Die Milliardärin vor einem Francis-Bacon-Werk: mit Hund auf dem Schoß und Museumsmodell.
Foto: Ouriel Morgensztern

Der Lokalaugenschein im Innenhof des Gründerzeitbaus Ecke Goethe- und Hanuschgasse in der Wiener Innenstadt zeugt von erkennbarem Baufortschritt: Das ehemalige Kanzleigebäude, 1914 für Beamte der in der Albertina gegenüber residierenden Erzherzöge errichtet, war in den vergangenen Monaten regelrecht ausgehöhlt worden. Vorgaben vom Bundesdenkmalamt gab es mangels Denkmalschutz keine. Original ist nur noch die Fassade, die teils bereits einen neuen Anstrich in gelblichem Creme bekam.

Der Umbau der im Umfeld Heidi Goëss-Hortens gerne als "Palais" titulierten Beamtenburg zum künftigen Privatmuseum begann im Juli 2020 und sollte 19 Monate dauern. Das ursprünglich veranschlagte Budget lag bei etwa zehn Millionen Euro oder 5000 Euro pro Quadratmeter. Für die Immobilie selbst soll die Milliardärin kolportierte 30 Millionen Euro bezahlt haben.

ÖVP-Großspenderin

Angesichts solcher Dimensionen wirkt das einzelne Miet-WC für all die hier auf der Großbaustelle beschäftigten Arbeiter etwas lumpig. Der Eingangsbereich ist noch eingerüstet, im Außenbereich sind derzeit Betonierarbeiten im Gange, im Inneren laufen die Arbeiten auf Hochtouren. Via Instagram informiert die "Heidi Horten Collection" Interessierte und knapp 2900 Follower über das "museum in progress", dessen Werdung auch Architekturfotograf Stefan Olah fleißig dokumentiert.

Ein Termin für die Eröffnung, die zu den gesellschaftlichen Höhepunkten im heurigen Kulturjahr gehört, steht derzeit noch nicht fest. Im späten Frühjahr vielleicht, vor dem Sommer jedenfalls. Die Bewohner der umliegenden Liegenschaften werden es danken. Für die mittlerweile 80-jährige Milliardärin geht ein Traum in Erfüllung, der sie die Unbill der letzten Monate wohl vergessen lassen wird.

All die Häme etwa, die ihr die monetären Gaben an die ÖVP bescherten, der sie 2018 und 2019 insgesamt 931.000 Euro überwies: aufgeteilt in 49.000-Euro-Tranchen und somit knapp unter jener Grenze, ab der die ÖVP die Spende dem Rechnungshof hätte melden müssen. Dem parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss blieb Goëss-Horten trotz zweimaliger Ladung fern: entschuldigt aus gesundheitlichen Gründen.

Freundin Agnes

Finanzielle Zuwendungen an politische Parteien oder parteinahe Organisationen werde es künftig sowieso keine mehr geben, versicherte sie in einem Schreiben an die Parlamentsdirektion. Stattdessen spende sie für Forschung und Medizin und werde ihre "private Kunstsammlung bald auch der österreichischen Öffentlichkeit zugänglich machen".

Die Pläne dazu gab es in der einen oder anderen Form schon länger: ausgetüftelt gemeinsam mit ihrer langjährigen und engen Freundin Agnes Husslein-Arco, die sie seit den 1990er-Jahren bei Kunstankäufen berät. Die profitable Zweckgemeinschaft hatte während Hussleins Zeit als Geschäftsführerin von Sotheby’s Österreich (1981–2000) begonnen und hält bis auf weiteres an. Die in der Szene bestens etablierte Kunstmanagerin wird dem Horten-Museum als Direktorin vorstehen.

Eine Fügung, die 2016 ihren Lauf nahm. Damals, als Hussleins Ära als Belvedere-Direktorin nach zehn Jahren endete, weil sie über Compliance-Richtlinien stolperte. Teils gestand Husslein (67) Verstöße ein und leistete eine Wiedergutmachung in der Höhe von 30.000 Euro. Nach 18 Monaten stellte die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue ein. Dass Hortens Name immer wieder auf Spesenabrechnungen aufschien, hatte niemanden verwundert: Sie war ja nicht nur Freundin, sondern auch Leihgeberin.

Agnes Husslein-Arco, langjährige Freundin und Kunstberaterin von Heidi Goëss-Horten, fungiert als Direktorin des Museums.
Foto: Heidi Horten Collection

Chats mit Thomas Schmid

Mit Hussleins Abgang aus dem Belvedere war jedenfalls auch der seit 2013 vom Finanzministerium zur Verfügung gestellte zusätzliche Standort des Winterpalais Geschichte. Der damalige Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hatte offenbar andere Nutzungspläne für den Prachtbau entwickelt, der eigens für einen Museumsbetrieb adaptiert worden war.

Gerüchte, wonach dort Teile der umfangreichen Kunstsammlung Heidi Hortens präsentiert werden sollten, hielten sich hartnäckig. Warum sich diese Pläne zerschlugen, ist nicht bekannt. Die zugehörigen Chats zwischen Agnes Husslein-Arco und Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, wurden bislang nicht öffentlich.

Jedenfalls berief Schmid namens des Ministers Husslein 2017 in den Vorstand der Leopold-Museum-Privatstiftung. Prompt gaben dort 170 Werke aus der "Heidi Horten Collection" 2018 unter dem Titel WOW! ein viel beachtetes Ausstellungsdebüt.

Wurzeln des Vermögens

Hussleins Funktionsperiode im Vorstand läuft mit Ende Februar aus. Dem Vernehmen nach hat die Kunstmanagerin eine Verlängerung ausgeschlossen: um Interessenkonflikte in ihrem künftigen Amt als Direktorin des Horten-Museums zu vermeiden.

Alles bereinigt, quasi – wobei: nicht ganz. Da gibt es noch jenen Themenkomplex, dem sich die Witwe des einstigen Kaufhausmagnaten Helmut Horten partout nie stellen wollte. Die historische Tragweite der Herkunft des Vermögens hatte der Spiegel erstmals 1987 öffentlich gemacht: Demnach wurde es Ende der 1960er-Jahre durch Steuerflucht vermehrt, zudem wurzelte der Grundstock in der Arisierungspolitik der Nazis, die Hortens Aufstieg zum erfolgreichen Geschäftsmann überhaupt erst ermöglichten. Im Mai 1937 trat dieser der NSDAP bei.

Brauner Makel

Medienberichte, die sich mit der Vergangenheit Hortens als Nutznießer des verbrecherischen NS-Regimes beschäftigen, missfallen der Milliardärin, um es nobel zu formulieren. Kurz nach dem Erscheinen eines STANDARD-Artikels im Mai 2020 beauftragte Horten einen Historiker mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Horten’schen Vermögens- und Geschäftsaufbaus im Kontext der Arisierungen: Peter Hoeres, Inhaber des Lehrstuhls für Neueste Geschichte an der Universität Würzburg.

Das mehr als 200 Seiten umfassende Privatgutachten soll demnächst veröffentlicht werden. Bis zum Eröffnungsbrimborium soll der braune Makel wohl schon besser wieder vergessen sein. Geht es um die Herkunft der Kunstwerke, ist man um Beruhigung bemüht: Die Provenienzforschung sei weitestgehend abgeschlossen. Sie wurde – unter der Leitung von Agnes Husslein-Arco – von Andreas Narzt ausgeführt. In Fachkreisen ist der Herr in dieser Disziplin allerdings gänzlich unbekannt. (Olga Kronsteiner, 15.1.2022)