Matthias Mayer ist als wagemutiger und exzellenter Skirennläufer bekannt. Als solcher begrüßt er die baulichen Veränderungen am Kitzbüheler Hausberg nicht wirklich.

Foto: EPA/Bruna

Renndirektor Trinkl weiß aus Erfahrung, dass Abfahrer eine gewisse Herausforderung schätzen.

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Mausefalle, Steilhang, Hausberg, Traverse und Zielsprung. Die Streif mit den prickelnden Schlüsselstellen ist seit jeher ein Garant für Spektakel. Neben Glanztaten wie etwa dem als perfekte Fahrt bezeichneten Sieglauf von Stephan Eberharter 2004, waren es aber immer wieder fatale Unfälle, die für die Geschichte der wohl legendärsten aller Abfahrten prägend waren.

Mit Schaudern erinnert man sich etwa an die Sturzserie am Hausberg 2016, als Hannes Reichelt, Georg Streitberger und der Norweger Aksel Lund Svindal abgeworfen wurden. Oder auch an das vergangene Jahr, als der US-Amerikaner Ryan Cochran-Siegle ebendort und der Schweizer Urs Kryenbühl beim Zielsprung schwer verunfallten.

Nach Analysen der Geschehnisse hat sich der Kitzbüheler Skiclub K. S. C. als Veranstalter der Hahnenkammrennen entschlossen, den Hausberg umzugestalten. Den Zielsprung versucht man mit einer seit vergangenem Jahr erprobten Methode der Uni Innsbruck in den Griff zu bekommen. Zudem setzt man neben spezieller Kurssetzung auf Altbewährtes wie Sicherheitsnetze und Sturzräume. Am Einsatz des Airbags scheiden sich jedoch weiter die Geister.

Highsider erschwert

FIS-Renndirektor Hannes Trinkl begrüßt den Umbau auf der Streif: "Die Burschen fahren einfach alle viel besser Ski als früher, sind athletisch viel stärker geworden, das Material hat sich auch weiterentwickelt." Am Hausberg seien die meisten Unfälle passiert, man habe das Limit erreicht, musste etwas ändern. Das Hauptaugenmerk liege darauf, die Läufer sicher hinunter und durch die Saison zu bringen.

Konkret wurden die Netze weiter nach unten verlegt, ein größerer Sturzraum geschaffen und der Kurvenradius erhöht, um die wirkenden Kräfte zu verringern. Die Kompression wurde mit Erde aufgefüllt, damit sollen halsbrecherische Highsider vermieden werden. Freuen kann sich Fritz Strobl. Sein Streckenrekord (1:51,58 Minuten) aus dem Jahr 1997 ist so nicht mehr zu unterbieten.

Was die Fahrer wollen

Die Akzeptanz der Läufer nach dem Umbau hielt sich in Grenzen. Der Italiener Dominik Paris wies darauf hin, dass die Geschwindigkeitsreduktion nicht geglückt sei, im ersten Training wurde die 140- km/h-Marke im Zielschuss mehrmals überschritten. Matthias Mayer bemängelte, dass die Traverse zu einfach zu befahren sei. Immerhin zeigte sich Beat Feuz, Schweizer Doublegewinner auf der Streif 2021, gelassen: "Es ist nicht so, dass Kitzbühel neu erfunden wurde."

Trinkl verteidigt die gewöhnungsbedürftige Umgestaltung: "Die Passage ist sicherer geworden." Er versprach aber Adaptierungen für die Zukunft, "damit die Läufer auch wieder eine Gaude haben". Der Abfahrtsweltmeister von St. Anton 2001 zeigte nämlich auch Verständnis für die Kritik: "Als früherer Abfahrer verstehe ich, dass man nicht unbedingt will, dass etwas leichter wird." Aber die Streif sei immer noch spektakulär und schwer genug, "eine Herausforderung".

Damit auch der Zielsprung sicher gestaltet werden kann, wird jeder Sprung ausgewertet. Dabei werden Geschwindigkeit, Weite und Höhe gemessen. Trinkl bezeichnet das Tool als "große Hilfe". Momentan müsse man mit 140 km/h keine Angst haben, zu weit oder hoch zu springen. Die Weite sei aber nicht so entscheidend. "Die Höhe ist das Problem." Die FIS erwägt, das System auch auf anderen Strecken zum Einsatz zu bringen. Dort, wo Sprünge mit hohem Tempo bewältigt werden müssen.

Vielversprechender Ansatz

Um den vielen Verletzungen entgegenzuwirken, versucht man die Akteure durch spezielle Streckengestaltung zum Verwenden von weniger aggressivem Material zu motivieren. ÖSV-Sportdirektor Toni Giger hat das sogenannte Lace-Programm ("less aggressive competition equipment") ins Leben gerufen. "Es geht darum, dass sie mit einem weniger aggressiven Material schneller sind", sagt Giger. So könne man etwa bei Schrägfahrten künstlich leichte Unebenheiten einbauen. "Wenn man da aggressiv eingestellt unterwegs ist, ist man langsamer."

In Kitzbühel sei das laut Trinkl aber ohnehin kein großes Thema, weil das Gelände wellig genug sei. Zudem könne man Highspeedpassagen nicht extra unruhig gestalten. Das sei nicht gesund.

Fragezeichen hinter Airbags

Wie sinnvoll Airbags im Skirennsport sind, ist weiter umstritten. Als Mayer 2015 in Gröden stürzte und sich erstmals im Weltcup ein Airbag aufblies, könnten schwerere Verletzungen vermieden worden sein, allerdings brach sich der Kärntner zwei Brustwirbel. Zweifel an dem im Motorradrennsport seit Jahren verwendeten Schutzsystem nährten auch Sturzverletzungen der Deutschen Thomas Dreßen (Schulter ausgerenkt) und Manuel Schmid (Frakturen an Wirbelfortsätzen). Dem Vernehmen nach wies die Herstellerfirma Dainese Mutmaßungen zurück, die Verletzungen könnten Folge des Airbags gewesen sein. So oder so verwenden die meisten Läufer und auch Mayer wieder gewöhnliche Rückenprotektoren.

Schnellster im verkürzten Abschlusstraining für die Abfahrten am Freitag (11.30 Uhr) und Sonntag (13.30 Uhr, beide ORF 1) war der Italiener Christof Innerhofer, Mayer war mit Torfehler Sechster. (Thomas Hirner aus Kitzbühel, 20.1.2022)