Der knapp 70 Milliarden Dollar umfassende Deal bedeutet nicht nur die größte Akquisition in der Gaming-Geschichte, er ist auch Microsofts größter Zukauf, in Form einer externen Firma, aller Zeiten.

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Am Dienstag verkündete Microsoft, dass der Kauf des Spiele-Publishers Activision Blizzard für 68,7 Milliarden Dollar geplant sei. Was für Außenstehende vielleicht nur wie ein weiterer großer Deal im Tech-Business aussieht, ist in Wahrheit viel mehr. Microsoft würde mit der Akquisition des Spielegiganten, der hinter Millionen-Blockbustern wie "World of Warcraft" oder "Call of Duty" steht, zur Nummer drei in der umsatzstärksten Entertainment-Branche der Welt werden.

Bereits seit Jahren kauft der US-Konzern Microsoft, der schon lange zu den Schwergewichten im Business zählt, Entwicklerstudios und Spiele-Publisher, um seine Marktposition weiter zu stärken und direkte Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Nachdem die US-Regierung Mitte Jänner eine Wettbewerbsklage gegen Facebook durchgebracht hatte, bei der es ebenfalls um die zunehmende Monopolstellung des Meta-Konzerns ging, erwarten jetzt auch viele, dass man sich den 70-Milliarden-Deal bei den zuständigen Behörden ganz genau ansehen wird.

Microsoft ist nicht nur Spieleproduzent und -vertrieb, der US-Konzern setzt auch stark auf kommende Trends wie Cloud-Gaming, um Spieler auf jeder Plattform erreichen zu können.
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Schlafender Riese

2,5 Milliarden Dollar bezahlte Microsoft 2014 für das Ministudio Mojang, das eigentlich nur für ein Spiel bekannt war: "Minecraft". Mittlerweile ist das klotzige Aufbauspiel mit 235 Millionen Exemplaren das bestverkaufte Spiel aller Zeiten. Es folgten weitere, wenn auch nicht ganz so spektakuläre Akquisitionen, bis man 2021 einen neuen Rekord in der Branche aufstellte, indem man Zenimax Media für 7,5 Milliarden Dollar in den eigenen Konzern überführte. Die dazugehörige Tochter Bethesda verfügt über zahlreiche beliebte Marken, etwa "Fallout", "The Elder Scrolls" oder "Doom".

Auf 23 Entwicklerstudios war das Microsoft-Imperium somit bereits Ende 2021 angewachsen. Mit dem Kauf von Activision Blizzard kommen noch einmal neun hinzu – und die dazugehörigen 400 Millionen Spieler, die derzeit Games des Publishers regelmäßig konsumieren.

Die Xbox, deren 20-jähriges Jubiläum im vergangenen Jahr von Microsoft zelebriert wurde, ist dabei mittlerweile nur noch ein Standbein, das in all diesen Entwicklungen eine Rolle spielt. Schon lange beliefert man auch den PC verstärkt mit ehemaligen Xbox-Marken, aber auch mit Exklusivtiteln. Diese Exklusivität will Microsoft aber zunehmend aufbrechen, ist doch sein Hauptziel, den Abo-Dienst Game Pass an den Mann und die Frau zu bringen. Dieser hat mittlerweile 25 Millionen Nutzer und ermöglicht den Zugriff auf eine wachsende Spielebibliothek. Dank Cloud-Gaming können viele dieser Titel mittlerweile auch auf dem Smartphone oder dem Tablet gespielt werden.

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Um diesen Service weiterhin attraktiv zu gestalten, benötigt es mehr Spiele, das heißt: mehr Studios, die an Spielen arbeiten können. So machen weitere Zukäufe von Entwicklern auch künftig viel Sinn für Microsoft. Auch Wissen über Bereiche, in denen man noch nicht so gefestigt ist, kann und will man zukaufen. So ist eine Activision-Blizzard-Tochter etwa die Mobile-Games-Schmiede King, die mit "Candy Crush" im Jahr 2021 rund eine Milliarde Dollar erwirtschaftet hat, nicht nur ein finanziell wichtiger Zukauf, sondern auch was das Know-how in diesem Bereich betrifft.

Monopoly

Diese Zusammenfassung der in den letzten Jahren immer wieder kommunizierten Entwicklungen hat mit dem neuesten Deal einen Höhepunkt erreicht, der von den US-Behörden nicht mehr ignoriert werden kann – besonders von der Federal Trade Commission (FTC), die sich für den Verbraucherschutz in den USA einsetzt. Dabei gibt es zwei Aspekte zu beachten. Erstens ist der Kauf eines großen Spiele-Publishers natürlich eine vertikale Fusion, weil die beiden Firmen sich ergänzende Services anbieten – Produktion und Distribution. Es handelt sich bei dem Kauf aber zweitens auch um eine horizontale Fusion, ist Microsoft doch mittlerweile genauso ein gewichtiger Spielehersteller wie Activision Blizzard.

Beide Aspekte könnten dazu führen, dass Microsoft seine Marktmacht zunehmend ausnutzen könnte, ist auch Matt Stoller vom American Economic Liberties Project sicher, wie er gegenüber "The Verge" betont: "Es geht vor allem um das Abomodell Game Pass. Wer auf diesem Markt nicht über eine effektive Distribution verfügt, wird es künftig schwer haben, Spiele zu produzieren und diese am Markt verkaufen zu können."

Stoller vergleicht den aktuellen Fall mit der Klage "United States vs Paramount Pictures" aus dem Jahre 1948, bei der den großen Hollywoodstudios damals das Recht entzogen wurde, die Kontrolle über die direkte Distribution zu behalten – sowie der Besitz einzelner Kinos. Erst im Jahr 2020 wurde dieses Gesetz wieder aufgehoben, nachdem ein Richter festgestellt hatte, die Filmstudios hätten nicht mehr die gleiche Monopolstellung wie damals.

Diese Freiheit, die damals für die Filmwelt gesichert wurde, könnte durch eine Zentralisierung von Vertrieb und Entwicklung an einer Stelle massive Nachteile für externe Studios haben, so Stoller. Generell hätten die "Giganten des Game-Streamings" alle Trümpfe in der Hand, es unabhängigen Studios zunehmend schwer zu machen, potenzielle Kunden zu erreichen. Microsoft gehört dank Xbox Cloud Gaming zu diesen Giganten im Bereich Streaming.

Dass sich Microsoft derzeit noch offen zeigt, was die Verbreitung von Games anbelangt, betonte etwa Microsoft CEO Satya Nadella im Rahmen des Activison-Blizzard-Kaufs. "Wir brauchen mehr Innovation und Investitionen in die Erstellung von Inhalten und weniger Einschränkungen bei der Verbreitung." Damit spielt Nadella auch auf Apple an, das mit dem Vertrieb von Spielen heute mehr Gewinn macht als Microsoft und Platzhirsch Sony mit ihren Gaming-Abos und -Verkäufen zusammen: "Heute sehen wir uns einem starken globalen Wettbewerb von Unternehmen gegenüber, die mehr Einnahmen aus dem Vertrieb von Spielen erzielen als wir mit unserem Anteil an Spieleverkäufen und Abonnements."

Am liebsten wäre deshalb Microsoft vielleicht sogar, dass man die Xbox-App auch auf einer Playstation, dem TV-Gerät oder dem iPhone einfach öffnen könnte, um dadurch Zugriff auf die Spiele im Game Pass zu bekommen. Dass man hier allerdings auf neue Probleme stoßen könnte, zeigt der jahrelange Streit zwischen Apple und dem Spielehersteller Epic Games.

Nächste Schritte

Nachdem der Microsoft-Kauf von Zenimax im Vorjahr bei der FTC keine Wellen geschlagen hat, wird man sehen, ob man diesmal kritischer auf die Fusion schauen wird. Der republikanische Abgeordnete Ken Buck, der dem Kartellrechtsunterausschuss angehört, zeigt sich derzeit noch wenig beeindruckt, wie er am Mittwoch via Twitter bekanntgab. Die Informationen, die er von Microsoft erhalten habe, seien "ermutigend". Das würde implizierten, dass die Prüfung durch die FTC keine Monopolisierung des Marktes feststellen wird können.

Damit widerspricht er den aktuellen Bemühungen der Biden-Regierung, die sich sehr wohl der wachsenden Übermacht von Großkonzernen entgegenstellen will. So soll ein von Biden unterzeichneter Erlass dafür sorgen, dass unter anderem die Kartellbehörde FTC Tech-Riesen wie Facebook, Apple, Google und Amazon mehr an die Kandare nehmen darf. Auch will Biden sogenannte "Killer-Akquisitionen", bei denen große Internetkonzerne potenzielle Konkurrenten aufkaufen, einschränken. Insgesamt soll die FTC geplante Fusionen genauer unter die Lupe nehmen und bereits vollzogene Zusammenschlüsse noch einmal überprüfen.

Passend dazu arbeiten die FTC und das Justizministerium der USA aktuell an einer Überarbeitung diverser Gesetzte rund um Kartellrechtsverfahren, um sie an die Herausforderungen der Gegenwart besser anzupassen. Der Fall Activision Blizzard scheint hier gut als Probe aufs Exempel fungieren zu können, ob neue Gesetze effektiver eine zunehmende Monopolisierung verhindern können. Dann muss man nicht, wie im Falle von Facebook, bereits abgeschlossene Fusionen Jahre später wieder hinterfragen. (aam, 20.1.2022)