Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock zu Gast bei ihrem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow.
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"Neue Zürcher Zeitung": Teure Sanktionen

"Würden die USA tatsächlich ihr ganzes Register von Sanktionsmöglichkeiten gegen russische Banken, Unternehmen und letztlich auch Konsumenten ziehen, hätte dies einschneidende Kosten nicht nur für Russland, sondern auch für westliche Volkswirtschaften zur Folge. Doch ein Blick auf die relative Gelassenheit an den Finanzmärkten in den USA und Europa zeigt, dass dort die Wahrscheinlichkeit eines Wirtschaftskriegs gegen Russland als gering eingeschätzt wird. (...)

Wollen die Nato-Staaten oder die EU tatsächlich wirksam abschrecken, müssen sie die zu erwartenden Kosten eines Angriffs für Moskau so weit wie möglich in die Höhe schrauben. (...) Erstens muss glaubhaft sein, dass der Westen einen ukrainischen Widerstands- oder Guerillakampf gegen den übermächtigen Gegner tatkräftig unterstützen würde – dazu gehören zwingend auch Waffenlieferungen. Zweitens muss der Westen seine Bereitschaft glaubhaft machen, im Rahmen eines wirksamen Sanktionsregimes gegen Russland auch selbst hohe und länger anhaltende ökonomische Einbußen hinzunehmen. Bei beidem könnten die westlichen Regierungen noch erheblich an Deutlichkeit zulegen."

"Lidove noviny" (Prag): Reden, kein Handeln

"Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat gewarnt, dass Moskau im Falle einer Militäraktion in der Ukraine mit hohen politischen und wirtschaftlichen Kosten rechnen müsse. Doch das dürfte den russischen Präsidenten Wladimir Putin kaum in Schrecken versetzen. Während Großbritannien Panzerabwehrwaffen an die Ukraine liefert, wirft Kiew Deutschland vor, Nato-Waffenlieferungen an die Ex-Sowjetrepublik zu blockieren. Es zeigt sich, dass manche Politiker zwar gerne über Solidarität reden, aber das Handeln lieber anderen überlassen, sobald Taten gefragt sind."

"Iswestija" (Moskau): Erfolgreicher Besuch

"Der erste Besuch von Außenministerin Annalena Baerbock in Russland lässt sich als ziemlich erfolgreich bezeichnen, wenn die einigermaßen radikalen Positionen in Betracht gezogen werden, die ein Teil der neuen deutschen Regierung einnimmt (...) Trotz der 'dicken Mappe' an Meinungsverschiedenheiten (...) ist es den Diplomaten gelungen, die Sichtweisen ihrer Länder klarzumachen und sogar den Weg für eine Zusammenarbeit aufzuzeigen.

Dabei hat die Ministerin in der russischen Hauptstadt keine unüberlegten Schritte gemacht. Sie sagte während ihres Besuches, dass es keine Alternative gebe zu stabilen Beziehungen mit Russland (...). Die für ihre emotionale Rhetorik bekannte Baerbock legte das Augenmerk auf das Thema der historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber Russland. Noch vor den Verhandlungen legte die Politikerin Blumen am Grab des Unbekannten Soldaten nieder und fühlte dabei – wie sie sagte – 'Scham und Ehrfurcht'."

"Süddeutsche Zeitung" (München): Wird nicht reichen

"Baerbocks souveräner Auftritt alleine wird aber nicht reichen, um Eindruck zu machen in Moskau. Nötig ist eine geschlossene Position der Bundesregierung und der Ampel-Koalition Russland gegenüber. Nicht ohne Grund muss sich die Außenministerin fragen lassen, ob es in Berlin eine solche Haltung zu Nord Stream 2 gibt, dem wohl wichtigsten Druckmittel, über das Deutschland verfügt. Wenn (Sergej) Lawrow (der russische Außenminister, Anm.) fordert, das Projekt nicht zu politisieren, kann er sich in den Reihen der SPD auf Zustimmung verlassen. Überfällig und wichtig war daher die Klarstellung von Kanzler Olaf Scholz an der Seite des Nato-Generalsekretärs, dass auch Nord Stream 2 infrage steht, wenn Russland ein weiteres Mal die Ukraine überfällt." (APA/red, 19.1.2022)