Aus Protest gegen die niederländische Corona-Politik – der Kultursektor ist zu, Haarsalons und Geschäfte sind offen – ließ das Konzerthaus Friseurinnen und Friseure auf der Bühne arbeiten.

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Die Omikron-Variante dominiert bei den Infektionen mit dem Coronavirus. In vielen Ländern werden derzeit Höchststände verzeichnet.

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Der Mittwoch war der Tag der negativen Rekorde: Nicht nur in Österreich wurde mit rund 28.000 Fällen ein Höchststand an Neuinfektionen mit dem Coronavirus gemeldet – in Deutschland wurden mehr als 112.000 Ansteckungen registriert. Aber es gibt auch positive Entwicklungen: So hat etwa Großbritannien den Peak überschritten – die Zahlen fallen wieder.

Österreich: Absoluter Höchstwert an Neuinfektionen

Dass es sich bei den Neuinfektionszahlen am Mittwoch um ein Rekordhoch handeln wird, war bereits in der Früh fix. Unklar war jedoch, wie hoch dieser tatsächlich ausfallen wird. Denn die Daten, die täglich von Innen- und Gesundheitsministerium gemeldet werden, ließen auf sich warten. Am Nachmittag war es dann offiziell: 27.677 Neuinfektionen wurden innerhalb von 24 Stunden bei den Behörden gemeldet. Damit wurde der bisherige Höchstwert – der mit rund 17.000 Ansteckungen am Mittwoch der vergangenen Woche erreicht worden war – um rund 10.000 neue Covid-Fälle getoppt.

Aufregung erzeugten jedoch bereits am Vormittag die Zahlen aus dem Epidemiologischen Meldesystem (EMS). Darin schien die Zahl von 31.070 Corona-Neuinfektionen in Österreich auf. Die Daten des EMS sind allerdings noch nicht bereinigt – heißt: Sie werden noch um doppelte oder falsche Einträge korrigiert.

Grundsätzlich werden am Mittwoch immer die höchsten Neuinfektionen in der Woche gemeldet – das liegt unter anderem daran, dass an diesem Tag viele Ergebnisse der montäglichen PCR-Schultests eingetragen werden.

"Aber wir haben auf jeden Fall eine deutliche Erhöhung im Vergleichszeitraum", kommentierte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Rande des Ministerrats die "erschreckend hohe Zahl". Und: "Die Pandemie ist nicht vorbei."

Die Fachleute des Covid-Prognosekonsortiums gehen in ihrer aktuellen Berechnung sogar von einem weiteren Anstieg der täglichen Neuinfektionen aus. Schon nächste Woche könnten die Neuansteckungen laut der Prognose bei über 30.000 Fällen pro Tag liegen. In den kommenden zwei Wochen sind demnach sogar bis zu 40.000 Infektionen möglich.

In Österreich gelten vergleichsweise strenge Covid-Maßnahmen. Etwa der Lockdown für Ungeimpfte. Die Ausgangsbeschränkungen für diese Gruppe sollen am Donnerstag erneut verlängert werden: Sie gelten dann mindestens bis 30. Jänner.

Deutschland: Rekordzahlen und Debatte über Impfpflicht

Das Robert-Koch-Institut, das in Deutschland für die täglich aktualisierten Corona-Zahlen verantwortlich ist, musste am Mittwoch einen Rekord vermelden. Insgesamt 112.323 neue Infektionen mit dem Coronavirus wurden registriert. Die Sieben-Tage-Inzidenz zwischen Watzmann und Wattenmeer steigt somit auf 584,4 – auch dies ein Rekord seit Beginn der Pandemie. Vor allem im Norden Deutschlands steigen die Infektionszahlen, während sie im Osten der Republik, dem vormaligen Corona-Hotspot, leicht sinken.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), bekannt als Verfechter strenger Corona-Maßnahmen, dringt auf die rasche Einführung einer Impfpflicht: "Wenn wir einen Antrag machen wollen, der noch funktioniert, dann setzt er die Impfpflicht im April in Kraft, vielleicht im Mai."

Eine bereits geltende Maßnahme, die zum Impfen motivieren sollte, wurde in Bayern am Mittwoch außer Kraft gesetzt: Die 2G-Regel für den Einzelhandel wurde vom Verwaltungsgerichtshof gekippt.

Frankreich: Wahlkampf und ein Silberstreif am Horizont

Auch Frankreich, wo anders als in den meisten anderen europäischen Ländern nicht täglich Infektionszahlen veröffentlicht werden, registrierte am Dienstag ein neues Allzeithoch: 464.769 positive Corona-Tests. Am Mittwoch wurden erneut mehr als 400.000 Neuinfektionen verzeichnet: insgesamt 436.167 neue Corona-Fälle. Auch die Hospitalisierungsrate stieg in den vergangenen Tagen um zehn Prozent. Ein Hoffnungsschimmer: Die Zahl der Menschen, die auf Intensivstationen gepflegt werden müssen, ist zuletzt leicht gesunken.

Die Regierung des wahlkämpfenden Präsidenten Emmanuel Macron setzt ihren Konfrontationskurs gegenüber Impfmuffeln derweil unverdrossen fort. Zwar liegt der Anteil der vollständig Geimpften in der Gesamtbevölkerung bei 75 Prozent; im digitalen Corona-Pass, der neuerdings für das öffentliche Leben – etwa zum Eintritt in Cafés oder für die Benutzung von Fernzügen – notwendig ist, behält die letzte Impfung aber nur mehr sieben Monate ihre Gültigkeit. Wer sich ungeimpft testen lassen will, muss dies zudem aus eigener Tasche bezahlen.

Italien: Ungeimpfte dürfen keine Öffis benutzen

Zu Beginn der Woche hatte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International Italiens Regierung gerügt: Die "Diskriminierung" Ungeimpfter sei nicht mehr "verhältnismäßig". Regierungschef Mario Draghi hatte zum Jahreswechsel neue Regeln für Menschen eingeführt, die sich in dem von der ersten Corona-Welle so verheerend getroffenen Land nicht impfen lassen wollen: Bis zum 15. Juni können diese keine öffentlichen Verkehrsmittel benützen, ältere Ungeimpfte zudem nicht an ihren Arbeitsplatz.

Die Zahlen der aktuellen Omikron-Welle sind dramatisch: Mit 228.123 positiv gemeldeten Tests wurde am Dienstag auch auf der italienischen Halbinsel ein neuer Infektionshöchststand gemessen – fast dreimal so viele wie am Montag, zu Wochenbeginn werden allerdings auch in Italien weniger Tests registriert. Am Mittwoch wurden 192.320 Neuinfektionen gemeldet.

Innerhalb der Regierung ist Draghis drakonischer Kurs umstritten: Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti von der rechtsradikalen Lega forderte Lockerungen, um die Wirtschaft nicht noch mehr zu schädigen.

Niederlande: Alle dürfen öffnen – außer die Kultur

Yoga-Posen vor dem Werk eines alten Meisters, ein neuer Haarschnitt unter den Klängen eines Symphonieorchesters: In den Niederlanden, wo am vergangenen Freitag ein einmonatiger Lockdown zu Ende gegangen ist, haben am Dienstag Kultureinrichtungen dagegen protestiert, dass fortan zwar Geschäfte, Fitnessstudios und Friseursalons wieder öffnen dürfen, der Kultursektor aber weiterhin pausieren muss. Die Niederlande, die als europaweit einziges Land über Weihnachten im Lockdown waren, verzeichnen trotz aller Bemühungen der Regierung von Premier Mark Rutte Rekordzahlen, was Neuinfektionen betrifft: Mehr als 43.000 waren es zuletzt. Allerdings: Seit Beginn des Lockdowns am 19. Dezember hat sich die Zahl der Hospitalisierungen mehr als halbiert.

Die Impfquote ist in den Niederlanden vergleichsweise hoch: 86 Prozent der Erwachsenen sind doppelt geimpft, die Hälfte sogar dreifach. Ähnlich wie in Großbritannien müssen Geboosterte nicht mehr in Quarantäne. Am 25. Jänner will Rutte über weitere Lockerungen entscheiden.

Großbritannien: Bedrängter Johnson will Maßnahmen aufheben

Einen Blick in die vermutlich nicht allzu ferne Zukunft kann man dieser Tage in Großbritannien erhaschen. Als eines der ersten Länder Europas wurde das Königreich Ende vergangenen Jahres von der erstmals in Südafrika registrierten Omikron-Mutante heimgesucht.

Nun, nicht ganz einen Monat später, könnte in Großbritannien der Höhepunkt der Infektionswelle überschritten sein. Am Mittwoch wurden dort 94.634 Menschen positiv getestet – am 4. Jänner, dem bisherigen Rekordtag, waren es mehr als doppelt so viele. Auch die Zahl der Hospitalisierungen nahm ab.

In Großbritannien, wo mehr auf Omikron sequenziert wird als in anderen Ländern Europas, können Infizierte seit Montag ihre Quarantäne bereits nach fünf Tagen beenden. Am Höhepunkt der Welle um den Jahreswechsel hatten Spitäler Alarm geschlagen, weil sie wegen infizierter Mitarbeiter den Betrieb kaum aufrechterhalten konnten. Premier Boris Johnson, der wegen Lockdown-Partys unter Druck steht, kündigte an, dass die Corona-Maßnahmen am 26. Jänner auslaufen.

USA: In New York herrscht wieder Hoffnung

Ein Blick über den Tellerrand: In den USA hat die Regierung von Präsident Joe Biden am Mittwoch angekündigt, 400 Millionen Einwegmasken der Klasse N95, vergleichbar mit FFP2-Masken, zur Verfügung zu stellen – und das gratis. Biden reagierte damit auf die Kritik von Fachleuten, die monieren, die Regierung kümmere sich angesichts der grassierenden Omikron-Welle nicht genug um Maskennachschub.

Am Dienstag erreichte die Pandemie in den USA ihren bisherigen Höhepunkt: mehr als 1,3 Millionen Neuinfektionen. Auch die Zahl der Hospitalisierungen lag an diesem Tag mit 150.000 auf Rekordniveau. Am Mittwoch lag die Zahl der Neuinfektionen bei 1,06 Millionen. Nur 63 Prozent der US-Amerikanerinnen und -Amerikaner sind zumindest zweimal geimpft.

In New York, bisher das Epizentrum der Pandemie in den USA, zeichnet sich Besserung ab. Zuletzt infizierten sich nur mehr halb so viele Menschen wie am Rekordtag 11. Jänner. "Wir gewinnen diesen Krieg", sagte Bürgermeister Eric Adams.

Höchststände in Schweden, Dänemark und Norwegen

Schweden, Dänemark und Norwegen haben allesamt Rekordwerte bei den Neuinfektionszahlen verzeichnet. In Schweden kamen gestern 37.886 neue Fälle hinzu. In Dänemark wurde der Höchststand vom Vortag gleich wieder gebrochen: Bei den täglich aktualisierten Werten des Gesundheitsinstituts SSI kamen diesmal 38.759 gemeldete Fälle hinzu. In Norwegen wurden am vergangenen Tag 15.367 neue Corona-Fälle registriert – auch das ein klarer Pandemierekord, wie die Nachrichtenagentur NTB meldete. (Florian Niederndorfer, Oona Kroisleitner, 19.1.2022)