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"Hauptsache, gesund" lautet meist das Credo werdender Eltern, wenn es um ihr ungeborenes Kind geht. "Alles, was dem Kind in irgendeiner Form schaden kann, will man vermeiden", erklärt Herbert Kiss, Leiter der Klinischen Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin an der Med-Uni Wien. Die Schwangerschaft sei schließlich eine "extrem sensible Phase", Risiken und Entscheidungen werden besonders gewissenhaft abgewogen.

Werdende Eltern stehen einer Impfung der Mutter tendenziell zögerlicher gegenüber als nicht schwangere Gleichaltrige. Umso wichtiger sind klar verständliche Information und Aufklärung. "Oft ist es Unwissenheit, warum Frauen eine Impfung oder ein Medikament, das eigentlich die Frau und das Kind schützt, ablehnen", berichtet Kiss aus der Praxis.

Nachweislich falsche Mythen halten sich hartnäckig: Impfstoffe würden zu Unfruchtbarkeit oder Fehlgeburten führen, das im Impfstoff enthaltene Spike-Protein die Plazenta schädigen und mehr. Dabei liefern Studien keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten nach der Covid-19-Impfung. Schon frühe Studien ließen durch die Verwendung der Impfstoffe von Biontech/Pfizer oder Moderna auf keine Risiken für Schwangere schließen.

Deutlich mehr Komplikationen bei Infektion

Gleichzeitig zeigten Hospitalisierungsdaten rasch, dass eine Infektion mit dem Coronavirus während der Schwangerschaft häufiger als bei nicht schwangeren Frauen zu schweren Verläufen führt. Das macht Schwangere zu einer besonders schützenswerten Gruppe. Sowohl das Nationale Impfgremium (NIG) als auch die Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) empfehlen die Impfung Schwangerer mit einem mRNA-Impfstoff.

Von dem mit 1. Februar in Kraft tretenden Impfpflichtgesetz sind Schwangere allerdings ausgenommen, die Impfung ist für sie formal nicht zugelassen. "Das liegt daran, dass es noch keine fertiggestellten, großen Zulassungsstudien gibt", weiß Kiss. Solange die Impfung für Schwangere bei europäischen Zulassungsbehörden nicht offiziell zugelassen wird, kann man sie mittels Impfpflichtgesetz auch nicht vorschreiben. Das macht die Anwendung zu einer Off-Label-Impfung, die an Freiwilligkeit gebunden ist. "Das ist bei vielen Medikamenten so. Viele Antibiotika, die wir in der Schwangerschaft verwenden, sind formal nicht zugelassen", so der Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe.

Ungeimpfte Schwangere viermal häufiger im Krankenhaus

Die Impfraten sind bei schwangeren Frauen durchweg niedrig, ganz besonders bei jüngeren Schwangeren und Frauen aus niedrigen sozioökonomischen Verhältnissen. Dabei verdichtet sich die Studienlage, und die Ergebnisse sind eindeutig. Ungeimpfte Schwangere müssen viermal häufiger ins Krankenhaus als geimpfte. Schwangere mit Covid haben nicht nur ein höheres Risiko eines schweren Verlaufs, sie verlieren auch häufiger ihre Babys im Mutterleib oder kurz nach der Geburt. Das zeigt eine Studie aus Schottland, für die 144.546 Schwangerschaften bei 130.875 Frauen analysiert wurden. Das ist die nationale Kohorte aller Frauen, die zwischen 1. März 2020 und 31. Oktober 2021 schwanger waren oder wurden.

Frauen, die ihre Babys innerhalb von vier Wochen nach Beginn einer Corona-Infektion zur Welt brachten, haben das höchste Risiko, das Kind durch Totgeburt oder im Laufe des ersten Lebensmonats zu verlieren. 22,6 Todesfälle kommen auf 1.000 Geburten, das ist mehr als viermal so hoch wie die Rate der Totgeburten in Schottland. Alle Todesfälle ereigneten sich bei Schwangerschaften ungeimpfter Frauen. Bei Schwangeren, die sich trotz Impfung infiziert hatten, kam es zu keinen Totgeburten. Damit sei das Risiko einer Totgeburt oder des Todes in den ersten vier Lebenswochen bei ungeimpften Schwangeren höher als bei Schwangeren, die über 40 Zigaretten pro Tag rauchen, vergleicht der Forscher Brian Cleary auf Twitter.

Mehr Frühgeburten

Zudem fand die Studie auch eine höhere Rate an Frühgeburten bei Schwangeren mit einer Corona-Infektion – vor allem dann, wenn das Baby innerhalb eines Monats nach der Krankheit der Mutter geboren wurde. Verglichen mit regulären acht Prozent Frühgeburten brachten mehr als 16 Prozent der infizierten Frauen ihr Kind noch vor der 37. Schwangerschaftswoche zur Welt.

Doch es gibt auch Kritik an der Studie. Corona-unabhängige Risikofaktoren wie das Alter oder Vorerkrankungen der Schwangeren wurden nicht erhoben. Auch sei nicht klar, ob die untersuchten Frauen wegen einer Covid-Erkrankung ins Krankenhaus eingeliefert worden waren oder bei der Aufnahme nur zufällig positiv getestet wurden. Nichtsdestotrotz seien die Diskrepanzen bei Hospitalisierungen, Früh- und Totgeburten zwischen geimpften und ungeimpften Schwangeren so signifikant, dass sich an den Schlussfolgerungen nichts ändern würde, stellt die Erstautorin der Studie, Sarah J. Stock, Fachärztin am Usher Institute der Universität Edinburgh, klar.

Impfung schützt das Ungeborene

"Wir wissen inzwischen, dass Schwangere durch eine Impfung Antikörper bilden und diese auf das Kind übertragen werden. Nicht die Impfung, sondern nur die Antikörper", betont Kiss. Das sei bei vielen Impfungen so. "Es besteht aber sehr wohl eine Gefahr für die Mutter bei einer Covid-Infektion während der Schwangerschaft. Diese Gefahr für die Mutter ist wesentlich größer als jedes mögliche Risiko, das man durch die Impfung für das Kind eingeht", so der Geburtshelfer.

Je fortgeschrittener die Schwangerschaft zum Zeitpunkt der Corona-Infektion ist, desto eher müssen die Frauen im Krankenhaus behandelt werden, zeigt die schottische Studie. Für die heranwachsenden Babys scheint es genau umgekehrt zu sein, wie Zahlen aus den USA zeigen. Eine Infektion der Mutter in den ersten beiden Trimestern erhöht das Risiko eines niedrigen Gewichts der Neugeborenen sowie einer Früh- oder Totgeburt. Je früher sich werdende Mütter mit Corona infizierten, desto früher entbanden sie. In welcher Schwangerschaftswoche die Infektion stattfand, steht jedoch in keinem Zusammenhang mit der Schwere des Krankheitsverlaufs. Die Schwere hat auch keinen zusätzlichen Einfluss auf die Sterblichkeit der Babys. Auch Neugeborene von Frauen, die einen milden oder moderaten Infektionsverlauf hatten, verstarben.

Das Wichtigste bleibe die Aufklärung Schwangerer durch medizinisches Personal, dem sie vertrauen, findet Kiss. Und das Argument, das überzeugt: "Weil es ein Schutz für das Kind ist."