Falsche Impfpässe sind böse, falsche Nägel nicht.
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Pro
von Margarete Affenzeller

Falsche Impfpässe sind böse, falsche Nägel nicht. Sie sind – sofern sie nicht irrtümlich Ober- oder Unterschenkelhaut aufschlitzen – Ausdruck des wohl friedlichsten Individualitätsgebarens unserer Tage. Dass die Mehrheit der Menschen, zumindest wenn man den Blick über die Öffi-Haltestangen schweifen lässt, offenkundig an einer Nailart -Blockade leidet, macht ja nichts. Jeder, wie er will, sofern er es mit dem Abwasch vereinbaren kann.

Das Falsche-Nägel-Imperium ist jedenfalls groß und schillernd. Die dort gesprochene Sprache so reizvoll und unverständlich wie das Hochvalyrische: Themos, Gems, Nail Dotters, Aufpuffern. Aber es gibt Experten, die sie beherrschen und sachkundig zur Hand gehen, auch beim Fuß.

Wobei falsche Nägel auf den Zehen als irrelevante Untergruppe des Business rangieren. Im stets wachsenden Ersatzteillager für den Homo sapiens nimmt der Kunstnagel jedenfalls am wenigsten Platz ein. Und bringt dennoch Jobs und vielen Freude.

Kontra
von Thorben Pollerhof

Farben sind der Wahnsinn. Sie geben dem Leben einen Kick dort, wo der Po schon eingeschlafen ist. Sie machen graue Wintertage zu erträglichen Sonnenstunden. Wenn Farben Akkorde wären, dann die Dur-Akzente im Moll-Orchester der dunklen Jahreszeit. Und das gilt auch für Farben auf Fingernägeln. Wenn sie gut gemacht sind, sehen sie nicht nur elegant aus, sondern drücken auch oft eine bestimmte Stimmung aus oder vermitteln eine Nachricht.

Bonus im Büro: Wenn farbige Fingernägel schnell auf der Tastatur hin und her gleiten, wirkt es wie ein gut koordinierter Tanz. Und dabei ist es übrigens egal, ob Mann oder Frau oder alles dazwischen. Wo bei mir die Leidenschaft aufhört, ist bei den Formen.

Fingernägel sind schön, wie sie sind, sie brauchen keine Extensions, keine künstlichen Erhöhungen, keine Landschaften. "Jeder Nagel ist schön", wäre mein Wahlspruch als angehender Politiker. Und klein darunter: "Aber machts doch eh alle, was ihr wollt."
(RONDO, 23.1.2022)