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Die meisten Väter nehmen sich keine berufliche Auszeit, um bei ihren Kindern zu sein.

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"Ich glaube, dass man auch dem Mann die Chance auf eine Familie und ein Familienleben geben soll", sagte Österreichs erste Frauenministerin Johanna Dohnal (SPÖ) einst, als sie für die Einführung einer Väterkarenz kämpfte. Seit 1990 gibt es diese Möglichkeit, doch auch 30 Jahre später nehmen sie die Väter großteils nicht an. Am Mittwoch hat die Arbeiterkammer die Ergebnisse ihres "Wiedereinstiegsmonitorings" präsentiert. Das Ergebnis: Bei acht von zehn Paaren gehen Männer weder in Karenz, noch beziehen sie Kinderbetreuungsgeld. Jene zehn Prozent, die in Karenz gehen, nehmen sich weniger als drei Monate Zeit dafür. Sechs Monate Karenz oder mehr nimmt überhaupt nur ein Prozent der Väter.

Einkommensunterschiede

"Was bei den Frauen Standard ist, ist bei den Männern ein Phänomen mit Seltenheitscharakter", sagte Studienautorin Ingrid Moritz bei der Präsentation der Ergebnisse. Mütter gehen nämlich durchschnittlich zwischen 18 und 24 Monaten in Karenz. Basis der von L&R Sozialforschung durchgeführten Studie sind die anonymisierten Daten aller 760.897 Personen, die von 2006 bis 2018 in Österreich Kinder bekommen haben – ausgenommen Selbstständige und Beamte. Die Studie wird alle zwei Jahre durchgeführt, daher weiß Christoph Klein, Direktor der AK Wien, auch: "Seit 30 Jahren tut sich nur recht wenig in Sachen Väterbeteiligung." In den letzten beiden Jahren sei die Zahl männlicher Kinderbetreuungsgeld-Bezieher sogar leicht rückläufig.

Aber woran liegt das? Wie die Studie zeigt, spielen Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen nach wie vor eine Rolle. Je höher das Gehalt der Frau vor der Geburt ist, desto eher geht auch der Mann in Karenz. Je höher das Gehalt des Mannes ist, desto kürzer geht er in Karenz.

Die fehlende Gleichstellung zeigt sich aber auch nach der Karenz. Dann arbeiten nämlich viele Frauen Teilzeit, um sich weiter um die Kinder kümmern zu können. Das schlägt sich ebenfalls im Gehalt nieder. Darum verdienen Frauen nach der Karenz im Durchschnitt weniger, als sie vor der Geburt verdient haben. Männer andererseits verdienen nach der Karenz mehr also vorher. "Insgesamt gesehen bleibt die Karenz also für die Männer eine Option, während sie für die Frauen eine Selbstverständlichkeit ist", sagt Moritz. Um Ausgleich zu schaffen, fordert die Arbeiterkammer, dass Eltern, die sich auch nach der Karenz die Kindererziehung gerecht teilen und dafür beide Teilzeit arbeiten, einen Bonus von 250 Euro pro Monat erhalten sollen.

Foto: L&R Sozialforschung / AK Wien / DerStandard

Eine weitere Forderung bezieht sich auf die gesetzliche Mindestdauer der Karenz, wenn sie zwischen den Eltern geteilt wird. Aktuell sind das zwei Monate. Wäre dieser vorgeschriebene Mindestanteil höher, wären Eltern nicht auf die Kulanz des Arbeitgebers angewiesen, argumentiert Klein. Das sieht auch Sonja Dörfler-Bolt, Soziologin am Österreichischen Institut für Familienforschung, so. "Es ist klar nachgewiesen, dass die Unternehmen oft nur den Teil akzeptieren, der fix für den Vater reserviert ist. Alles, was darüber hinausgeht, eher nicht", sagt sie. Ein Best-Practice-Beispiel sei Island. Dort ist der Anteil der Väterkarenzen nach der Erhöhung des Mindestanteils von 30 auf 90 Prozent gestiegen. "Ähnliches würde ich auch für Österreich erwarten", sagt Dörfler-Bolt.

Rollenbilder

Ein wichtiger Aspekt in Sachen Kindererziehung sind natürlich auch die in der Gesellschaft vorherrschenden Rollenbilder. "Aus der Sozialforschung wissen wir, dass Österreich bei den Einstellungen ungefähr da ist, wo Schweden in den 1990ern war", sagt Dörfler-Bolt, betont aber, dass Österreich in den letzten Jahren durchaus aufgeholt habe. Die unterschiedliche Entwicklung habe zum Beispiel mit einem anderen Einfluss der katholischen Kirche zu tun, aber auch damit, dass es in Schweden seit den 1970er-Jahren ein parteienübergreifendes Bekenntnis zur Gleichstellungspolitik gebe.

Im Regierungsprogramm findet sich zum Thema Väterkarenz lediglich der vage Punkt "Reform Väterkarenz und Papamonat zur Verbesserung der Vereinbarkeit". Am Mittwoch wollte sich kein Vertreter der Regierungsparteien, auch nicht Familienministerin Susanne Raab (ÖVP), zu dem Thema äußern. (Johannes Pucher, 20.1.2022)