Es war Bidens sechste Solo-Pressekonferenz als Präsident. Die meisten seiner Vorgänger hatten nach einem Jahr im Amt bereits mehr absolviert.

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Eigentlich hatte sich US-Präsident Joe Biden andere Themen zur Aufgabe gemacht: Kampf gegen die Erderwärmung, Sozialprogramme und außenpolitisch China die Stirn zu bieten. Doch seitdem Biden sein Amt als 46. Präsident der USA übernommen hat, hat die Realität seine Agenda ordentlich durcheinandergebracht.

So ging es auch bei seiner Pressekonferenz am Mittwochabend zu einem großen Teil um den neu entflammten Konflikt mit Russland und die Frage: Was wäre, wenn? Seit Wochen zieht ein möglicher Einmarsch Russlands in der Ukraine alle Aufmerksamkeit der US-Diplomatie auf sich.

Bei seiner zweistündigen Pressekonferenz säte Biden mehr Unklarheit darüber, wie die USA und ihre westlichen Verbündeten – also Europa und die Nato – reagieren würden, falls der russische Präsident Wladimir Putin den Befehl zum Einmarsch in die Ukraine geben würde.

"Ich denke, er wird einrücken", sagte Biden auf eine Journalistenfrage. "Er muss etwas machen." Doch vor allem seine Antwort auf die Frage nach möglichen Reaktionen der USA darauf löste Verwirrung aus. Denn Biden unterschied dabei zwischen einem "kleineren Einmarsch Russlands" und einem größeren. "Russland wird zur Verantwortung gezogen werden, falls es einmarschiert", sagte Biden, das sei klar. Es komme aber darauf an, wie es das mache. "Es ist die eine Sache, wenn es sich um einen kleineren Einmarsch handelt. Aber wenn sie das machen, wozu sie fähig sind, dann wird es eine Katastrophe für Russland."

"Kleinerer Einmarsch" oder "Invasion"

Was er mit "kleinerem Einmarsch" meine, wollten daraufhin Journalisten wissen. Dazu gab Biden an, dass nicht alle Nato-Verbündeten darüber einig seien, wie eine Reaktion aussehen würde – je nachdem, was Putin mache. Er würde aber probieren, "alle auf die gleiche Seite zu holen".

Das Weiße Haus reagierte nach der Pressekonferenz schnell und ließ über seine Sprecherin Jen Psaki klarstellen, dass jeder Grenzübertritt russischer Soldaten eine "schnelle, starke und geeinte Reaktion" der USA und ihrer Verbündeten zur Folge haben würde. Das beziehe sich auch auf Cyberattacken.

Der Vorfall erinnert an Aussagen Bidens bezüglich Taiwan im Oktober. Damals beantwortete er eine Frage, ob die USA die Insel im Fall eines chinesischen Angriffs verteidigen würden, mit Ja. Das konnte als Abkehr von der bisherigen US-Politik verstanden werden. Auch damals stellte das Weiße Haus rasch klar, dass sich an dieser aber nichts geändert habe.

DER STANDARD

Kritik von Republikanern

Bidens überraschende Differenzierung in Sachen Ukraine-Einmarsch löste auch bei den Republikanern Kritik aus. Jedes Eindringen würde als "erhebliches Eindringen" angesehen, weil es die Ukraine destabilisiere, ließ ein republikanischer Senator wissen.

In den vergangenen Wochen hat Russland seine Truppen um die Ukraine ausgebaut, 100.000 Soldaten sind an den Grenzen zu dem Land stationiert. Putin will Garantien, dass die Ukraine niemals der Nato beitreten würde. Diese an ihn gestellte Forderung wiederholte auch Biden wieder am Mittwochabend. Putin wolle außerdem, dass nie Atomwaffen auf ukrainischem Boden stationiert würden.

Garantien würde Biden nicht abgeben, er ging aber einen Schritt auf Russland zu: Es sei "sehr unwahrscheinlich", dass die Ukraine dem Militärbündnis in naher Zukunft beitreten werde. Biden deutete außerdem an, dass es einen Deal über die Stationierung von Atomwaffen geben könnte: "Wir können da etwas ausarbeiten", das hänge von Russlands Position ab, erklärte er.

Eine Invasion würde auf jeden Fall "kein Kinderspiel" für Russland. Militärisch habe Russland zwar eine "überwältigende Überlegenheit" gegenüber der Ukraine. "Aber wenn sie das tun, dann werden sie einen hohen Preis zahlen."

Biden versteht Frustration

Neben der Russland-Frage kommentierte Biden die Leistung seiner Regierung in Sachen Covid. Er verstehe die Enttäuschung der Amerikaner, aber die USA seien "auf Schiene", die großen Herausforderungen der Pandemie und der Inflation anzugehen. In Sachen Tests hätte seine Regierung mehr machen können, gestand er ein.

Für 2022 nehme er sich vor, mehr "hinauszugehen". Er habe nicht oft die Möglichkeit, Menschen in die Augen zu sehen, damit sie ihn begutachten könnten. Er habe die "kräftige Opposition" der Republikaner gegen seine Präsidentschaft unterschätzt, die noch größer sei als zu Barack Obamas Amtszeit.

Daran, dass er 2024 wieder antreten will, ließ Biden keine Zweifel: "Ja und ja", lautete seine Antwort. Angesprochen auf Umfragen, wonach er seit seiner Amtsübernahme deutlich an Beliebtheit eingebüßt habe, sagte Biden: "Ich glaube den Umfragen nicht."

Niederlage bei Wahlrechtsreform

Just in der Nacht auf Donnerstag mussten die Demokraten die nächste Niederlage einstecken, und zwar bei dem Versuch, eine Wahlrechtsreform voranzutreiben. Der Senat stimmte knapp gegen die Vorlage. 60 der 100 Stimmen wären nötig gewesen, um eine Blockade der Republikaner zu überwinden. Der anschließende Versuch der Demokraten, diese sogenannte Filibuster-Regelung außer Kraft zu setzen, scheiterte am Widerstand von zwei Demokraten. (saw, APA, 20.1.2022)