Ein Szenenbild aus dem Film "Das Frühstück der Hyäne" (BRD 1982/1983): Elfi Mikesch setzt gerne auf die Effekte von Licht, Schatten und Geometrie.

Foto: Metrokino

Fantastische Bilder und Menschen spielen die Hauptrollen in Elfi Mikeschs Arbeiten als Kamerafrau und Regisseurin. Die Pionierin des experimentellen, queeren Kinos kann auf gut vierzig Jahre Filmschaffen zurückblicken, dem das Filmarchiv Austria nun eine Retrospektive im Kinosaal und online widmet.

Elfi Mikesch, 1940 als Tochter eines Filmvorführers und Theaterbeleuchters in Judenburg geboren, wuchs zwischen Bühne und Kinosaal auf. Am Theater faszinierte sie das Licht, das Bühnenbild, am Kino die Intimität des Saals, die Bildausschnitte, die Tonkulisse.

Farbige Lichtreflexe

Aber sie sah im Kino auch viel Schund: Sentimentalität und Gewalt, andere Gefühle hätten die Helden des Nachkriegskinos nicht besessen, wie sie heute sagt. Auch in der österreichischen Provinz war das Zeigen echter Gefühle lediglich mit Scham behaftet. Ein Ventil bot die Fantasie, deren Experimentierfeld das Papiertheater von Elfis Großmutter war. Hier konnte sie komplexe Leidenschaften und Grausamkeiten durchspielen, aber auch Ab- und Auftritte einüben und farbige Lichtreflexe auf romantische Szenerien werfen. Ihre erste Inszenierung zeigte eine Treppe mit hinabschreitender Person.

In der Retrospektive zu Mikeschs umfangreichen, mit zahlreichen Preisen ausgezeichnetem Schaffen wird ersichtlich, dass sie die sentimentalen Bildwelten des klassischen Kinos der 1940er-Jahre experimentell weiterdenkt.

Außerhalb der Norm

Dies geschah als Kamerafrau mit Regisseuren wie Rosa von Praunheim (Ein Virus kennt keine Moral, 1986) und Werner Schroeter (Der Rosenkönig, 1986) ebenso wie als erfolgreiche Regisseurin (Ich denke oft an Hawaii, 1978; Fieber, 2014). Queere und außerhalb der Norm befindliche Fantasien sind in dieser Schaffensphase – vor allem in den 1980ern – ebenso zentral wie die Auseinandersetzung mit Liebe und Verlust.

Fruchtbar ist auch die Kollaboration mit Monika Treut. Samtgraue Bildwelten und schräge Kadrierungen zeigt etwa das Sadomaso-Märchen Verführung – Die grausame Frau (1985). Die Dokumentationen Gendernauts (1998) und Genderation (2021) hingegen fokussieren sich ganz auf die Protagonist*innen aus der queeren Szene San Franciscos.

Ausgeweitetes Begehren

Hier ist es spannend, nachzuverfolgen, wie sich die Themen und die Theorien rund um Gender, Umwelt und Überleben innerhalb von 20 Jahren verändert haben: Der Cyberspace etwa, der 1998 von Theoretikerin Sandy Stone noch als Versprechen gesehen wurde, manifestiert sich 2021 in den schwarz gestrichenen, leeren Häusern der Techmillionäre San Franciscos, und zwischenmenschliches Begehren wird auf die Natur ausgeweitet.

Dem Motiv der Treppe ist Elfi Mikesch treu geblieben. Immer wieder taucht sie in ihren Filmen auf, oft inklusive hinabschreitender schöner Frauenbeine. Damit steht die Treppe als Sinnbild für Mikeschs Bildästhetik: Licht und Schatten, geometrische und sinnliche Formen, gezielte Ausschnitte und gesättigte Farben. (Valerie Dirk, 18.1.2022)