Christiane Taubira mischt den Präsidentschaftswahlkampf auf.

Foto: AFP / Geoffroy VAN DER HASSELT

Sie will es noch mal wissen. Die ehemalige Justizministerin Christiane Taubira hat sich am Samstag in Lyon in die bereits dichte Reihe linker Präsidentschaftskandidaten gestellt. Die bald 70-jährige Politstreiterin aus dem Überseedepartment Guyane steht für einen pointierten Linkskurs mit Woke-Anleihen und bleibt ihrem Lager sehr populär. Mit der späten Bewerbung weniger als drei Monate vor dem ersten Wahlgang wolle sie, wie sie sagte, ihr Lager hinter sich einen. In gewisser Weise präsentiert sie sich als "femme de providence" ("Frau der Vorsehung") über den Parteien. Nie erwähnt sie ihre angestammte "Linksradikale Partei" (PRG), eine kleine Juniorpartnerin der Sozialistischen Partei.

Diese wirft Taubira vor, die Linke nicht zu einen, sondern noch ganz zu spalten, indem sie nur "Verwirrung und Zerstreuung" säe. "Warum kandidiert sie überhaupt?", fragte am Sonntag die Kandidatin der Sozialisten, die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Inhaltlich liegen die beiden Frauen auf einer Linie. Taubira verspricht allen jungen Franzosen ein Universaleinkommen von 800 Euro im Monat; den Mindestlohn will sie massiv auf 1.400 Euro anheben und Bioprodukte von der Warenumsatzsteuer befreien. Hidalgo will ihrerseits den Mindestlohn um 15 Prozent erhöhen, die Lehrerlöhne nahezu verdoppeln und eine Klima-Vermögenssteuer einrichten.

Erinnerungen an 2002

Bloß: Zwei Köchinnen sind eine zu viel. Hidalgo-Anhänger erinnern Taubira daran, dass ihre Kandidatur bei der Präsidentenwahl 2002 dem Sozialisten Lionel Jospin etliche Stimmen gekostet hatte – weshalb der Rechtsextremist Jean-Marie Le Pen knapp in die Stichwahl vorstoßen konnte.

20 Jahre später könnte sich ein ähnliches Szenario wiederholen. Taubira kommt in einer ersten Umfrage auf 4,5 Prozent, Hidalgo auf 3,5 Prozent. Das viel ist zu wenig, um in den zweiten Wahlgang vorzustoßen. Aber es wäre genug, um die beiden linken und grünen Favoriten Jean-Luc Mélenchon (neun Prozent) und Yannick Jadot (sieben Prozent) daran zu hindern.

Damit liegt die Linke weit abgeschlagen hinter den drei rechten Kandidaten Éric Zemmour (14 Prozent), Marine Le Pen und Valérie Pécresse (beide 17 Prozent) und noch klarer hinter dem amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron (26 Prozent). Seine Leaderstellung kann sich in den zwei Wahlgängen noch ändern. Die Linke hingegen scheint schon heute nicht mehr in der Lage, darauf einzuwirken.

Umstrittene "Volksprimärwahl"

Das Gerangel in ihrem Lager veranlasst nun einen – von einem jungen Ehepaar lancierten – Bürgerverband, unter sieben Linkskandidaten eine "Volksprimärwahl" (primaire populaire") durchzuführen. Alle großen Namen der Linken figurieren darauf, obwohl Mélenchon wie Jadot von Beginn weg klargemacht haben, dass sie wegen der Investitur durch ihre Partei auf jeden Fall zur Präsidentschaftswahl anträten. Das gilt nun auch für Hidalgo, die sich dem Internetvotum von 120.000 Eingeschriebenen zuerst unterziehen wollte, aber wegen Taubira wieder davon abgekommen ist.

Nur Taubira erklärt, sie würde das Ergebnis der "primaire populaire" Ende Jänner akzeptieren. Auch das gilt allerdings als unsicher. So könnte die Bürgerbefragung letztlich für weitere Verwirrung sorgen, wenn sie einen einzigen Namen aus dem Hut zaubert, ohne dass sich die anderen daran halten.

Der Grüne Jadot, der sich in einer hart umkämpften parteiinternen Wahl durchgesetzt hatte, bezeichnet die Volksprimärwahl als "Betrug". Mélenchon meinte nur, man solle ihn mit solchen Planspielen "in Ruhe lassen". Immer für originelle Ideen gut, trat der Linkstribun am Sonntag in Nantes vor 3.000 Anhängern auf. Sie mussten zwar FFP2-Masken tragen, kamen aber in den Genuss eines parfümierten Meetings voller Bildschirmwände. In seiner Soloshow sprach Mélenchon über die Änderungen im Meer, dem Weltraum und der digitalen Revolution. Das klang Lichtjahre entfernt vom Wahlstreit der Linken. (Stefan Brändle aus Paris, 17.1.2022)