Unter einem Schirm und doch im Regen stehend: Der österreichisch-chinesische Regisseur C. B. Yi thematisiert in "Moneyboys" Sexarbeit und Homosexualität in China.

Foto: Filmladen

Fortschritt bedeutet in den meisten Ländern: Menschen ziehen vom Land in die Städte. Sie verlassen ihre Heimat und bauen sich ein eigenes Leben auf. Irgendwann kommen sie dann wieder nach Hause, in der Regel als Besucher, und dann stellt sich meist die Frage, ob das eine Leben zum anderen passt, das neue zum alten, das mit der Familie zu dem unabhängigen in der Stadt.

In dem Film Moneyboys von C. B. Yi fallen keine Ortsnamen, aber die wesentliche Information ist klar: Er spielt in China, in dem Land also, das seit einigen Jahrzehnten die vielleicht atemberaubendste Fortschrittsgeschichte in der Weltgeschichte schreibt. Ein junger Mann namens Liang Fei hat sich auch noch aus einem persönlichen Grund in eine große Stadt aufgemacht. Er ist schwul. Als Moneyboy verdient er ganz gut Geld, er trifft reiche Männer und steht ihnen sexuell zur Verfügung.

Verbotenes Geheimnis

Als er dann doch wieder einmal in sein Dorf fährt, um am Grab seiner Mutter Geld zu verbrennen (ein ortstypisches Ritual), da gibt es dann auch ein großes Essen für ihn. Ein paar Onkel kommen dazu, man lässt es sich schmecken, anfangs ist der Ton aufgekratzt, allmählich wird er gereizter. Denn Fei ist nun bald 30 Jahre alt, und noch ist nicht erkennbar, dass er schon eine Frau gefunden hätte, mit der er Kinder bekommen könnte.

Bald wird er so überstandig sein, dass ihn gerade noch ein Dorfmädchen nehmen wird. Und auch diese Chance könnte er bald verpasst haben. Für die Familie bedeutet das Ausbleiben von Nachkommen, dass sie das Gesicht verliert. Und da ist noch gar nicht die Rede von Feis Geheimnis, das zumindest sein Cousin Long zumindest zu ahnen scheint.

Erster Langfilm

Er folgt ihm in die Stadt, drängt sich ihm förmlich auf und ist bald als Moneyboy fast noch erfolgreicher als Fei, der sich immerhin eine elegante Wohnung mit Dachterrasse leisten konnte. Long gönnt sich zuerst einmal ein Motorrad, ein schnittiges, gelbes Gefährt.

Moneyboys hatte im Juli des Vorjahrs seine Weltpremiere in der Reihe "Un Certain Regard" in Cannes. Auf den ersten Blick ein typischer Autorenfilm aus China, hinter dem allerdings eine besondere Geschichte steckt. Denn der Regisseur C. B. Yi ist Österreicher. Als Teenager folgte er seinem Vater in das damals noch fremde Land. Eine Wiederbegegnung mit seiner Heimat suchte er über ein Sinologiestudium an der Uni Wien, seine Berufung fand er aber an der Filmakademie. Bei Michael Haneke (Regie) und Christian Berger (Kamera) eignete er sich die Kunst des Kinos an.

Es dauerte dann noch eine beträchtliche Zeit, bis er mit Moneyboys seinen ersten Langfilm drehen konnte. Und er musste dafür aus praktischen Gründen nach Taiwan ausweichen, in das kleine, unabhängige, demokratische Land also vor der Küste des riesigen Festlands mit der kommunistischen Volksrepublik.

Nicht verboten, aber ein Tabu

Wer mit dem südostasiatischen Kino ein wenig vertraut ist, wird vielleicht die besondere Atmosphäre von Taipeh in der einen oder anderen Szene spüren können. "Auf dem Festland wird es mit queeren Themen immer schwieriger", sagt Y. B. Yi zum STANDARD. "Homosexualität ist zwar nicht verboten, wird aber als Tabu behandelt. Und generell hat das Regime in den letzten Jahren in fast allen Bereichen die Zügel stark angezogen, auch für das unabhängige Kino werden die Freiräume immer prekärer."

Taiwan wiederum ist für C. B. Yi nicht unvertraut: Er wuchs im südlichen China auf, und seine Kindheitserinnerungen erkennt er am besten in Filmen des großen taiwanesischen Meisters Hou Hsiao-hsien wieder.

In Moneyboys sieht man deutlich, wie schnell der Fortschritt in China die Generationen auseinandergerissen hat. Wie in vielen anderen Filmen aus dem Land auch zeigt sich das oft bei Szenen, in denen gegessen wird.

Schöne Ästhetik

Einmal sitzen Fei und Long mit ein paar Freunden in einem schicken Restaurant. Ein junger Mann und seine Frau verkünden, dass sie umziehen wollen, in eine andere Stadt, in ein traditionelleres Leben: Kinder bekommen, eine Familie gründen, den Eltern den großen Wunsch erfüllen, dass alles so weitergeht, wie es vorgesehen ist. Die sechs Jahre aber, die hinter ihnen liegen, das freie Leben in der Anonymität einer Stadt, das war für ihn die größte Zeit seines Lebens, sagt der künftige Vater.

Von dieser Spannung lebt Moneyboys, für diese Spannung findet er eine schöne, unaufdringliche ästhetische Form. Den Übergang zwischen den Welten markiert eine Fähre, die ein junger Mann mit der Hand mithilfe eines Seils steuert – ein fast schon kontemplativer Akt, mit dem der Grundton des Films ganz gut getroffen wird. Fortschritt und Rückzug, Aufbruch und Distanzierung in einer komplexen Bewegung. (Bert Rebhandl, 18.1.2022)