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Die Ukraine meldete einen Hackerangriff.

Foto: Reuters/Ogirenko

Kiew/Moskau – Nach den ergebnislos verlaufenen Krisengesprächen zwischen Russland und dem Westen hat das russische Militär neue Manöver abgehalten. Im Wehrbezirk Ost habe es eine nicht angekündigte Überprüfung der Gefechtsbereitschaft gegeben, teilte das Verteidigungsministerium am Freitag in Moskau mit. Der russische Außenminister erhöhte am Freitag bei seiner Forderung an USA und Nato nach Sicherheitsgarantien den Druck. Die Ukraine meldete unterdessen einen massiven Hackerangriff auf Internetseiten der Regierung.

Man werde nicht ewig auf eine Antwort warten, sagte Lawrow am Freitag in Moskau. Seine Regierung bestehe auf einer schriftlichen Antwort aus Washington und Brüssel, in der auf jede einzelne Forderung Russlands eingegangen werden müsse. Sollten einzelne Punkte abgelehnt werden, erwarte er dazu eine Erklärung. Die Beziehungen zwischen beiden Seiten sind auf einem Tiefpunkt angelangt. Gespräche auf Spitzenebene in dieser Woche haben keine Annäherung gebracht.

Kiew schlug am Freitag einen Gipfel von US-Präsident Joe Biden, Russlands Präsident Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij vor. Von der Nato verlangt Kiew eine klare Aussage zum Bündnisbeitritt der Ukraine. Es sei Zeit für eine ehrliche und transparente Konversation mit der Ukraine, sagte Selenskijs Sprecher Andrij Jermak.

USA befürchten Sabotage

"Wir haben Informationen, die darauf hinweisen, dass Russland bereits eine Gruppe von Agenten aufgestellt hat, um einen Einsatz unter falscher Flagge in der Ostukraine auszuführen", sagte ein US-Regierungsvertreter am Freitag. "Die Agenten sind im Häuserkampf und im Einsatz von Sprengstoff ausgebildet, um Sabotageakte gegen Russlands eigene Stellvertreterkräfte zu verüben."

"Russland legt die Grundlagen um die Option zu haben, einen Vorwand für eine Invasion zu erfinden, unter anderem durch Sabotageakte und Informationsoperationen", sagte der Regierungsvertreter weiter. Ziel sei es, der Ukraine vorzuwerfen, einen "unmittelbar bevorstehenden Angriff auf russische Kräfte in der Ostukraine vorzubereiten".

Die russischen Streitkräfte würden planen, mit diesen Aktivitäten einige Wochen vor einem militärischen Einmarsch zu beginnen, der "zwischen Mitte Jänner und Mitte Februar" starten könnte, sagte der Regierungsvertreter weiter.

Gegenseitige Vorwürfe

Die USA hatten Russland erst in dieser Woche vorgeworfen, im Ukraine-Konflikt bisher keine Bemühungen um eine Entspannung gezeigt zu haben. Russland habe weiterhin rund 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine im Einsatz, sagte die US-Botschafterin bei der Nato, Julianne Smith, dem US-Sender CNN. Der Westen befürchtet eine Invasion in die Ukraine, was die Regierung in Moskau zurückweist.

Russland seinerseits geht es um Sicherheitsgarantien. So fordert die Regierung in Moskau unter anderem eine Zusage der Nato, dass die Ukraine nicht in das transatlantische Militärbündnis aufgenommen wird. Dies lehnt die Allianz kategorisch ab.

Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte ein Video, das Kolonnen von Militärfahrzeugen zeigte und wie Panzer auf Eisenbahnwaggons verladen wurden. Soldaten seien zu entfernten Übungsplätzen gebracht worden. Ein Augenmerk sei zudem auf der Infrastruktur gelegen, "um den Transport von Truppen innerhalb einer bestimmten Zeit zu gewährleisten", hieß es.

Bereits am Mittwoch begannen im Süden Russlands mehr als 10.000 Soldaten auf mehr als 20 Übungsplätzen mit Manövern. Am selben Tag führten Vertreter der 30 Nato-Staaten und Russlands das erste Mal seit zweieinhalb Jahren Gespräche. Dazu gab es am Donnerstag auch eine Sitzung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien. Bereits am Montag wurde ein hochrangiges Treffen von Vertretern Russlands und der USA in Genf abgehalten.

"Weltweiter Angriff"

Die Ukraine meldete indes einen "weltweiten Angriff" auf die Internetseiten ihrer Regierung in der Nacht auf Freitag. Laut dem Bildungsministerium in Kiew waren am Morgen etwa die Homepages des Außenministeriums, des Energieministeriums, der Regierung und des Rettungsdienstes nicht abrufbar. Eine auf Cyberangriffe spezialisierte Einheit bei der Polizei habe Ermittlungen aufgenommen, teilte das Energieministerium mit. Wer hinter dem Angriff steht, war zunächst unklar.

"Wahnsinnig besorgniserregend'"

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) bezeichnete den massiven Hackerangriff als "wahnsinnig besorgniserregend". Cyberattacken seien mittlerweile "Teil der diplomatischen Realität", sagte Schallenberg beim EU-Außenministertreffen in Brest weiter mit Verweis auf einen Hackerangriff auf das Außenministerium in Wien. Es müsste "sehr genau" beobachtet werde, "woher kommt das und was ist das genaue Ziel des Angriffs?"

Baerbock besucht Kiew und Moskau

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock reist Anfang kommender Woche in die Ukraine und nach Russland. Am Montag wird die Grünen-Politikerin in Kiew und am Dienstag in Moskau sein, wie das Auswärtige Amt in Berlin am Freitag mitteilte. In Kiew stehen demnach ein Treffen mit Selenskij und Außenminister Dmytro Kuleba auf dem Programm.

Zudem will Baerbock Vertreter der Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprechen. In Moskau trifft die Ministerin Lawrow.

Baerbock selbst dämpfte Erwartungen, dass es in den angespannten Beziehungen zwischen Russland und dem Westen schon bald eine Annäherung geben könnte. Es habe etwa im Nato-Russland-Rat zwei Jahre lang keine Gespräche gegeben, sagte die Ministerin am Rande von Beratungen der EU-Außenminister in Brest. Daher könne niemand eine Lösung innerhalb von Stunden erwarten.

Poroschenko kritisiert Selenskyj

Der frühere ukrainische Präsident Petro Poroschenko warnt vor den Plänen von Putin. "Meine eigene Erfahrung mit Putin hat mich zwei Dinge gelehrt: Erstens kann man Putin nicht vertrauen. Und zweitens: Vor Putin darf man keine Angst haben", erklärte Poroschenko in einem Interview mit der "Presse".

Poroschenko, der von der Oberstaatsanwaltschaft in Kiew des Hochverrats bezichtigt wird, warf dem ukrainischen Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj vor, mit dem Vorgehen der Justiz gegen ihn eine rote Linie überschritten zu haben. "Denn die Staatsanwaltschaft ist von ihm abhängig. Ich habe 2014 zwei Drittel des Donbass zurückerobert. Ausgerechnet mir Hochverrat vorzuwerfen, ist die Höhe! "

Die Tatsache, dass 100.000 russische Soldaten an der Ostgrenze der Ukraine zusammengezogen wurden, werde von Selenskyj bagatellisiert, so Poroschenko. "Sein Angriff auf mich zeigt, dass er diese Bedrohung nicht ernst nimmt. Die USA und die Nato haben viele Satellitenaufnahmen vorgelegt, aber Selenskyj spricht von Fake News. Auch als Oppositionsführer fehlen mir da die Worte", empörte sich der ehemalige Präsident.

Niemand könne vorhersagen, was Putin als Nächstes unternehme, meinte Poroschenko. "Putin selbst weiß das meiner Meinung noch nicht. Er wird mit der Eskalation in der Ukraine nur weitergehen, wenn er keinen Widerstand spürt. Spürt er diesen, wird er sofort das Lamm herauskehren." (vos, APA, 14.1.2022)