"Religionen kreisen um die Idee einer rettenden Gerechtigkeit, die ‚alles wiedergutmacht‘. Das Böse darf nicht das letzte Wort behalten." So vor kurzem Thomas Assheuer in einem großen Essay in der Zeit über die "Daseinsberechtigung" von Religion heute.

Ein neues Missbrauchsgutachten belastet den ehemaligen Papst Benedikt XVI. schwer.
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Daran muss man denken, wenn man die niederschmetternden Berichte über endlose Missbrauchsfälle – besonders die Vertuschung dieser Verbrechen – vor allem aus der katholischen Kirche liest. Die jüngste Nachricht: Der ehemalige Papst Benedikt XVI. wird in einem Untersuchungsbericht beschuldigt, als Erzbischof von München nichts gegen Priester unternommen zu haben, die als Pädophile entlarvt wurden. Das Versagen vor allem der deutschen Kirche ist hier enorm, die österreichische hat schon vor Jahren eine Kommission gegründet, in der Opfer angehört und Entschädigungen gezahlt wurden. Aber davor war es natürlich ebenfalls zu massiven Vertuschungen gekommen.

Der Kirche (den Kirchen) in Mitteleuropa laufen die Gläubigen davon, und wenn es so weitergeht, werden "die überirdisch schönen Bauwerke in zwei, drei Jahrzehnten als Selfiekulissen in den Städten herumstehen" (Assheuer). Die Religion wird sich dann endgültig in esoterische Zirkel und Sekten verlagert haben, denn ganz ohne Transzendenz wollen viele auch nicht sein. Ein Altpapst, der in Verleugnung von Verbrechen und Vernachlässigung von Opfern verstrickt war, das hat der Kirche noch gefehlt. (Hans Rauscher, 20.1.2022)