Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer prescht vor: Der Grüne hat erklärt, nicht mehr für die Urwahl seiner Partei zur Verfügung zu stehen, mit der ein Spitzenkandidat für die Neuwahl im Herbst bestimmt werden soll. Als Begründung führte Palmer ein gegen ihn eingeleitetes Parteiausschlussverfahren an – dieses mache es nicht ratsam, sich gleichzeitig am Nominierungsprozess zu beteiligen, berichtete am Dienstag die "Stuttgarter Zeitung" und zitierte Passagen aus einem Brief des 49-Jährigen an seine Partei.

Boris Palmer will sich keiner Urwahl stellen – das heißt aber nicht, dass er nicht Bürgermeister bleiben will.
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Zur Erinnerung: Die Grünen in Baden-Württemberg hatten ein Parteiauschlussverfahren beschlossen, da sich Palmer in einem Facebook-Beitrag rassistisch über den früheren deutschen Fußballnationalspieler Dennis Aogo geäußert habe. Palmer beteuerte, die Äußerungen satirisch gemeint zu haben, er bedauere diese. Ermittlungen dazu wurden zwar im September eingestellt; dennoch sei es "logisch und sachlich unmöglich, gleichzeitig ein Verfahren zur Nominierung und zum Ausschluss zu betreiben", argumentierte Palmer seine Entscheidung, sich keiner Urwahl mehr zu stellen.

"Durchfechten"

Der grüne Parteivorstand in der 100.000-Einwohner-Stadt südlich von Stuttgart antwortete dem Bürgermeister, das Angebot zur Teilnahme an der Urwahl gelte weiterhin – und zwar unabhängig vom Ausschlussverfahren durch die Landespartei. "Wenn Palmer von der Basis gewählt würde, würden wir das auch gegenüber der Partei durchfechten", sagte der Sprecher der Tübinger Grünen, Marc Mausch, laut Medienberichten.

Palmer ist für die Grünen in seinem Bundesland ein nicht immer einfacher Kollege: Schon früher hat er mit Äußerungen zur Flüchtlingspolitik für Streit gesorgt – und zuletzt war er wegen der aus seiner Sicht überzogenen Corona-Maßnahmen auch auf Kriegsfuß mit seiner und anderen Parteien.

Der Tübinger Stadtverband der Grünen hatte wegen des Ausschlussverfahrens vorsorglich eine Urwahl im Vorfeld der nächsten Oberbürgermeisterwahl beschlossen. Mit Ulrike Baumgärtner bekam Palmer auch sofort eine Gegenkandidatin – sie könnte nun tatsächlich als einzige zur Wahl stehende Politikerin der Grünen übrig bleiben.

Kandidatur als Unabhängiger?

Ob Palmer, der seit 2007 in Tübingen regiert, neuerlich antritt, und zwar als unabhängiger Kandidat mit eigener Liste, blieb bisher offen. Kenner der lokalpolitischen Szene rechnen damit: Baumgärtner hätte gegen den in vielen Bereichen durchaus erfolgreichen und nach wie vor ziemlich beliebten Amtsinhaber keine besonders gute Chancen, heißt es. (red, 18.1.2022)