Trotz vieler Baustellen hält Mückstein an der Impfpflicht ab Februar fest. Gesetzlich steht dieser kaum noch etwas im Weg.

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Im November herrschte traute Einigkeit. Zumindest zwischen der Regierung, den Neos und der SPÖ. Als zum ersten Mal konkrete Eckpunkte der Impfpflicht verkündet wurden, stand Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) neben Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) und Neos-Chefin Meinl-Reisinger. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner war nicht auf dem Podium, ließ aber ausrichten, dass sie mit im Bunde sei.

Dann kam Omikron und damit die Frage, ob die Impfpflicht in der Form, in der sie geplant ist, überhaupt noch halten kann. Dann kamen zigtausende Stellungnahmen von besorgten Bürgern und einigen namhaften Institutionen. Und dann kam auch noch die Frage auf: Wer soll den Verwaltungsaufwand überhaupt stemmen?

Und so bröckelte die Einigkeit. Nicht massiv, aber doch so weit, dass mittlerweile in jeder der vier eingangs genannten Parteien zumindest Diskussionen über die Impfpflicht entstanden – und darüber, in welcher Form man ihr zustimmen sollte. Und so weit, dass einzelne Mandatare sich offen dagegen aussprechen. Die FPÖ, von vornherein dagegen, lehnt sich zurück und genießt.

Die Positionen

Öffentlich fiel vor allem die SPÖ auf. Allen voran stellte Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil eine Impfpflicht in ihrer jetzigen Form und damit die Position der Parteichefin massiv infrage. Hört man sich im roten Klub um, hält sich die Freude über eine Impfpflicht tatsächlich in Grenzen, unter anderem, weil Omikron für eine Durchseuchung sorgen könnte. Allerdings habe es die Regierung verabsäumt, die Menschen zur Impfung zu bewegen.

"Es war definitiv kein Naturgesetz, dass Österreich so viel schlechter durch die Corona-Krise kommen musste als andere Länder", sagt etwa SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher – so sei eine Pflicht bitter, aber wohl notwendig.

Ihre Zustimmung machen einige Genossen vom konkreten Gesetzestext abhängig. Etwa, wenig überraschend, von der Verfassungskonformität und davon, dass die Regelung nicht länger als unbedingt in Kraft bleiben darf. Alles andere wäre freilich ebenfalls verfassungswidrig. Mit gröberen Ausreißern bei der Abstimmung wird vorerst jedenfalls nicht gerechnet – Gegenstimmen aber auch nicht ausgeschlossen.

Bei den Neos kündigte Gesundheitssprecher Gerald Loacker offensiv an, gegen die Impfpflicht zu stimmen, und sorgte damit für Aufsehen. Er geht davon aus, dass er nicht der Einzige der Liberalen sein wird – heften sich die Neos doch an die Fahne, dass sie nichts vom Klubzwang halten. Wenig überraschend ist auch die FPÖ um Parteichef Herbert Kickl dagegen. Kickl verlangt zudem eine geheime Abstimmung, damit die Mandatare "ohne Angst vor Zwang, Druck und eventuellen Repressalien" im Plenum abstimmen können. Dass das passieren wird, ist unwahrscheinlich.

Und die Regierung? Während die grüne Klubchefin Sigrid Maurer betont, dass ihre Nationalratsfraktion hinter der Impfpflicht stehe, kursiert ein Brief eines grünen Gemeinderats, der gegen die Impfpflicht mobil macht. In der Initiative tritt allerdings kein einziger Bundes-Grüner auf. Am Freitag wurde überdies bekannt, dass die grüne Wiener Bezirksrätin Irina Baumgartner von den Grünen zur Impfgegnerpartei MFG wechselt. Als Grund gibt sie die ""menschenrechtswidrige Corona-Politik" an.

DER STANDARD

Beim Koalitionspartner wurde intern hingegen durchaus Kritik laut. In der ÖVP hinterfragten manche, so heißt es, den Einführungszeitpunkt, wie die Strafen ausgestaltet werden, ob das Gesetz ab 14 oder 18 Jahren gelten soll und ob der Verwaltungsaufwand tatsächlich bewältigbar ist. Wenn einige Bedenken über das Wochenende noch ausgeräumt werden, sei aber zumindest mit keinem Aufstand zu rechnen, erzählt ein Türkiser.

Der Fahrplan

Sind diese leisen, kritischen Stimmen nur Ausreißer, die ihre Meinung kundtun? Oder haben sie die Gewalt, die Abstimmung tatsächlich zu kippen? Der Fahrplan, nach dem sich all das entschieden wird, ist folgender: Am Montag um 14 Uhr soll der finale Entwurf im Gesundheitsausschuss besprochen werden, auf den wartet die Opposition momentan – und wohl auch noch bis ins Wochenende hinein.

Ändern könnte sich da noch so manches, etwa was das Intervall, in dem gestraft wird, und was das Startdatum angeht. In den Ausschuss am Montag bringen die Parteien auch Experten und Expertinnen mit. Für die Koalition kommen Allgemeinmedizinerin Susanne Rabady, auch Mitglied der Corona-Kommission, und Rechtswissenschafterin Christiane Wendehorst.

Die SPÖ bringt Christian Sebesta mit, Facharzt für innere Medizin in der Klinik Donaustadt. Die Neos haben als Experten Konrad Lachmayer ausgewählt, er ist Jurist. In der FPÖ entschied man sich für den Verfassungs- und Verwaltungsrechtler Michael Geistlinger, mit dem die Blauen schon seit längerer Zeit zusammenarbeiten. Er habe auch ein Gutachten erstellt, in dem die Impfpflicht kritisch beäugt wird, es soll am Montag im Gesundheitsausschuss vorgelegt werden.

Die Mehrheiten

Abgestimmt wird dann am Donnerstagnachmittag. Damit das Gesetz durchgeht, braucht es eine einfache Mehrheit, also 92 Stimmen. Die Koalition kommt allein auf 97 Sitze, bräuchte also eigentlich keine weitere Unterstützung. Doch das wäre höchst unelegant, ging es doch von vornherein um einen breiten Beschluss. Und: Nur einzelne Krankheits- oder Quarantänefälle könnten so ein sensibles Mehrheitsverhältnis kippen lassen.

Ändern würde sich an der benötigten Mehrheit nur dann etwas, wenn das Gesetz in den Verfassungsrang gehoben würde. Dann wären zwei Drittel der Stimmen nötig. Noch bis zu Abstimmung im Plenum können Abänderungsanträge eingebracht werden – also sogar noch in der laufenden Nationalratssitzung am Donnerstag. Dass dabei eine Verfassungsbestimmung eingebaut wird, gilt aber als unwahrscheinlich. (Jan Michael Marchart, Gabriele Scherndl, 15.1.2022)