Sieht sich als Vertreterin grüner Grundwerte – während die Grünen sie als reine "Privatperson" sehen. Madeleine Petrovics Anti-Impfpflicht-und-Impfstoff-Engagement polarisiert.

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Wien – Ihre Impfpflichtkritik und ihre allgemein skeptische Haltung den Corona-Vakzinen gegenüber äußere Madeleine Petrovic "rein als Privatperson", heißt es seitens des grünen Parlamentsklubs. Bei den Grünen habe die Juristin, die von 1992 bis 1994 Bundessprecherin und von 2002 bis 2015 niederösterreichische Landessprecherin war, keine Funktion mehr.

Auch stehe jeder im grünen Parlamentsklub, in der Bundespartei sowie in allen Landesorganisationen "hinter dem Impfprogramm der Bundesregierung und der Impfpflicht". Und zwar ausnahmslos, wird betont.

Rede vor Impfgegnern

Petrovic, die am Samstag bei einer Demo gegen die Impfpflicht im Wiener Sigmund-Freud-Park vom Podium aus sprach und Sonntagabend ihre Pflichtstich-Ablehnung in der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum" vertrat, stellt das im STANDARD-Gespräch anders dar. Auf eine etwaige Nähe zur Corona-Maßnahmen-kritischen Partei MFG angesprochen, widerspricht sie.

Mit der MFG verbinde sie nichts: "Ich bin eine Grüne, und ich lebe das grüne Programm." Dabei beruft sich die 65-Jährige, die seit Ende Juni 2021 als Beamtin im Gesundheitsministerium in Pension ist, auf grüne "Grundwerte". Die Partei sei "ökologisch, solidarisch, basisdemokratisch, gewaltfrei und selbstbestimmt" orientiert.

Selbstbestimmung und Datenschutz

Letzteres, die Selbstbestimmung, sei für ihre Ablehnung der Impfpflicht ursächlich. Diese nämlich werde den individuellen Datenschutz aufweichen, eine Novelle des Arzneimittelgesetzes sehe einen entsprechenden Paragrafen vor. Dem widerspricht ein Faktencheck. Mit dem neuen Arzneimittelgesetz wird vielmehr eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2014 umgesetzt, als von Corona noch nicht die Rede war.

Mit ihren Äußerungen und öffentlichen Auftritten hätte sich Petrovic – je nach Perspektive – keinen günstigeren oder ungünstigeren Zeitpunkt aussuchen können, um auf die politische Bühne zurückzukehren. Ihre jüngste Demo-Rede fand nur wenige Tage vor dem geplanten Beschluss der Corona-Impfpflicht unter einem grünen Gesundheitsminister statt.

Grußbotschaft im November

Ihr Corona-Maßnahmen-kritisches Engagement datiert jedoch schon von früher. Bereits im November war bei einer einschlägigen Demonstration auf dem Wiener Schwarzenbergplatz eine Grußbotschaft von ihr verlesen worden.

Petrovic bei der Impfkritiker-Demo am Samstag.
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Vergangenen Samstag kam sie dann persönlich. Eigentlich, so sagte sie, habe sie vorgehabt, nach dem Auslaufen ihres politischen Mandats beschaulich zu leben. Aber als sie gemerkt habe, was sich da zusammenbraue, habe sie gewusst: "Das geht nicht."

Verschwörungstheorien

Dann verfiel Petrovic in Verschwörungstheorien, die in Impfgegnerkreisen seit fast zwei Jahren kursieren: "Ich weiß, warum das Vertrauen hier ist und nicht bei den Maßnahmen", sagte sie in Richtung Publikum. "Hier steht niemand, der von Pfizer bezahlt wird. Hier steht niemand, der von der Bill-und-Melinda-Gates-Stifung bezahlt wird."

Die Anti-Gates-Äußerungen bekräftigt sie auch im STANDARD-Gespräch. Der Microsoft-Gründer und Milliardär "beziehungsweise seine Stiftung" verdienten an der "in der Krise rasant ausgebauten Digitalisierung und am Höhenflug der Pharmabranche". Pfizer habe 2020 allein in Österreich "Personen und Einrichtungen mit mehr als 130 Millionen Euro gesponsert".

Sönnichsen sprach

In welche Gesellschaft begibt sich Petrovic hier? Die Kundgebung, bei der sie sprach, wurde von der Initiative "Gesundheit für Österreich" organisiert. Als Sprecher im Zusammenhang mit der Demo wird auf deren Website etwa Andreas Sönnichsen gelistet – jener Mediziner, der aufgrund seiner Aussagen zu Corona von der Medizinischen Universität Wien gekündigt wurde.

Sönnichsen hielt zudem Pressekonferenzen sowohl mit der MFG als auch der FPÖ ab. In Bayern kandidierte er für die Partei "Die Basis", deren Kanzlerkandidat wiederum davon sprach, dass ein "KZ für Ungeimpfte" errichtet werden solle.

Verbrechen an der Menschheit

Ebenso als Sprecherin fungierte die Ärztin Maria Hubmer-Mogg, die aufgrund der von ihr verbreiteten Falschinformationen von ihrer Klinik gekündigt wurde. Auch in einer für die Demo aufgenommenen Videobotschaft des Psychologen Christian Schubert ist die politische Stoßrichtung erkennbar: "Mit den menschenverachtenden Maßnahmen wird gerade ein Verbrechen an der Menschheit begangen", sagt dieser. Es gehe "längst nicht mehr um die Gesundheit der Bevölkerung". Die Verantwortlichen seien "psychisch gestört".

Petrovic unterstützt zudem eine Initiative namens "Zukunft jetzt". Kritisiert wird hier einerseits die Impfpflicht als "massive Grundrechtsbeschneidung". Es wird jedoch auch die Impfung an sich kritisiert: Sie gleiche einer "dauerhaften medikamentösen Behandlung", ist etwa zu lesen. Oder auch, dass "langfristige Neben- und Schadwirkungen" ungewiss seien.

Es sind irreführende Behauptungen, denn die Impfung wird innerhalb weniger Tage vollständig abgebaut. Langfristige Nebenwirkungen bei Impfungen sind nicht bekannt.

Für einen "Wunderheiler"

Es ist nicht völlig überraschend, dass Petrovic die Nähe zu diesem Milieu sucht. Bereits in den 90er-Jahren fiel die damalige Spitzenpolitikerin in einer ORF-Diskussionssendung durch Interesse an Theorien des "Wunderheilers" Ryke Geerd Hamer auf, dessen Approbation ihm bereits Jahre zuvor entzogen wurde.

Hamer erlangte Berühmtheit durch den Fall Olivia Pilhar, der als Kind trotz Krebserkrankung mit fußballgroßem Tumor eine evidenzbasierte medizinische Behandlung von ihren Eltern verweigert wurde. Ideengeber für die Ablehnung der schulmedizinischen Behandlung war Hamer mit seiner Theorie von der "Neuen Germanischen Medizin", wonach hinter jeder Krankheit ein "biologischer Konflikt" stehe. Wie der Name schon vermuten lässt, verbreitete Hamer auch antisemitische Verschwörungstheorien.

Besorgte Mutter

Es gebe ein Recht darauf, dass sich ein österreichisches Ministerium mit Hamer auseinandersetze, meinte Petrovic damals – und stellte zwei parlamentarische Anfragen an die 1992 und 1995 amtierenden Gesundheitsminister. Auch ihre Impfskepsis dürfte schon früh begonnen haben. Sie habe sich als besorgte Mutter in puncto Kinderimpfungen auch selbst über "Risikosituationen" informiert und sei auf "große Ungereimtheiten" gestoßen, sagte sie damals im ORF. (Irene Brickner, Vanessa Gaigg, 17.1.2022)