Ukrainische Soldaten patrouillieren im Grenzgebiet zu von russischen Separatisten besetzten Gebieten.

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Großbritannien will der Ukraine bei der Abwehr einer möglichen Invasion durch Russland mit Waffen zur Bekämpfung von Panzern helfen. "Wir haben entschieden, der Ukraine leichte defensive Panzerabwehrwaffen zu liefern", erklärte der britische Verteidigungsminister Ben Wallace am Montagabend im Parlament. Es seien bereits die ersten Einheiten in der Ukraine angekommen. Britische Armeeangehörige sollen für eine kurze Zeit ukrainisches Personal an dem Waffensystem ausbilden.

Wallace machte keine Angaben zum Typ oder der Anzahl der gelieferten Waffen. Er sagte lediglich, es handle sich "nicht um strategische Waffen, und sie stellen keine Gefahr für Russland dar. Sie sind zur Selbstverteidigung gedacht." Die Waffen hätten nur eine kurze Reichweite.

Der Kreml kritisierte den Schritt. "Das ist äußerst gefährlich und trägt nicht zum Abbau der Spannungen bei", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Dienstag in Moskau der Agentur Interfax zufolge. Moskau sei besorgt, dass das Nachbarland Ukraine von immer mehr Waffenlieferanten versorgt werde. Oft handle es sich dabei nicht nur um defensive Waffen.

Baerbock trifft Lawrow

Russland hat an der Grenze zur Ukraine rund 100.000 Soldaten zusammengezogen. Der Westen und die Regierung in Kiew fürchten eine Invasion, was die Regierung in Moskau zurückweist.

Inmitten des Konflikts mit Russland um die Ukraine trifft die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Dienstag ihren russischen Kollegen Sergej Lawrow in Moskau. Zuvor hat Baerbock via Twitter die Dialogbereitschaft Deutschlands und das Interesse an stabilen Beziehungen betont.

"Heute in Moskau geht es mir um eine Positionsbestimmung: Wir wollen stabile Beziehungen und sind bereit zu einem ernsthaften Dialog über Schritte für mehr Sicherheit für alle in Europa", schrieb Baerbock auf Twitter. "Unser Maßstab bleiben dabei die Grundprinzipien unserer Friedens- und Sicherheitsordnung", bekräftigte sie. Wegen der Krise hatte sich Baerbock am Montag in Kiew bereits mit ihrem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba sowie mit Präsident Wolodymyr Selenskyj getroffen.

Sergej Lawrow ist seit knapp 18 Jahren russischer Chefdiplomat und damit der am längsten amtierende Außenminister in Europa.
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In der ukrainischen Hauptstadt hatte sich die Deutsche mit Selenskyj und ihrem Amtskollegen Kuleba beraten. Der Besuch in Moskau ist wegen diverser Unstimmigkeiten heikel: Seit ihrem Amtsantritt am 8. Dezember hat Baerbock bisher wohl noch keine derart schwierige Reise absolviert.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin erklärte, die Gespräche Baerbocks in Moskau seien nicht die Fortsetzung jener Beratungen über eine Deeskalation der Krise mit Russland, die in anderen Formaten geführt worden seien.

Borrell warnt vor De-facto-Eingliederung des Donbass

Indes zeigte sich der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Montag in Straßburg besorgt. Die von prorussischen Separatisten kontrollierten Regionen in der Ostukraine entfernten sich "immer weiter von der Ukraine" und rückten "immer näher an Russland heran", so Borrell. Es drohe insbesondere eine schrittweise De-facto-Eingliederung des Donbass in Russland.

Derzeit sorgt ein russischer Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze für Befürchtungen im Westen. Borrell sagte, ein "massiver" russischer Angriff auf die Ukraine sei "nicht das wahrscheinlichste Szenario". Es gebe jedoch "andere Angriffsmöglichkeiten, zum Beispiel Cyberangriffe". In der Nacht auf Freitag waren die Websites mehrerer ukrainischer Ministerien attackiert worden. Kiew machte Russland für den Cyberangriff verantwortlich.

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Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sieht Teile der Ukraine immer weiter an Russland gerückt.
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Borrell warnte Moskau erneut vor den Konsequenzen einer militärischen Aggression gegen die Ukraine. In einem solchen Fall werde es Sanktionen geben, über die beim Treffen der EU-Außenminister am 24. Jänner in Brüssel diskutiert werde, sagte der Außenbeauftragte.

Ex-OSZE-Generalsekretär schließt Militäraktion nicht aus

Der frühere OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier schließt unterdessen eine militärische Reaktion der Nato auf einen russischen Angriff auf die Ukraine nicht aus. "Derzeit sind wir noch im Konfliktvermeidungsmodus", sagte Zannier im APA-Interview auf die Frage, warum das westliche Bündnis bisher nur von Sanktionen spricht. "Wenn sich die Situation verschlechtert, kann alles passieren", mahnte der italienische Diplomat.

Zannier wies darauf hin, dass sich die Beistandsverpflichtung nach Artikel fünf des Nordatlantikpakts nur auf Nato-Mitgliedsstaaten beziehe. Daher könne man nicht erwarten, dass das Bündnis eine entsprechende Aussage mit Blick auf das Nichtmitglied Ukraine abgebe. "In Abhängigkeit von der Entwicklung am Boden" könnte die Nato aber ihre Einschätzung verändern, so Zannier, der diesbezüglich auf die Einsätze des Bündnisses in den 1990er-Jahren in Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo verwies.

Der frühere Uno-Diplomat stand während der Ukraine-Krise im Jahr 2014 an der Spitze der europäischen Sicherheitsorganisation. Die OSZE spielte damals eine wesentliche Rolle dabei, mit einer Beobachtungsmission (SMM) die Feindseligkeiten zwischen der Regierung in Kiew und prorussischen Separatisten im Osten des Landes einzudämmen. Zannier zeigte sich im APA-Interview frustriert, dass die OSZE-Staaten nicht stärker auf die Organisation setzen, um den Konflikt zu lösen. (APA, red, 18.1.2022)