Elfie Semotan, Fotografin:
Gleich am Anfang möchte ich dem STANDARD gratulieren zur 10.000. Ausgabe. Ich schätze diese Zeitung von dem Moment ihrer Gründung an, und nicht nur wegen der Farbe, sondern wegen der ausgezeichneten Berichterstattung.
Medien mit Mut zur unabhängigen Berichterstattung sind essenziell für eine funktionierende aufgeklärte, demokratische Gesellschaft. Es ist höchst unangenehm und enttäuschend, sich Diskussionen und Gespräche von Politikern und über Politik anzuhören, da bei dieser Gelegenheit häufig eine Sprache verwendet wird, die meist nur aus Worthülsen besteht.
Aber, das muss auch gesagt werden, es gibt Journalisten, die sich in solchen Gesprächen abmühen, um eindeutige Antworten zu erzwingen. Doch kaum jemals werden engagierte, überprüfbare Meinungen vertreten, und jeder Vorwurf wird auf die komplizierteste Weise entkräftet oder schlicht geleugnet, bis wir eines Besseren belehrt werden oder das Thema langsam in Vergessenheit gerät.
Das Ereignis, das mich am meisten schockiert hat, war die Verhinderung eines großartigen Projekts des damaligen Vizekanzlers und Wirtschaftsministers Mitterlehner gemeinsam mit Kanzler Kern. Der Plan war, jeder Frau das Recht und die Sicherheit zu geben, ihr Kind am Vor- und Nachmittag von kompetenten Personen beaufsichtigt und versorgt zu wissen.
Das war und ist noch immer ein ambitionierter und revolutionärer Plan. Frauen hätten die Wahl, ob und wie sie arbeiten wollen. Damals dachte ich, jede Frau würde dazu Stellung beziehen und jede Zeitung hätte dieses Thema als Headline, ganz groß!
Es geschah nichts, das Thema tauchte in einigen Zeitungen manchmal mehr, manchmal weniger ausführlich auf, einfach deprimierend. Dieses Beispiel habe ich gewählt, weil, wäre es realisiert worden, es unsere Gesellschaft für alle, Frauen und Männer, grundlegend und positiv verändert hätte.
Wir müssen unserer Sprache wieder Inhalt geben, wir dürfen keine Angst haben, unsere Meinung und Bedürfnisse auszusprechen – und DER STANDARD soll uns dabei helfen!