Die Regierung stellte den Gesetzesentwurf vor.

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Bundeskanzler Karl Nehammer verteidigte am Sonntag wortreich die Impfpflicht.

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Karl Nehammer hat eine spezielle Art entwickelt, wie er bei Pressekonferenzen auftritt. Der neue Kanzler und ÖVP-Chef wendet sich dabei direkt an die Bevölkerung und hält eine kleine Ansprache – zumindest seinem Habitus nach. So auch am Sonntag. Da ließ er eilig einen Medientermin für zwölf Uhr mittags einberufen, um die Impfpflicht zu erklären und zu verteidigen. Der eigentliche Grund für seinen live im Fernsehen übertragenen Auftritt war, dass der Entwurf für das Impfpflichtgesetz endlich fertig wurde – mit etwas Verspätung. Nehammer, Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) präsentierten die Details. Aber Nehammer setzte eben auch zu einer kleinen Grundsatzrede an.

Er sei gerade selbst von Corona – konkret: der Omikron-Variante – genesen, erzählte er. Und dabei habe der Kanzler am eigenen Leib verspürt, dass und wie die Impfung wirke. Nehammer hatte nur leichte Symptome und gab während seiner Quarantäne mehrere Interviews. Er sei gut geschützt und dafür der Wissenschaft "sehr dankbar", erklärte der Kanzler. Aber es gebe Menschen, das wisse er, die vor der Impfung Angst haben. "Und wir nehmen diese Ängste sehr ernst", sagte Nehammer, um dann auf die Impfpflicht überzuleiten, an der die Regierung festhält – wenn auch mit kleinen Abstrichen und einer Hintertür.

Impfpflicht doch erst ab 18 Jahren

Konkret soll das Impfpflichtgesetz am 1. Februar in Kraft treten. Das sind die Eckpunkte:

  • Wer ist betroffen? Die Impfpflicht gilt für Personen ab 18 Jahren – und nicht wie ursprünglich geplant ab 14 Jahren – mit einem Wohnsitz in Österreich. Sie müssen einen Impfstatus vorlegen können, der alle Impfungen umfasst, die der Gesundheitsminister zuvor per Verordnung als notwendig festgelegt hat. Auch die Abstände zwischen den Impfungen müssen verordnet werden. Die Regelung ist hier also anpassungsfähig.

  • Die Ausnahmen Ausgenommen sind – neben Kindern und Jugendlichen – Schwangere sowie Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Mögliche Gründe könnten hier Allergien, eine Organtransplantation oder eine Autoimmunerkrankung sein. In Einzelfällen ist auch bei psychischen Krankheiten wie einer Angststörung eine Ausnahme möglich. Der Ausnahmegrund ist mit einem ärztlichen Attest nachzuweisen.

  • Was ist mit Genesenen? Genesene sind für sechs Monate ausgenommen – oder exakt: für 180 Tage ab dem positiven Test. Eine Genesung ist durch ein Genesenenzertifikat zu belegen.

  • Der Zeitplan Die Regierung spricht von einer Unterteilung in drei Phasen: Am 1. Februar wird das Impfpflichtgesetz in Kraft treten, jeder Haushalt soll dann schriftlich über die Maßnahme informiert werden. Überprüfungen gibt es zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keine. Erst ab dem 15. März soll die Einhaltung der Impfpflicht kontrolliert werden. Die Kontrollen können im Grunde überall durch Polizistinnen und Polizisten erfolgen – beispielsweise im Rahmen einer Verkehrskontrolle. Die dritte Phase – so wurde am Sonntag überraschend verkündet – soll überhaupt nur starten, wenn sie "epidemiologisch notwendig" ist. Ob jemals flächendeckend Strafen verhängt werden, hält sich die Regierung derzeit also noch offen. In dieser Phase würden Erinnerungsschreiben und im Fall eben auch Strafverfügungen automatisiert an Ungeimpfte verschickt werden. Die zuständige Elga GmbH hat vor kurzem erklärt, dass die technische Umsetzung dieser Erinnerungsschreiben aber ohnehin frühestens ab April möglich sei.

  • Die Strafen Wer keinen Impfstatus hat, muss mit einer Strafe rechnen. Sie beträgt bis zu 600 Euro bei einem sogenannten abgekürzten Verfahren, das die Regel darstellt. Wird der Betrag nicht bezahlt oder gegen die Strafverfügung Einspruch erhoben, kommt es zu einem ordentlichen Verfahren. Hier beträgt das Strafausmaß bis zu 3600 Euro. Eine Person soll aber maximal vier Mal pro Jahr gestraft werden können – zwei Mal davon "informationsgestützt", wie Edtstadler es nannte, also durch ein automatisiertes Anschreiben. Die Impfung darf ausdrücklich nicht mit Zwang verabreicht werden. Es wird auch weder Haft- noch Beugestrafen geben.

  • Kann man der Strafe entgehen? Wer eine Strafverfügung bekommt, sich dann aber innerhalb von zwei Wochen doch noch impfen lässt, geht straffrei aus.

  • Wie lange gilt die Impfpflicht? Dem Gesetz zufolge wird die Impfpflicht mit 31. Jänner 2024 außer Kraft treten.

"Wir sind keine Individuen, die losgelöst voneinander leben, sondern wir sind eine Gemeinschaft", erklärte Nehammer in seiner Pressekonferenz-Ansprache das Motiv für die Impfpflicht. Denn bei der neuen Pflicht gehe es eigentlich um Freiheit für alle. Mit einer hohen Impfquote könnten neuerliche Freiheitseinschränkungen verhindert werden – aktuell befinden sich ausschließlich Ungeimpfte im Lockdown. Ein Funke Selbstkritik war aus seinen Worten auch zu hören: Wer der Politik misstraue, "und das kann man niemandem verübeln", sagte der Kanzler, der solle mit einer Ärztin oder mit einem Arzt reden.

Nehammer wie auch Edtstadler betonten darüber hinaus, dass es der Regierung nicht darum gehe, Ungeimpfte mit ständigen Strafen zu vergrämen. "Wir hoffen, dass wir gar nicht dorthin kommen", sagte die Verfassungsministerin.

Die ab Februar geplante Impfpflicht wird am Montagnachmittag im Gesundheitsausschuss des Nationalrats behandelt. Um 14 Uhr startet die Sitzung mit einem öffentlichen Experten-Hearing. Am Abend wird dann der Ausschuss-Beschluss des Gesetzesentwurfes erwartet – mit den Stimmen der Regierungsfraktionen ÖVP und Grünen sowie jener von SPÖ und Neos, deren Abgeordneten das Vorhaben zum überwiegenden Teil mittragen. Die FPÖ kritisierte davor ein weiteres Mal das Vorhaben. (Katharina Mittelstaedt, 16.1.2022)