Selbstzerfleischend: Christine Dorner, Tonia Fechter und Katharina Schumacher (v. li.)

Marcel Köhler

Wenn die Hausangestellten die Herrschaftsgarderobe plündern: Katharina Schumacher in "Herbst der Untertanen".

Marcel Köhler

Wien – Eine Variation auf Jean Genets Zofen: In Nino Haratischwilis 2014 uraufgeführtem Drama Herbst der Untertanen finden sich drei Hausangestellte in herrschaftlichen Räumen allein zurückgelassen: eine alte Köchin namens Rina (Christine Dorner), die Bedienstete Kaela (Katharina Schumacher) sowie die junge Gehilfin Luci (Tonia Fechter). Auf der weitläufigen Jugendstilbühne des Hamakom-Theaters im Nestroyhof, in dem auch die Galerie bespielt wird (Bühne: Alina Amman), streifen die drei Frauen, gehüllt in guten alten schwarzen Clothstoff, durch die unheilvolle Leere zwischen Säulen, Palmen und langer Tafel.

Die Herrschaftsleute haben wie alle anderen Angestellten die Stadt verlassen, draußen herrscht Bürgerkrieg. Was passieren wird und ob sie wiederkehren werden, entzieht sich jeder Kenntnis. Dennoch wird täglich groß gekocht und aktuell ein Huhn präpariert, weil es Rina, die sadistische Köchin mit der mächtig donnernden Stimme, so will. In übersteigerter Ergebenheit gegenüber dem absenten General erniedrigt sie die beiden anderen und wendet ihren eigenen Schmerz in Aggression nach außen. Selbiges praktizieren letztlich auch die beiden anderen: Ihrer jeweils eigenen Unterdrückungserfahrung entledigen sie sich als neue Despotinnen.

Immer war Lockdown

Michael Gruner, der im letzten Oktober verstorbene deutsche Regisseur und Hamakom-Freund, hat die Inszenierung bereits 2020 vorbereitet und im Vorjahr abgeschlossen. Sie konnte aufgrund von Lockdowns erst jetzt Premiere feiern. Beim Schlussapplaus dieser österreichischen Erstaufführung wurde des Regisseurs mit einer roten Rose gedacht. Nach einem melancholischen Abend voller Schwere, dem die immer wieder ertönende, auch befreit swingende Musik Atem verschaffte. (Margarete Affenzeller, 19.1.2022)