es gibt etwa keine verpflichtenden Supervisionen, die Leute müssen sich selbst darum kümmern." Initiativen wie Second Victim, ein Verein zur Unterstützung von medizinischem Personal nach kritischen Situationen, müssten für den Staat in die Bresche springen. Und: "Dass man die Scherben aufgrund der Corona-Belastungen irgendwann zusammenräumen muss, daran denkt kaum jemand. Wo bekommt man neues Personal her, wenn das alte nicht mehr kann und will?" (Oliver Mark, 15.1.2022)

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Kampf gegen Corona: "Es gibt so viel Wut bei den Leuten, die sich den Arsch aufreißen" – Krankenpfleger und Fotograf Günter Valda zeigt die Hilflosigkeit jener, die alles schultern müssen und dennoch im Stich gelassen werden.

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valda.at

Foto: Günter Valda
Foto: Günter Valda
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Foto: Günter Valda
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Foto: Günter Valda
Foto: Günter Valda
Foto: Günter Valda
Foto: Günter Valda
Foto: Günter Valda