Eines kann man der Regierung nicht absprechen: dass sie sich endlich auch mit kreativen Maßnahmen darum bemüht, die Impfbereitschaft in Corona-Zeiten zu verbessern. Derzeit halten wir bei einem mageren Anteil von 70 Prozent der Bevölkerung, der zumindest schon den zweiten Stich hat. Die schwarz-grüne Koalition möchte auch einen möglichst breiten politischen Konsens erzielen. Dass SPÖ und Neos nicht überall mitmachen und die FPÖ nirgends, ist zum Teil berechtigten Einwänden, zum Teil parteipolitischem Populismus an der Gefährdergrenze geschuldet. Kurzum: Allen kann man es nie recht machen.

Das nun präsentierte Anreiz- und Belohnungspaket dürfte jedenfalls auf festen Füßen stehen. Es ist eine flankierende Maßnahme zum Impfpflichtgesetz, das schon in wenigen Tagen in Kraft treten wird. Davor soll noch schnell unser Belohnungszentrum aktiviert werden. Allem voran mit der neuen Impflotterie, in der nun 500-Euro-Gutscheine ausgespielt werden. Wer hätte je gedacht, dass wir bei der Gesundheitsvorsorge auf Gewinnspiele setzen müssen? "Alles ist möglich", heißt es seit Jahrzehnten in der Lotto-Werbung.

Die Regierung bemüht sich nun mit kreativen Maßnahmen darum, die Impfbereitschaft anzuheben.
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Eine andere angekündigte Maßnahme könnte aber nach hinten losgehen. Konkret geht es um das finanzielle Anreizsystem für Gemeinden: Bei einer Impfquote von 80 Prozent soll ein Basisbetrag von insgesamt 75 Millionen Euro ausgeschüttet werden, bei 85 Prozent 150 Millionen und bei 90 Prozent 300 Millionen Euro. Heruntergebrochen auf eine Gemeinde mit 3.000 Einwohnerinnen und Einwohnern wären das gestaffelt in etwa 30.000 bis 120.000 Euro.

Bei Ungeimpften anklopfen?

Aber wie kann man sich das in der Praxis vorstellen? Sollen jetzt Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bei Ungeimpften anklopfen und sie anbetteln, sich impfen zu lassen, damit sich die Gemeinde ein neues Straßenkehrfahrzeug anschaffen kann? Sicher nicht!

Gerade in kleineren Ortschaften ist gut zu beobachten, wie sich das Sozialgefüge wegen der unterschiedlichen Einstellung zur Impfpflicht gerade neu ordnet. Die alten Stammtische sind zerrissen, früher befreundete Familien begegnen einander nur mehr mit einem Naserümpfen auf der Straße, manche Gläubige gehen nicht mehr in die Kirche, weil sie der Pfarrer nur mit Maske und Abstand hineinlässt.

Nicht nur in Wien, sondern auch in kleinen Gemeinden gibt es regelmäßige Demos von Impfpflichtskeptikern und Schwurblern. Dabei wird nicht nur vor Gemeindeämtern lautstark protestiert, sondern auch direkt an den Privatadressen von Bürgermeistern. Vor einigen Wochen mussten in der Heimatgemeinde von Innenminister Gerhard Karner 80 Polizisten aufmarschieren, um dort rund 260 Demonstranten im Zaum zu halten. Viele der 1.600 Bewohnerinnen und Bewohner von Texingtal forderten danach ein Demoverbot im Siedlungsgebiet. Der offene Disput ist überall angekommen.

In dieser Phase den Gemeinden die Verantwortung dafür umzuhängen, mehr Menschen zu einer Impfung zu bewegen, ist unverantwortlich. Das Extrabudget, das die Regierung für lokale Impfkampagnen zur Verfügung stellt, ist eine sinnvolle Unterstützung. Aber dass Gemeinden, die unter der vorgegebenen Impfquote bleiben, keine Belohnung bekommen sollen, auch wenn sie sich noch so angestrengt haben, ist nicht fair. Gerade diese Gemeinden brauchen am dringendsten Hilfe. (Michael Simoner, 20.1.2022)