"Extraction" kann allein oder zusammen mit bis zu zwei Freunden gespielt werden. Es geht immer gegen die künstliche Intelligenz, von Menschen gesteuerte Figuren finden sich im Spiel nicht.

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Vier unterschiedliche Umgebungen finden sich bisher im Spiel.

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Das Gegnerdesign ist gelungen, wenn auch nicht besonders innovativ.

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Gemeinsam sollte man taktisch vorgehen und sich gegenseitig decken.

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Nach und nach schaltet man auch Gadgets frei, die im Spiel hilfreich sein können.

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In einem Videospiel wäre die Bekämpfung eines Virus mit Spritzen und Ausgangssperren sicher eine interessante Simulation, bei Ubisoft setzt man aber lieber auf den Action-Ansatz. In Rainbow Six Extraction sorgt der Absturz einer russischen Raumkapsel, in der sich ein unbekannter Virus versteckt hat, für heilloses Chaos an der Absturzstelle in New Mexico. Auswüchse, die ganze Gebäude niederreißen, angriffslustige Wesen und wabbelnde Alien-Eier sind da nur die Spitze des Eisbergs.

Ein Team von Spezialisten soll sich dieser Bedrohung, die sich schnell ausbreitet und auch in anderen Städten auftaucht, annehmen. Mit Maschinengewehr und dem Willen, den Ursprung des Virus zu erkunden, darf nun der Spieler in das Geschehen eingreifen.

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Erwartungshaltung

Der Spielablauf ist schnell erklärt. Allein, zu zweit oder zu dritt macht man sich in eines von vier Gebieten auf, die man nach und nach freischaltet. Diese Gebiete sind die befallenen Orte, also New York, San Francisco, Alaska und die Absturzstelle selbst. Jeder dieser Orte teilt sich in jeweils drei voneinander unabhängige Abschnitte. Man darf also nicht etwa ein offenes New York erkunden, sondern findet sich in drei sehr kleinen Komplexen des jeweiligen Ortes wieder.

Die drei Aufgaben, die man in der Zielregion zu erledigen hat, werden aus einem Pool von 14 Missionstypen ausgefasst und in zufälliger Reihenfolge vom Spiel für diese Runde ausgewürfelt. Da gibt es etwa Rettungsmissionen, das Ziel, einem bestimmten Objekt eine Probe zu entnehmen oder bestimmte Gegnertypen auszuschalten. Dieser Aufbau lässt erkennen, dass Extraction nur eine sehr rudimentäre Story bietet, die nach dem Erreichen bestimmter Meilensteine in kurzen Videoschnipseln weitererzählt wird. Ein erzählerischer Ablauf, der sich dramaturgisch langsam entfaltet, fehlt gänzlich.

Die Level selbst sind durch die Bank generisch ausgefallen und fühlen sich in allen Gebieten recht ähnlich an. Enge Gänge, kleinere Gebäude und so manch offener Bereich – alles in etwa 30 Minuten vollständig zu erkunden. Neue Gebiete werden erst durch das Sammeln von Erfahrungspunkten freigeschaltet, die man durch das erfolgreiche Absolvieren von Missionen erhält. Schneller geht es, wenn man dazu Nebenaufgaben erfüllt, die das Spiel vorgibt. Dazu gehört etwa das Ausschalten von Gegnern mit bestimmten Waffen oder Gadgets.

Die Umgebungen ähneln sich vom spielerischen Aufbau sehr – optisch gibt es zumindest limitierte Abwechslung.
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Spielen ist Wiederholung

Rainbow Six Extraction war ursprünglich als Vollpreistitel angekündigt, doch scheint man in der Entwicklung festgestellt zu haben, dass man hier zwar eine nette Idee umsetzt, diese aber so manche Erwartung eventuell nicht erfüllen kann. Das liegt vor allem daran, dass man in Extraction immer und immer wieder dieselben Levels abgrasen muss, um Spielfortschritt zu erzielen.

Zu diesem Spielfortschritt gehört auch das Freischalten der verfügbaren Spielfiguren, 18 an der Zahl, die manche vielleicht bereits aus dem Multiplayer-Shooter Rainbow Six Siege kennen. Jede der Figuren ist mit einer anderen Bewaffnung und vor allem einer individuellen Spezialfertigkeit ausgerüstet, die je nach zu erledigender Aufgabe mehr oder weniger Sinn macht. Die junge IQ etwa kann Munitionskisten und ähnliche hilfreiche Objekte auch auf große Distanzen aufspüren, Fuze kann Räume mit seinen Granaten freiräumen, und Doc heilt sich und Team-Mitglieder mit Spritzen aus seiner medizinischen Pistole.

Durch das mehrfache Anwählen dieser Operatoren erhöht sich langsam deren Rang. Rangaufstiege schalten neue Waffen und Fertigkeiten frei, die die Spezialisten ausdauernder oder auch flexibler im Kampf machen. Sind die Operatoren nach einer Mission angeschlagen, müssen sie pausieren, und man wählt eine andere Figur aus. Fällt der eigene Operator in einer Mission dem Alien-Virus zum Opfer, kann dieser in einer Rettungsaktion zurück in die eigene Zentrale geholt werden. Dieser Zwang, neue Figuren ausprobieren zu müssen, hilft nicht nur bezüglich Abwechslung, er ist mitunter eine wichtige Stütze für die Langzeitmotivation.

Nach etwa zehn bis 15 Stunden fragt man sich nämlich, warum man schon wieder den immer gleichen Abschnitt in Angriff nimmt, nur um durch ein Level-up neue Dinge freizuschalten. Das mag Fans von spannend erzählten Geschichten schnell die Motivation nehmen, wer sich am Spielkonzept erfreuen kann und Freude beim Ausprobieren von neuen Figuren hat, der wird wohl noch einmal so lang Spaß am Spiel haben. Der Weg ist hier das Ziel.

Einen Teil der Operatoren, die alle über eine spezifische Sonderfertigkeit verfügen, gilt es freizuschalten.
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Die große Stärke des Spiels ist nämlich die präzise Steuerung, die von den Entwicklern bereits in dem erwähnten Rainbow Six Siege über Jahre ausgetestet werden konnte. Dadurch fühlt sich die halbe Stunde, die man zumeist für ein Level benötigt, als gute Mischung aus Spannung und Herausforderung an. Wer die eigenen Operatoren schon ein wenig im Rang hat steigen lassen, der kann höhere Schwierigkeitsgrade anwählen und später noch zwei Sonder-Modi freischalten, die für besonders motivierte Naturen geeignet sind. Im Modus Maelstorm Protocol muss man etwa mit stärkerem Feindaufkommen, einer geringeren Auswahl an Operatoren und anderen Einschränkungen rechnen. Dafür winken besonders exotische kosmetische Gegenstände.

Nach dem Release werden noch weitere Modi und neue Missionstypen folgen, um Vielspieler bei Laune zu halten. Anspruchsvolle Raids, wie man sie etwa von Destiny kennt, sind nach aktuellem Stand nicht geplant. Auch ob neue Operatoren ins Spiel wandern sollen, ist noch unbekannt. Im internen Shop lassen sich in jedem Fall ab Tag eins verrückte Kostüme kaufen, etwa ein Cowboyhut oder eine Katzenmaske.

Im Store finden sich bereits jetzt optische Alternativen, die mit echtem Geld gekauft werden können.
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Technisch sauber

Die Inszenierung von Extraction provoziert keine Wow-Momente, ist aber durchwegs ansprechend gelöst. Das Alien-Design ist gelungen, aber nicht besonders innovativ. Technisch präsentiert sich das Spiel in allen Aspekten sauber, und auch die von Rainbow Six Siege bekannten zerstörbaren Umgebungen sorgen für spielerische Flexibilität – etwa dann, wenn man Gegner durch ebensolch zerstörbare Wände erschießt oder sich so neue Wege schafft.

Die kleinen Areale sorgen zumindest dafür, dass das Spiel auch auf der alten Konsolen-Generation, sprich Playstation 4 und Xbox One, noch sehr flüssig läuft. Via Crossplay darf auch sehr unkompliziert mit Spielern über alle Plattformgrenzen kooperiert werden. So konnten im Test Playstation-5- und PC-Spieler gemeinsam gegen das Virus antreten. Andere Kombinationen sind ebenso möglich. Sauber gemacht, Ubisoft.

Dank zerstörbarer Umgebungen können Gegner manchmal überraschend durch die Wand attackiert werden. Andersrum kann das natürlich auch passieren.
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Fazit

Meine Erwartungshaltung gegenüber Extraction war niedrig. Als begeisterter Spieler von Rainbow Six Siege fühlte sich die Idee, einen Koop-Shooter aus dem bestehenden Material zu basteln, nach schneller Geldmacherei an. Ich muss diesen Vorwurf allerdings zurückziehen. Der Umfang mag zunächst abschreckend klein sein, und der fehlende rote Faden wird Spieler mit einer Liebe zu guten Geschichten mit Sicherheit nicht ansprechen. Aber da sind ja auch noch jene Spieler, die gerne gemeinsam die Herausforderung suchen.

Genau hier spielt Extraction seine Stärken aus. Zusammen mit Freunden ein paar Stunden die eigenen Grenzen auszutesten, indem man immer neue Schwierigkeitsgrade und Operatoren ausprobiert, macht überraschend viel Spaß. Mit Sicherheit hätten die Levels optisch abwechslungsreicher und vor allem größer ausfallen können, und auch technisch hätte man wohl ebenso mehr rausholen können. Aber irgendwie passt dann doch alles recht gut zusammen, und zumindest die spielerischen Puzzleteile greifen gut ineinander.

So erfordern die unterschiedlichen Missionsziele, dass man auch die eigene Ausrüstung jedes Mal neu anpasst. Das präzise Gameplay und das Absprechen, wie man die nächste Angriffswelle am besten abwehren will, motivieren auch mittelfristig. Die Komplexität eines HUNT: Showdown, das neben dem Koop-Aspekt auch noch den Kampf gegen andere Spieler bietet, darf man sich von Extraction nicht erwarten. Dafür fühlen sich die Missionen mehr wie Häppchen an, die man auch zwischendurch gut konsumieren kann.

Das Spielkonzept ist klar als Games as a service ausgerichtet. Extraction soll wohl das neue Rainbow Six Siege im Koop-Gewand sein, das sich über die nächsten Jahre entwickelt und eine im Idealfall wachsende Spielerschaft anspricht. Ob dieser Plan aufgeht? Die Vorzeichen stehen nicht schlecht, auch weil das Spiel zum Start kostenlos im Xbox Gamepass auftauchen wird und so die Einstiegshürde für viele niedrig ist. Ubisoft sollte sich allerdings nicht zu lange Zeit lassen, neue Inhalte nachzuliefern. Dieses Jahr ist gefüllt mit Koop-Shootern, die eine ähnliche Zielgruppe anvisieren.

Wer sich durch spielerische Nebenaufgaben motivieren lässt, wird mit "Extraction" auch längerfristig Spaß haben.
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Rainbow Six Extraction erscheint am 20. Jänner 2022 für Xbox One, Xbox Series S/X, Playstation 4, Playstation 5 und Windows PC. Die unverbindliche Preisempfehlung liegt bei circa 50 Euro.

Die Testversion wurde von Ubisoft zur Verfügung gestellt. (Alexander Amon, 19.01.2021)