Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka standen einst dem Innenministerium vor – und dürfen nun eine Veröffentlichung so mancher Chats erwarten.

Foto: APA/Punz

Ein Meister im Ankündigen von Enthüllungen war Peter Pilz schon als Politiker. Sein Talent zur Aufmerksamkeitsmaximierung nutzt Pilz nun als Herausgeber von "Zackzack.at", das sich selbst als linker Boulevard bezeichnet – und das in den vergangenen Tagen ominöse Ankündigungen über eine neue Chataffäre machte. Zu Wochenbeginn lichtete sich der Nebel etwas: "Zackzack" war offenbar in den Besitz von tausenden Chatnachrichten gelangt, die vor allem von hochrangigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Innenministeriums stammen.

Hauptquelle dürfte das Smartphone des langjährigen Kabinettschefs Michael Kloibmüller sein, dessen Name untrennbar mit der "schwarzen" Ära im Innenministerium verbunden ist. Ernst Strasser (ÖVP) hatte das Ressort unter der ersten schwarz-blauen Regierungskoalition im Jahr 2000 übernommen und mit Kloibmüllers Hilfe umgebaut. "Rot-weiß-rot" sollten Beamte sein, die Karriere machen wollten – ein Chiffre für ÖVP-nah.

Schaltzentrale der Macht

Das Innenministerium galt seither als Schaltzentrale der Volkspartei und ihrer Machtzentrale in St. Pölten. Das wirkt bis heute nach: Im Kabinett Strasser arbeiteten auch die jetzige Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und der heutige Innenminister Gerhard Karner. An der Ressortspitze standen Persönlichkeiten, die heute noch die Volkspartei prägen. Etwa Günther Platter (2007–2008, heute Tiroler Landeshauptmann), Johanna Mikl-Leitner (2011–2016, heute niederösterreichische Landeshauptfrau) oder Wolfgang Sobotka (2016–2018, heute Nationalratspräsident). Stets an ihrer Seite im Ministerium: Michael Kloibmüller, der vor einem Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zu einem Wohnbauträger in Niederösterreich geflohen war. Die Chats, in die "Zackzack" nun Einblick hat, sind also mindestens vier Jahre alt.

Wie Pilz und seine Redakteurinnen und Redakteure an sie gelangt sind, ist unklar. Fakt ist aber, dass ein Strafverfahren gegen einen ehemaligen IT-Mitarbeiter des Verfassungsschutzes läuft, der Kloibmüllers Handy und andere Smartphones unerlaubterweise kopiert haben soll. Ermittler stellten vor rund einem Jahr einen USB-Stick sicher, auf dem sich zahlreiche Inhalte aus Kloibmüllers Handy befanden. Das Verfahren läuft, Kloibmüller ist hier Geschädigter. Von Inhalten aus gestohlenen Handys ist daher in Kloibmüllers Umfeld die Rede. Doch illegal ist das Zitieren aus solchen Quellen nicht, wenn das öffentliche Interesse überwiegt – klar ist aber, dass sich "Zackzack" auf einige weitere Rechtsstreitigkeiten einstellen muss.

Justiz-Postenschacher

Am Mittwoch veröffentlichte die Plattform dann die erste Geschichte, die sich aus den "BMI-Chats" ergeben hat. Erzählt wird, wie Eva Marek – mittlerweile Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH) – im Jahr 2014 Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien geworden sein soll. Um den Posten beworben hatten sich Marie-Luise Nittel, Chefin der Staatsanwaltschaft Wien, sowie Ilse-Maria Vrabl-Sanda, Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Laut "Zackzack" wollte der damalige Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) beide "verhindern", weshalb er Marek zu einer Bewerbung aufforderte. Ihr sei angeblich versprochen worden, dafür später die Leitung der Generalprokuratur übernehmen zu können.

Dazu kam es jedoch nicht, worüber sich Marek in Nachrichten an Brandstetter und Mikl-Leitner bitter beschwert haben soll: "Liebe Hanni! Bin von einer erfolgreichen Höchstrichterin in zwei Jahren zu einer weitaus schlechter verdienenden Lachnummer der Justiz avanciert." Daraufhin soll sich auch das Innenministerium eingeschaltet haben, wo Mareks Ehemann als Sektionschef tätig war. Schlussendlich landete sie dann beim OGH.

Brandstetter sagt auf Anfrage des STANDARD, er habe die "Enttäuschung von Marek wahrgenommen", solche gebe es aber "bei jeder Personalentscheidung". Versprechungen oder Absprachen über Besetzungsvorschläge habe es von ihm "nie gegeben", er habe Marek als bestqualifiziert für die Leitungsfunktion in der OStA Wien gehalten und die bestgereihte Vrabl-Sanda in der WKStA belassen wollen, um dort für Stabilität zu sorgen. Die habe er auch personell aufgestockt.

"Nach der von 'Zackzack' unterstellten Logik der angeblichen schwarzen Netzwerke hätte ich ja Eva Marek zur Generalprokuratorin vorschlagen müssen. Genau das war eben nicht der Fall", sagt Brandstetter.

Opposition will prüfen

Die frühere Neos-Politikerin Irmgard Griss, die sich beim Antikorruptionsvolksbegehren engagiert, sprach von einem "höchst besorgniserregenden Bild". Für den SPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, Jan Krainer, zeigten die Recherchen, "dass Korruption in der ÖVP endemisch ist". Die FPÖ sprach vom "Würgegriff schwarzer Netzwerke". Beide Oppositionsparteien forderten, dass Nationalratspräsident Sobotka wegen seiner Verstrickungen den Vorsitz im kommenden ÖVP-Korruptionsausschuss zurücklegt. Für Pilz soll die Geschichte jedenfalls nur der Startschuss gewesen sein: Mindestens 15 Geschichten seien in der Pipeline; in den nächsten Wochen sollen sie allesamt erscheinen. (Fabian Schmid, 19.1.2022)