Die Türen stehen offen, die Fakten sind geschaffen, doch die Debatten reißen nicht ab: Das Humboldt Forum im teilrekonstruierten Berliner Schloss, das im Dezember 2020 digital und im Juli 2021 mit real existierenden Besucherströmen eröffnet wurde, ringt um woke Akzeptanz. Dabei hatte das Projekt mit einer verlockenden Idee begonnen: Ausgerechnet in ein Remake der Residenz von Kurfürsten, Königen und Kaisern sollten zwei Museen einziehen, Preußens und Deutschlands Haltung zur Welt repräsentieren – das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst.

Das Humboldt Forum im rekonstruierten Berliner Stadtschloss.
Foto: Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss / Alexander Schippel

Das Zusammenspiel von Fassade und Programm wäre prädestiniert gewesen, eine aufklärerische Desillusionierungsmaschine, ein "Doppelmuseum" zu realisieren, das künst lerische Artefakte in dem spiegelt, was als "aggressives Außenverhalten von Kulturen" beschrieben werden könnte. Und eine Fake-Fassade hätte einem solchen Museum geholfen: Sie hätte Authentizitätserwartungen, die ihrerseits durchaus reaktionär sein können, von Anfang an unterlaufen.

Es kam anders: nostalgischer. Konservativer. Reaktionärer. Das Humboldt-Forum steht wegen teils extrem rechter Spender unter Beschuss. Das Geld für die Fassadenrekonstruktion – insgesamt 105 Millionen Euro – wurde vom Förderverein Berliner Schloss e. V. um den Hamburger Kaufmann Wilhelm von Boddien eingesammelt.

Rechte Spender

Zu diesen Spendern gehört auch der Verein Gesellschaft Berliner Schloss e. V., dessen dreiköpfiger Vorstand zu zwei Dritteln aus rechten Akteuren besteht: dem Schatzmeister Daniel Krüger (der ein AfD-Politiker ist) sowie dem zweiten Vorsitzenden Guido Hinterkeuser, der die "Gemeinsame Erklärung 2018" mitunterzeichnet hat, in der sich Rechtsextremisten gegen eine "Beschädigung Deutschlands" durch eine "illegale Masseneinwanderung" aussprachen.

Die Motive hinter derlei Finanzierungen dürften mit konservativen Selbstberuhigungsformeln nicht hinreichend erklärt werden. Rechte Spender wollen eben nicht nur harmlose Zeitreisen unternehmen, sondern sie sind gekommen, um voller Entschlossenheit Bühnenbilder für den politischen Rollback zu bauen. Erhardt Bödecker (1925–2016) etwa, der extrem rechte Bänker der im Kaiserreich den "erfolgreichsten Staat der deutschen Geschichte" sah, spendete mit seiner Frau Anneliese die Neufertigung der Nordkartusche des Eosanderportals.

Als der Architekturtheoretiker Philipp Oswalt in einem Tagesspiegel-Artikel die rechtsradikalen und antisemitischen Züge von Bödeckers Weltbild publik machte, reagierte die Stiftung Humboldt Forum schnell, distanzierte sich von den Positionen des Großspenders und entfernte das Reliefmedaillon des Ehepaars, das allen Geldgebern mit Zuwendungen ab eine Million Euro aufwärts zugesichert worden war.

Dies sind nicht die einzigen Fassadenfinanziers mit Rechtsdrall. Der Chefredakteur Dieter Stein und der Autor Claus Wolfschlag der Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit, der Rechtsanwalt und AfD-Kandidat bei den Stuttgarter Gemeinderatswahlen Thomas Sambuc, Karl-Klaus Dittel, Mitgründer des AfD-nahen Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheit griffen alle zum Geldbeutel, ebenso wie der "Preußenabend München", eine Organisation, bei der, so berichtet Jörg Häntzschel in der Süddeutschen Zeitung mit Verweis auf Recherchen des Bayerischen Rundfunks, "rechtskonservative Akademiker, Vertriebenenfunktionäre, AfD-Politiker und Neonazis" auftreten. Es liefe auf eine Verharmlosung hinaus, diese als "Einzelfälle" abzutun.

Bereits während der Bauphase hatten sich die Kontroversen um das Humboldt Forum von den Fassaden zu den Ausstellungsinhalten verschoben. So kritisierte die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy den Namen "Humboldt Forum" als bloßes Label, forderte eine kritischere Auseinandersetzung mit "all den Schweinereien" aus 300 Jahren Sammeltätigkeit und verließ 2017 unter Protest den Beirat des Humboldt Forum. Savoy sieht einen fundamentalen Widerspruch zwischen der Fassadenreplik und den Ausstellungsinhalten: Während das Humboldt Forum mit seinem architektonischen Erscheinungsbild die Möglichkeit suggeriere, Geschichte rückgängig machen zu können, werde den vor allem afrikanischen Gesellschaften, die um Rückführung entwendeter Artefakte bitten, das genaue Gegenteil erklärt: Geschichte lasse sich eben nicht rückgängig machen.

Dass der postkoloniale Groschen bei den Verantwortlichen des Humboldt Forum erst in jüngster Zeit so einigermaßen gefallen ist, ist kulturpolitisch besonders fatal, da sich der Bau des Schlossoriginals von Andreas Schlüter Gewinnen aus der Kolonie Groß-Friedrichsburg im heutigen Ghana verdankte. Darauf verweist Anna Yeboah mit ihrer eindrücklichen Schilderung in der Zeitschrift ARCH+, wie sie mit ihrem aus Ghana stammenden Vater einmal jenes noch heute existierende Fort besuchte, in dessen Keller räumen Tausende von Menschen Einsperrungen und Folterungen erleiden mussten, bevor sie nach Mittelamerika deportiert wurden. Von ihren Qualen blieb vor Ort eine schwarze Masse zurück, die den Kellerboden heute wie ein weicher Estrich überzieht: eine über die Jahrhunderte stabilisierte Melasse aus Blut und menschlichen Fäkalien.

Kulturpolitisches Totaldesaster

Doch von derlei wollen die deutschen Schlossbaufreunde lieber nichts wissen. Es könnte ihr Bild von der "guten alten Zeit" stören. Statt einen Gedanken an afrikanische Blutböden zu verschwenden, setzte der Förderverein dem Humboldt Forum noch die ultimative Krone auf: Von einem christlichen Kreuz bekrönt, wird die neu errichtete Schlosskuppel von einer rundum laufenden Tambour-Inschrift geschmückt, auf der geschrieben steht: "Es ist kein ander Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, daß im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind."

Mittlerweile hat sich die Stiftung Humboldt Forum vom Kuppelspruch distanziert und will ihn nachts mit einer leuchtenden Laufschrift und Auszügen aus dem Grundgesetz sowie der Menschenrechtserklärung überblenden. Und tagsüber, bei laufendem Betrieb, soll die im Museum adressierte Weltgesellschaft sich dem christlichen Herrschaftsanspruch unterwerfen? Das kulturpolitische Totaldesaster namens "Humboldt Forum" tritt nun, so scheint es, in eine Phase der High-End-Bizarrerie ein.

Doch selbst die Leuchtschrift-Hilflosigkeit bringt Wilhelm von Boddien noch aus der Façon. Wer laut von Boddien christliche Insignien heute infrage stelle, riskiere "einen kulturellen Bruch, wie wir ihn in unserer Geschichte noch nie hatten – die Herrschaft der Säkularisierung über unsere 2000 Jahre alten Wurzeln im Christentum". Möge ihm irgendwer erklären, dass es sich bei dem Bau nicht um eine Kirche, sondern um einen in der Tat säkularen Ort handelt. Und dass Aufklärung nur gegen religiöse Mächte durchgesetzt werden konnte und kann.

Man muss es so deutlich formulieren: Das wichtigste deutsche Kulturprojekt seit der Wiedervereinigung ist in die Hände einer Mesalliance von Reaktionären und Planlosen geraten. Es braucht in Deutschland neben neuer politischer Entschlossenheit wohl nun vor allem auch schweres Gerät, um sich den symbolpolitischen Zumutungen ultrakonservativer Stadtbildlobbyisten zu erwehren. (Stephan Trüby, 16.1.2021)