Als der 80-jährige Omar Abd Al-Majid As’ad in einem leerstehenden Gebäude in seiner Heimatgemeinde Jiljilia in den Morgenstunden des Mittwochs aufgefunden wurde, trug er noch einen Kabelbinder am Handgelenk. Der Mann war von einem Familienbesuch nicht nach Hause zurückgekehrt.

Die trauernde Familie erhebt schwere Vorwürfe.
Foto: EPA/ALAA BADARNEH

Israelische Soldaten hatten sein Auto gestoppt, den Mann befragt, ihn laut Armee wegen Widerstands gefesselt, festgenommen und später freigelassen. Da habe der Mann noch gelebt, so geht aus Armeeangaben hervor.

Die Familie des Toten bestreitet das nicht, erhebt aber dennoch schwere Vorwürfe. Die Soldaten hätten den herzkranken Diabetiker geschlagen, ihn mit Kabelbindern gefesselt, ihm die Augen verbunden und ihn trotz Winterkälte in einem rund 200 Meter entfernt gelegenen verlassenen Gebäude in Bauchlage auf dem Boden abgelegt.

Zu diesem Zeitpunkt sei er bereits bewusstlos gewesen, sagt der Neffe, der sich auf Augenzeugenberichte von vier Männern bezieht. Diese waren ebenfalls von der Armee festgenommen und in das Gebäude verschleppt worden.

Verdacht auf Herzinfarkt

Warum der 80-Jährige weder von der Armee noch von den Zeugen in medizinische Versorgung übergeben wurde, ist vorerst unklar. Laut Angaben des Bürgermeisters von Jiljilia wurde Omar Abd Al-Majid As’ad erst in den Morgenstunden von Passanten entdeckt und ins Spital gebracht, wo dessen Tod festgestellt wurde. Spuren von Verletzungen gab es keine. Es besteht der Verdacht, dass der 80-Jährige einem Herzinfarkt erlegen sei.

Die israelische Armee hat eine Untersuchung eingeleitet. Zündstoff bietet der Fall wegen seiner Symbolwirkung: ein alter Mann, chronisch krank, bei winterlichen Temperaturen im Freien sich selbst überlassen, als Kollateralschäden einer Routine-Militärkontrolle durch die im Westjordanland allgegenwärtige israelische Besatzungsmacht – das sind Bilder, die bei den einen Schmerzen hervorrufen und die von anderen politisch missbraucht werden.

Seit einigen Monaten spannt sich die Lage in Israel und Palästina ¬wieder zusehends an. Terroranschläge durch Palästinenser häufen sich, Vernichtung palästinensischen Wohnraums durch die israelische Armee und gewaltsame Übergriffe durch jüdische Extremisten ebenso.Beim aktuellen Zwischenfall fügt sich noch eine außenpolitische Komponente hinzu. Der 80-Jährige hatte längere Zeit in den USA gelebt, er war auch US-Staatsbürger. Der Sprecher des Weißen Hauses, Ned Price, erklärte, Washington ersuche Jerusalem um gründliche Aufklärung. Man stehe in Kontakt mit der Familie des Verstorbenen, "um ihr unser Beileid angesichts dieser Tragödie auszusprechen".

"Gründliche und professionelle Untersuchung"

Ein Sprecher der israelischen Armee erklärte, die Militärpolizei werde den Zwischenfall "gründlich und professionell untersuchen". Die Ergebnisse der internen Ermittlungen würden dann dem Militärgeneralanwalt übergeben werden.Einige israelische Kommentatoren zeigten sich betroffen über den Vorfall. Elior Levy, Palästina-Korrespondent der auflagenstarken Zeitung Yediot Aharonot, schrieb: "Sie fesselten ihn und ließen ihn in einem verlassenen Gebäude ausruhen. Nacht, Winter, Kälte – aber wen kümmert es? Er ist ja am Ende nur ein Palästinenser." (Maria Sterkl, 13.1.2022)