Der Jobmarkt wird mehr und mehr zum Arbeitnehmermarkt, darüber sind sich die meisten Expertinnen und Experten einig. Das heißt: Arbeitgeber müssen noch mehr als bisher um die besten Kandidaten kämpfen und attraktive Angebote liefern.

Wo die größte Nachfrage an Beschäftigten besteht, ist seit Jahren bekannt: im Pflegebereich, bei fast allen Positionen, die mathematisch-technische Ausbildungen benötigen, in der IT, im Handwerk. Aktuell mangelt es aber auch an Lkw-Fahrern, Lohnverrechnern und Nachwuchs in Lehrberufen. Zusätzlich entwickeln sich entlang der grünen Transformation sehr viele neue Berufsmöglichkeiten – nicht nur im akademischen Bereich. Aber auch in klassischen Berufen wird zunehmend mehr Platz, so fehlen etwa praktische sowie Fachärzte.

Dazwischen lösen sich allerdings auch die bekannten Grenzen eines Jobs auf – durch Digitalisierung und Automatisierung, aber auch durch organisationale Umstellungen, die in Richtung einer Kernbelegschaft mit wachsenden Projektteams von außerhalb laufen. Welche Branchen und Berufsgruppen haben aktuell die besten Chancen auf dem Jobmarkt? Wir haben vier Fachleute um ihre Einschätzung gebeten.

Zukunftsbranchen schaffen neue Jobs

Daniel Marwan ist Gründer und Eigentümer der Personalberatung Epunkt.
Foto: Nina Danninger/Epunkt

"Unerwartet, aber wahr: Recruiter und Beschäftigte in Human Ressources gehören aktuell zu den gefragtesten Berufsgruppen. Viele Firmen wollen in diesem Bereich aufstocken, denn Personalarbeit wird in der neuen Arbeitswelt immer relevanter, die Themen vielfältiger und herausfordernder.

In der IT ist die Nachfrage nach Arbeitskräften sowieso immer größer als das Angebot – daran wird sich auch in diesem Jahr nicht viel ändern. Die Suche nach neuen Mitarbeitenden zieht sich hier oft über mehrere Monate. Besonders gefragt sind Fachkräfte an der Schnittstelle zwischen IT und Business sowie in den Bereichen Cybersecurity und Emerging Technologies – beispielsweise Robotics, künstliche Intelligenz oder Blockchain.

Ein weiterer Bereich mit guten Zukunftsperspektiven ist die E-Mobilität. Viele Erstausrüster drängen derzeit auf den Markt. Das hat zur Folge, dass die Auftragslage für Zulieferer und Entwicklungspartner rasant steigt und neue Jobs schafft.

Am Fachkräftemangel im Handwerk, Service und in der Pflege werden nur attraktive Arbeitsbedingungen langfristig etwas ändern können."

Führungsskills sind gefragt

Gundi Wentner ist Gründungspartnerin bei Deloitte Human Capital.
Foto: Deloitte/feelimage

"Die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften wird von vielen Unternehmen als der entscheidende Erfolgsfaktor für Wachstum und Erholung nach der Krise gesehen. Gesucht werden einerseits Absolventinnen und Absolventen technischer Studienrichtungen wie Informatik, aber auch Mathematik und Naturwissenschaften. Andererseits sind Mediziner, Softwareimplementierer ebenso wie Experten in beratenden Berufen wie der Steuerberatung derzeit sehr gefragt.

Ein Blick auf die Fähigkeiten der Zukunft zeigt: Technische Skills und IT-Kenntnisse sind gefragter denn je, aber auch generell hohe fachliche Spezialisierungen. Auf der persönlichen Seite suchen Firmen bei neuen Mitarbeitenden nach Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Lernbereitschaft und Kreativität.

Ganz grundsätzlich halten Firmen nach Führungskräften Ausschau, die mit den aktuellen Veränderungen umgehen können – Stichworte sind hier die Digitalisierung, soziale Unternehmensverantwortung sowie die veränderten Erwartungen der jungen Arbeitsgenerationen. Besonders begehrt sind Skills wie emotionale Intelligenz und Resilienz."

Grüne Jobs auf dem Vormarsch

Markus Brenner ist Managing Director der Unternehmenssberatung Brenner & Company.
Foto: Brenner & Company

"Besonders gut sind die Perspektiven für sogenannte Green Jobs, also jene im Bereich Nachhaltigkeit und erneuerbare Energien. Viele grüne Start-ups kommen nun außerdem in die Phase der Transformation, in der sie Strukturen aufbauen und daher Managementkapazitäten nachziehen müssen.

Auch Digitalisierungsthemen bleiben weiterhin aktuell: von der Versicherung über Automotiv hin zu Industrie und Handel. Jobprofile wie Prozessmanager oder Digital Chief Officer sind gefragt wie nie zuvor. Die Pandemie hat gezeigt, was in diesem Bereich noch alles möglich ist.

Es ist davon auszugehen, dass der Immobilienboom noch einige Zeit anhalten wird und damit auch Jobchancen schafft. Eine verstärkte Nachfrage gibt es in diesem Bereich nach Expertinnen und Experten rund um – vor allem hochtechnisches – FacilityManagement.

Ebenfalls sehr gefragt sind Juristinnen und Juristen. Einer der wenigen Bereiche, in denen es aber zumindest einige qualifizierte Kandidaten gibt. Viele sind offen für Jobs abseits der Kanzleien und werden in Legal-Abteilungen von Firmen und Verbänden tätig."

Transformation auf vielen Ebenen

Martin Mayer ist Managing Director der Iventa-Gruppe.
Foto: Ursula Röck

"Die Krise treibt die Digitalisierung auch in den Industriebetrieben voran, die nun verstärkt den Fokus auf die Umstellung von Produktions- und Logistikprozessen legen. Viele Unternehmen müssen ihre bisherigen Supply-Chain-Prozesse überdenken, um Materialmangel und Lieferproblemen zukünftig zu entgehen. Das Jobprofil des Digital-Supply-Chain-Managers ist daher aktuell besonders gefragt, um die Umstrukturierung voranzutreiben.

Der enorme Wandel bedeutet für die meisten Firmen nicht nur eine technologische Veränderung, sondern auch eine Umgestaltung der Unternehmenskultur und der Arbeitsweisen. Wer diese Transformation aktiv mitgestalten möchte, findet als Change-Manager in Beratungen oder als Inhouse Consultant in Unternehmen offene Türen vor.

In ihr eigenes Personal investieren Firmen aktuell besonders stark, um Fachkräfte zu finden: In HR-Abteilungen werden sowohl Active Source-Spezialisten gesucht, die sich auf die Suche nach den passenden Talenten begeben, als auch Personalentwicklerinnen und -entwickler, die sich auf das Upskilling der Beschäftigten konzentrieren." (Anika Dang, 15.1.2022)