Yusuf Demir trägt wieder das Trikot von Rapid. Vermutlich macht das Sinn.

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Yusuf Demir ist einfach nur "froh". Der 18-Jährige zählt nicht unbedingt zur Spezies der Plaudertaschen oder gar Marktschreier, er ist eher introvertiert und schüchtern, bei fast jedem Spaß nicht dabei. Obwohl es bei Rapid mitunter recht lustig zugehen kann. Die Mitspieler mögen ihn trotzdem und vielleicht auch deshalb. Demir sagte einmal: "Ich bin am stärksten, wenn ich den Ball am Fuß habe."

"Er will einfach nur Fußball spielen", sagt Emre Öztürk, sein Berater von der Agentur SBE-Management dem STANDARD. Der 38-Jährige ist mit der Familie Demir freundschaftlich verbunden, "aber manchmal bin ich auch der klassische Manager". Und so fädelte er im vergangenen Sommer den sensationellen Wechsel auf Leihbasis zum berühmten FC Barcelona ein. Ein halbes Jahr später, am 13. Jänner 2022, wurde die vorzeitige Rückkehr nach Hütteldorf besiegelt. "Yusuf ist sehr froh, wieder in Wien zu sein. Rapid ist ja kein Pimperlverein. Es ist die beste Entscheidung." Der Vertrag wurd sogar bis 2024 verlängert. Öztürk: "Er hat eine sehr professionelle Einstellung, hat auf viel Geld verzichtet." Für Rapid ist es freilich nicht gerade wenig Geld.

Das Positive

Barça war wohl der richtige Verein zum falschen Zeitpunkt. Der Klub, eine finanzielle (und sportliche) Baustelle. Demir wurde neunmal eingesetzt. Ein zehntes Mal hätte die automatische Verpflichtung des offensiven Mittelfeldspielers um zehn Millionen Euro Ablöse zur Folge gehabt. Also war Schluss. Öztürk versichert, dass "Yusuf nicht frustriert ist. Barcelona war eine wichtige Erfahrung für sein Leben, die ihn ganz sicher weitergebracht hat, als Mensch und Fußballer. Er nimmt nur das Positive mit. Barcelona ist in einer sehr schwierigen Situation, jemandem jetzt Vorwürfe zu machen wäre sicher falsch."

Steffen Hofmann, Rapids Sportkoordinator (vormals "Fußballgott"), hatte immer schon einen guten Draht zu Demir. "Es ist und bleibt ein außergewöhnliches Talent", sagt er. Es wäre absurd, über ein Scheitern zu sprechen. "Es gibt Schlimmeres, als neunmal für Barcelona gespielt zu haben. Er ist doch erst 18, ich mache mir überhaupt keine Sorgen."

Der Anfang

Rückblick: Am 14. Dezember 2019 debütierte der in Wien geborene, türkischstämmige Demir gegen die Admira. In Alter von 16 Jahren, sechs Monaten und zwölf Tagen wurde er zum jüngsten Rapidler in der Bundesligageschichte. Er genoss Welpenschutz, von medialen Auftritten war er befreit. Trainer Didi Kühbauer sah in dem Jungspund mit dem perfekten linken Fuß (der rechte ist auch nicht schlecht) den "Edeljoker", der ein Spiel drehen könne. Kühbauer bekrittelte körperliche und defensive Defizite, an der Hochbegabung hat er freilich nie gezweifelt. Aber er sorgte im Klub für Kopfschütteln, man hätte Demir gerne öfter in der Startelf gesehen. Barcelona war es egal. Kühbauer ist bei Rapid Geschichte, Demir zum zweiten Mal die Zukunft.

Die Karriere in der österreichischen Nationalmannschaft holpert noch. Was auch an Teamchef Franco Foda liegt. Im März 2020 wurde Demir gegen die Färöer (3:1) fünf Minuten vor Abpfiff eingewechselt. Es blieb bei drei weiteren Kurzeinsätzen, Foda ist eben kein studierter Pädagoge. Demir durfte etwa gegen die Republik Moldau (2:0) gar nicht mittun, auf den Färöern war er ab der 88. Minute dabei (2:0). Fodas interessante Begründung: "Er hat es verdient, weil er gut trainiert hat." Ein öffentliches Kopfschütteln war die Folge. Demir hat sich natürlich nicht beschwert. Er bleibt im Nationalteam die Zukunft, Leistungen und Fodas Einsicht vorausgesetzt.

Die Gegenwart

Die Gegenwart ist Rapid. Sportgeschäftsführer Zoran Barisic ist "froh", Trainer Ferdinand Feldhofer nahezu beglückt. "Wenn er sein Potenzial ausschöpfen kann, wird er eine riesige Verstärkung sein."

Demir hätte bei Barcelona gerne Lionel Messi kennengelernt, aber der musste ja an Paris verscherbelt werden. Das wäre dann noch einmal eine ganz andere Welt gewesen. Egal. Rapid, gewiss kein "Pimperlverein", sollte der richtige Klub zum richtigen Zeitpunkt sein. Öztürk sagt: "Man weiß im Fußball nie, was morgen passiert."

Der Abflug

Samstagfrüh saß Demir im Flieger nach Belek, Rapid bezog das Trainingslager in der Türkei (bis 26. Jänner). Er soll sehr entspannt und glücklich gewesen sein, ja sogar gelacht haben. Es war der Abflug in die zweite Karriere. Vielleicht ist es aber auch die erste. Hofmann betont: "Er ist ja erst 18." (Christian Hackl, 15.1.2022)