Zahlreiche Frauen berichten von diskriminierenden und erniedrigenden Erlebnissen bei medizinischen Untersuchungen.

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Es sind sowohl Erfahrungen, die schon Jahrzehnte zurückliegen, als auch Erlebnisse, die sich erst kürzlich zugetragen haben. Eine Twitter-Userin hat Ende vergangener Woche in ihre gut 10.000 Follower*innen große Runde gefragt, welche "sexualisierten oder erniedrigenden Erfahrungen Frauen bei ihren Arztbesuchen" gemacht hätten. Die vielen Antworten reichen von sexistischen Sprüchen über physische Übergriffe bis hin zu Falschdiagnosen aufgrund sexistischer Vorurteile.

So berichtete eine Userin etwa von einem Arztbesuch wegen Magenbeschwerden. Der Arzt attestierte der Frau ohne Untersuchung psychische Ursachen, erst ein weiterer Arztbesuch brachte die richtige Diagnose: Magenkrebs. Eine andere Frau berichtet, während einer Untersuchung für eine Zahnregulierung begrapscht worden zu sein, sie sei damals 13 Jahre alt gewesen und habe sich sehr geschämt. Sie sei kein zweites Mal zu dem Zahnarzt gegangen und habe nie die nötige Zahnregulierung erhalten.

Oft erzählen die Frauen auch von Kommentaren zu ihren Körpern, von Bemerkungen über "schöne Beine" bei einer Knieuntersuchung, dass sie "außen wie innen schön sei" bei einer Darmspiegelung oder von Anordnungen, Kleidungsstücke auszuziehen, was für die Untersuchung aber offenkundig nicht nötig gewesen sei – wie etwa bei einer augenärztlichen Untersuchung.

Viele Berichte handeln auch von Erlebnissen bei Gynäkologen, während Schwangerschaften und Geburten. Frauen erzählen, wie sie entgegen ihrem ausdrücklichen Wunsch keine PDA erhalten hätten, und von Belehrungen von Ärzt*innen, die ein Rezept für die Pille danach ausstellten. Man hätte sich um die Verhütung doch bitte vor dem Sex Gedanken machen müssen.

Stellung nehmen

Trotz dieser zahlreichen und massiven Berichte von Frauen unter dem Hashtag #FrauenBeimArzt gehen beispielsweise bei der Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft (WPPA) nur wenige Anfragen wegen sexualisierter Übergriffe oder sexistischer Kommentare ein. Die WPPA sei außergerichtlich tätig und hauptsächlich mit Behandlungsfehlern befasst, heißt es aus dem Büro der Patientinnen- und Patientenanwaltschaft, wo man im Sinne der Patient*innen vorwiegend um Prozessvermeidung bemüht sei. Bei sexualisierter Gewalt sei der Weg zur Polizei und eine Anzeige bei strafrechtlich relevanten Vorfällen der gebotene Weg – denn nur so könnten Zeug*innen befragt und Beweise gesichert werden.

Es ist aber sinnvoll, sexistische Kommentare, Belästigungen oder Übergriffe jeglicher Art durch Ärzte auch der WPPA zu melden, wo eine juristische Beratung stattfindet und weitere Möglichkeiten besprochen werden können. Zudem wendet sich die WPPA an die Ärztekammer, um disziplinarrechtliche Schritte gegen den betroffenen Arzt anzuregen.

Die Ombudsstelle der Ärztekammer nehme Beschwerden auf und fordere den Arzt oder die Ärztin auf, zur Anschuldigung Stellung zu beziehen, erklärt Franz Bittner, Patientenombudsmann der Ärztekammer für Wien. Bei schweren Anschuldigungen wie offensichtlich medizinisch nicht notwendigen körperlichen Kontakten seitens des untersuchenden Arztes wird die Beschwerde an die jeweilige Standesvertretung übergeben und an den Disziplinaranwalt der Österreichischen Ärztekammer weitergeleitet.

Melden und mit Anzeige drohen

Auch bei der Ärztekammer sind Beschwerden wegen übergriffiger sexistischer Kommentare selten. Wegen sexueller Belästigung haben sich in den vergangenen acht Jahren nur rund 17 Betroffene gemeldet – von insgesamt 12.258 Anfragen und Beschwerden im selben Zeitraum. Die geringe Zahl führt Bittner darauf zurück, dass sich "Frauen noch immer nicht trauen, die 'Öffentlichkeit' davon zu informieren". Erschwerend komme hinzu, dass ein solcher Übergriff meist ohne Zeuginnen oder Zeugen stattfindet.

"Auf jeden Fall melden", rät Bittner, "und dem Arzt mit einer Anzeige drohen." Das geschehe aber nur selten. "Die meisten Frauen sind oft so geschockt, dass sie ihr Erlebnis erst viel später rekonstruieren und darüber sprechen können." Wenn Betroffene nicht oder noch nicht für eine Strafanzeige bereit sind, rät die Wiener Pflege-, Patientinnen- und Patientenanwaltschaft, sich an den Frauennotruf zu wenden, wo es juristische Beratung und psychologische Begleitung gibt. (Beate Hausbichler, 18.1.2022)