Booster-Impfungen reduzieren das Risiko symptomatischer und schwerer Verläufe. Dazu kommt, dass dreifach Geimpfte das Virus weniger lang ausscheiden und daher eine geringere Gefahr für die Umgebung sind.

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Rund acht Wochen werde es dauern, dann sei die Hälfte der Menschen in Europa mit Omikron infiziert, warnt die WHO auf Basis einer Hochrechnung. Mit dem Paradigmenwechsel hin zur Durchseuchung scheint sich gesamtgesellschaftlich eine gewisse Gleichgültigkeit eingeschlichen zu haben. Völlig unverständlich, findet Walter Hasibeder, Präsident der Österreichischen Intensivmediziner. Verläufe mit Omikron seien zwar milder als jene mit Delta, eine hohe Infektionszahl könne aber dennoch zur Überlastung des stationären Bereichs, möglicherweise des Intensivbereichs führen: "Auch milde Verläufe können zu Krankenhausaufenthalten führen." Mit hohem Fieber oder gastrointestinalen Symptomen, wenn man etwa nichts essen könne, würde man sehr rasch im Krankenhaus landen und stationäre medizinische Betreuung benötigen.

Das macht eine zentrale Unterscheidung deutlich: Verläufe mit Omikron sind zwar milder als jene mit der Vorgängervariante Delta, jedoch schwerer als die der Ursprungsvariante. Dabei bedeutete schon in der ersten Welle mit der Ursprungsvariante mild nicht gleich harmlos. Ein Forscherteam analysierte nachträglich die Symptome von 102 Infizierten mit milden Verläufen im Zeitraum von März bis Mai 2020. Dabei war jede dritte Person mindestens zwei Wochen krank, jede fünfte litt über zwei Monate lang unter Symptomen.

In den meisten Fällen bedeutet laut Hasibeder ein milder Verlauf bei Omikron Fieber, Husten, Kopf- und Gelenkschmerzen, Heiserkeit, Schnupfen: "Es ist unangenehm, aber nicht lebensbedrohlich", stellt der Intensivmediziner klar. Schwer ist ein Verlauf laut Definition der WHO erst dann, wenn Betroffene eine schwere Lungenentzündung entwickeln, die Atemfrequenz bei mehr als 30 Atemzügen pro Minute und die Sauerstoffsättigung im Blut unter 90 Prozent liegt.

Vorerkrankungen entscheidend

Wie schwer ein Verlauf mit Omikron werde, hänge vor allem von den Vorerkrankungen ab, so Hasibeder. Omikron hat einen anderen Eintrittsmechanismus in Zellen als frühere Varianten. Das heißt, Omikron kann sich in den oberen Atemwegen gut vermehren, bei der Infektion der Lungenzellen tut sich die Variante aber schwer. Das Virus braucht einige Zeit, um in die Lunge zu gelangen. In tieferen Lungenabschnitten ist die Viruslast bei Omikron und damit auch das Risiko eines organischen Kollapses meist relativ gering – mit Ausnahmen, wie der Intensivmediziner erklärt: "Bei Menschen mit Lungenerkrankungen oder Asthma führen Entzündungen und Schwellungen in dem Bereich sofort zu einer beträchtlichen Verschlechterung des Allgemeinzustandes, zu Atemnot bis hin zur Notwendigkeit der Beatmung auf der Intensivstation." Erste Studien aus Großbritannien zeigen allerdings, dass Krankenhausaufenthalte, die eine Nacht oder länger dauerten, bei Omikron im Vergleich zu Delta um 40 bis 45 Prozent zurückgegangen sind.

Omikron ist zwar für Einzelpersonen weniger gefährlich als Delta, gesamtgesellschaftlich sind aber vor allem die Rekordhöhen der Ansteckungszahlen bedrohlich. "Wir merken das jetzt schon. Wir können ältere Menschen nach einer Oberschenkelhalsoperation etwa nicht in Pflegeeinrichtungen überstellen, weil man dort aufgrund der vielen Krankenstände nicht genügend Personal hat." (Magdalena Pötsch, 14.1.2022)