"Ich werde jede einzelne Empfehlung anschauen und mich damit auseinandersetzen", versprach Klimaministerin Gewessler bei der Eröffnung am Samstag.

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Für einen Samstagmittag, noch dazu in der Pandemie, war im Hilton Hotel am Wiener Donauufer viel los. Neben den Hotelgästen tummelten sich rund hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie das Organisationsteam des Klimarats in den Hallen. Sichtlich aufgeregt füllten einige von ihnen vor der offiziellen Eröffnung Fragebögen aus – während sich andere bereits an den ihnen zugewiesenen Fünfertischen mit Sitznachbarn unterhielten. Sie alle werden im kommenden halben Jahr Österreichs Klimapolitik ein Stück weit mitgestalten.

Die von der Statistik Austria per Zufallsprinzip ausgewählten Teilnehmer sollen klimapolitische Empfehlungen ausarbeiten und der Regierung übergeben. In welcher Form diese dann auch übernommen werden, ist noch offen. Bürgerräte, die es auch in einigen anderen Ländern Europas gibt, sollen die Bevölkerung jedenfalls möglichst repräsentativ abbilden.

Eine der Teilnehmerinnen ist die 17-jährige Julia R.. Anfangs wollte sie gar nicht mitmachen, wie die Oberösterreicherin erzählt. Sie wird heuer maturieren und habe damit eigentlich genug zu tun – ihre Schwester habe sie aber schließlich überredet. R. zählt zu den jüngsten Teilnehmern der Gruppe. Das ist ihr durchaus bewusst: "Es geht um meine Zukunft", sagt die Schülerin. Sie hofft, dass das Gremium eine Verbindungsstelle zwischen Politik und Bevölkerung sein kann. "Aber mal schauen, was rauskommt", gibt sie sich gelassen. Für die Maturantin, die mit dem Zug aus ihrer Heimat Wels angereist ist, sind Ernährung und Verkehr besonders wichtige Anliegen.

50 Euro Aufwandsentschädigung

R. wird zusammen mit den anderen Teilnehmern an insgesamt sechs Wochenenden über Klimapolitik diskutieren. Gekommen sind beinahe alle – nur einige wenige seien aufgrund von Krankheit oder anderen persönlichen Gründen kurzfristig ausgefallen, heißt es vonseiten der Organisatoren. Sie werden beim nächsten Treffen in Salzburg zu der Gruppe hinzustoßen. Der Auftakt fand unter strengen Corona-Regeln statt: Ohne 2G-Nachweis, einem gültigen PCR-Test und einer Maske gab es keinen Zutritt zur Veranstaltung.

Es sei "eine coole Gelegenheit", erzählt der 18-jährige Salzburger Sinus Z., der über die Einladung überrascht war. Ein Lotto-Fünfer wäre wahrscheinlicher gewesen, wie die Organisatoren ihm und der übrigen Gruppe weniger später erklären. Die Entlohnung der Teilnehmer ist hingegen deutlich niedriger: Neben Kost, Logis und Anreise erhalten sie 50 Euro pro Tag als Aufwandsentschädigung.

Klima statt zocken

Klimaschutz sei für ihn ein "wahnsinnig wichtiges Thema", sagt Z. – an Klimademos habe er bisher aber noch nicht teilgenommen. Er sei gespannt, wie die Wochenenden verlaufen werden, habe aber keine besonders großen Erwartungen: "Die Bundesregierung ist nicht dafür bekannt, dass sie superviel fürs Klima macht". Die aus seiner Sicht zu große Macht von Konzernen und eine ausgewogene Diskussion über Nuklearenergie sind zwei für ihn brennende Themen. Was er gemacht hätte, wäre er heute nicht beim Klimarat? "Für Schularbeiten lernen – und zocken!"

Die Teilnehmer kannten sich vor dem Wochenende nicht. Kurze Steckbriefe inklusive Fotos, die die Hotelwände schmücken, sollen sie einander wohl näherbringen. Gemeinsamkeiten sind auf die auf den ersten Blick kaum zu erkennen: Da gibt es etwa die Schülerin aus Wien, die in ihrer Freizeit gerne kocht. Die Trainerin aus dem Burgenland, die eine Leidenschaft für Oldtimer hat, den Hüttenwirt aus Kärnten, der gerne mit seinem Hund spazieren geht oder den Landwirten aus Oberösterreich, der gerne Ski und Motorrad fährt. Weniger Abwechslung gibt es hingegen bei den ebenfalls genannten Essensvorlieben: Schnitzel und Spätzle stehen bei vielen Teilnehmern hoch im Kurs.

Viel zu warme Winter

Auch Franz Z. hat sich bereits mit den Folgen der Erderwärmung auseinandergesetzt – unter anderem beruflich. Der pensionierte Landwirt aus Oberösterreich sagt, es sei wichtig, den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Die Folgen seien bereits jetzt deutlich erkennbar: Früher einmal lag drei Monate durchgehend Schnee auf seinem Hof, wie er erzählt. "Wir müssten jetzt im tiefsten Winter sein, sind es aber nur am Kalender." Es sei zu trocken, vielen Landwirten würde das Futter fehlen. Dennoch glaubt Z., dass das mit der Klimaneutralität bis 2040 nicht so einfach werden wird. "Man darf niemanden überfordern."

Mit der Frage der Überforderung ist Z. nicht allein. Ein anderer Teilnehmer erzählt, er habe eine Ölheizung und zwei Dieselautos zu Hause. Die ökologische Umstellung würden ihm Sorgen bereiten – ein Heizungstausch koste mehr als 30.000 Euro. "Durchaus Diskussionsbedarf" sieht auch ein Niederösterreicher, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Der pensionierte Schlosser-Meister ist sich aber sicher, "dass es teuer wird", wenn nichts getan wird. "Ich zahle das aber nicht mehr, jetzt geht es um meine Kinder und Enkel." Spannend sei für ihn, wie viele der Vorschläge die Regierung tatsächlich aufnehmen werde.

Einen Ausblick darauf gab Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) bei der Eröffnung: "Ich werde jede einzelne Empfehlung anschauen und mich damit auseinandersetzen", versprach sie den Teilnehmern. "Sie werden die Art und Weise, wie wir Klimapolitik in Österreich machen, verändern und die Demokratie verbessern." Sie sei überzeugt, dass es im Raum ganz unterschiedliche Standpunkte gebe.

Man bleibt unter sich

"Ich bin sehr gespannt, wie das ausgeht", sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der ebenfalls an der Auftaktveranstaltung teilnahm. "Manchmal sind die Bürger weiter, als die Politik glaubt." Er bedankte sich bei den Teilnehmern und bat sie, den Klimarat als Chance wahrzunehmen: "Es wird wichtig sein, was sie als kleines Österreich dem großen Österreich mitgeben." Das Gremium sei "nicht irgendeine kleine Diskussionsgruppe" – sondern ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung.

Für die Teilnehmer bleibt die Auftaktveranstaltung einstweilen der einzige Berührungspunkt mit der Politik. Erst am vierten Wochenende sollen weitere Begegnungen mit Politikern stattfinden. An einem weiteren Wochenende sind die Sozialpartner und einige NGOs geladen. Darüber hinaus begleitet ein Evaluationsteam von zwei Universitäten den für Österreich neuen Prozess. Ansonsten soll die Gruppe, die von einem 15-köpfigen wissenschaftlichen Gremium begleitet wird, unter sich bleiben, wie am Samstag betont wurde. Nach der offiziellen Eröffnung mussten Medienvertreter und Politiker den Saal daher verlassen. Die Teilnehmer selbst sitzen bis Sonntagnachmittag zusammen. (Nora Laufer, 15.1.2022)