Wenn es um Delfine geht, denken die etwas Älteren unter uns vermutlich zuerst einmal an Flipper, den klugen Delfin, wie es in der Titelmelodie zur gleichnamigen Fernsehserie aus den 1960er-Jahren heißt.

Retro Germane

Der Name der Serie, die in den 1990ern ein Remake erfuhr, kommt übrigens daher, dass die Brustflossen der Wale, Delfine und Meeresschildkröten Flipper heißen.

Noch weniger bekannt ist womöglich, dass Flipper in der TV-Serie zwar ein "er" ist, aber durchwegs von weiblichen Delfinen verkörpert wurde – und zwar hauptsächlich von einem Großen Tümmler namens Kathy. Das lag daran, dass Weibchen erstens weniger aggressiv sind und deshalb zweitens eine glattere Haut ohne Narben haben, was den Einsatz verschiedener Delfine (neben Kathy noch Susie, Patty, Scotty und Squirt) erleichterte.

Die Bonobos der Meere

Vermittelte "Flipper" ein idealisiertes Bild von der Intelligenz und Moral der Meeressäuger, so unterschlug die Serie aufgrund ihres Zielpublikums ("der Freund aller Kinder") eine weitere bemerkenswerte Eigenschaft der Tiere: Delfine sind quasi die Bonobos der Meere und haben sehr viel Sex in allen anatomisch denkbaren Variationen, wie die US-Biologin Patricia "Patty" Brennan in einem Gespräch mit der Zeitschrift "New Scientist" erläutert: "Große Tümmler sind wirklich hypersexuelle Tiere."

Sie haben nicht nur in fruchtbaren Zeiten, sondern quasi die ganze Zeit Sex, sagt Brennan. Dazu gehöre auch viel homosexueller Sex, und zwar bei Männchen wie Weibchen. Die Männchen hätten auch Analsex, so die Zoologin, und sie stecken sich gegenseitig ihre Penisse in die Blaslöcher."

Bild nicht mehr verfügbar.

Das Sexualleben der Delfine ist eher nicht jugendfrei.
Foto: AP / Chris O‘Meara

Laut Brennan, die sich in ihrer auch feministisch motivierten Forschung auf die Genitalien von Tieren spezialisiert hat und zuletzt mit ihren Studien über extrem lange Entenpenisse einiges mediales Aufsehen erregte, besitzen weibliche Delfine zudem außergewöhnlich große Klitoriden. Und wie sie in ihrer neuesten Studie im Fachblatt "Current Biology" vermutet, dürften die ausgeprägten Kitzler evolutionär aus Gründen des Lustgewinns und des "tierischen Vergnügens" entstanden sein.

Von der Vagina zur Klitoris

Auf das konkrete Thema kam Brennan, die am Mount Holyoke College in Massachusetts lehrt und forscht, bei einem Projekt zur Erforschung der Delfin-Vagina, zu dem sie eingeladen worden war. Die Vagina der Meeressäuger ist unter anderem deshalb sehr speziell gebaut, weil Salzwasser den Samenzellen schadet. Bei den anatomischen Untersuchungen wurde Brennan auf Klitoriden aufmerksam und ließ sich daraufhin weitere Gewebeproben von Geschlechtsorganen verendeter Delfine schicken.

Bei den Analysen zeigte sich, dass die Klitoriden der Großen Tümmler besonders viel erektiles Gewebe und dichte Nervenverbindungen aufweisen. Für Brennan sind das deutliche Hinweise darauf, dass die Kitzler eine ähnliche Funktion haben wie bei uns Menschen oder auch den Bonobos – und eben nicht so etwas wie verkümmerte Penisse ohne jede Funktion sind.

Die anatomischen Aufschlüsse entsprechen auch dem Verhalten der Delfinweibchen: Diese wurden unter anderem auch beim Masturbieren beobachtet oder dabei, die erogenen Schwellkörper ihrer Geschlechtsgenossinnen zu stimulieren – mit der Schnauze oder eben: mit einem Flipper. In der gleichnamigen Kinderfernsehserie hätten solche Szenen vermutlich einige Fragen aufgeworfen. (tasch, 15.1.2022)