Veränderungen im Spike-Protein der Alpha-Variante im Vergleich zum "Wildtyp". Der Omikron-Subtyp BA.2 weist ähnlich viele Mutationen im Vergleich zu BA.1 auf.

APA / Roland Schlager

Die Sars-CoV-2-Variante Omikron sorgt nicht nur in Österreich, sondern auch in vielen anderen Ländern für Rekordzahlen bei den Neuinfektionen. Ganz genau genommen müsste man mittlerweile allerdings von Omikron-Varianten im Plural sprechen, denn es gibt zumindest zwei zusätzliche Subvarianten: Neben BA.1 sind auch noch BA.2 und BA.3 verbreitet.

Diese Ausdifferenzierung hängt auch damit zusammen, dass es pro Monat ziemlich genau zwei Mutationen des CoV-Virus gibt, wie Virengenom-Experte Andreas Bergthaler erklärt. Bergthaler, der mit Jahresbeginn eine Professur für Molekulare Immunologie an der Med-Uni Wien übernommen hat, berichtete am Dienstagabend bei einer Ärztefortbildung über CoV-Varianten und wies einmal mehr darauf hin, dass sich Sars-CoV-2 weniger schnell verändert als das Influenzavirus.

Ist BA.2 fitter als BA.1?

In Dänemark, wo man dank umfangreicher Sequenzierungen einen besonders guten Überblick über Varianten hat, sieht es so aus, als ob BA.2 fitter sei als BA.1: Der Anteil dieser Subvariante beträgt aktuell knapp 50 Prozent, Tendenz weiter steigend. Ende 2021 lag der Anteil erst bei 20 Prozent.

Das ist gleich aus mehreren Gründen bemerkenswert, auch wenn sich daraus noch keine eindeutigen Schlüsse ziehen lassen: Der Genetiker Ulrich Elling (IMBA der ÖAW in Wien) hat als einer der ersten Forschenden international darauf hingewiesen, dass sich BA.1 und BA.2 doch recht deutlich voneinander unterscheiden, nämlich in 17 Mutationen. Das ist ein größerer Unterschied als der zwischen dem sogenannten Wildtyp von Sars-CoV-2 und der ersten wichtigen Variante Alpha, die vor genau einem Jahr Österreich heimsuchte und bis zum Auftauchen von Delta im Sommer 2021 das Infektionsgeschehen bestimmte.

"Halbseitige" Veränderung

Was Elling an diesen Unterschieden besonders irritiert: BA.1 und BA.2 sind in einer Hälfte des Genoms fast völlig gleich, doch in der anderen Hälfte sehr verschieden. Diese Unterschiede führen unter anderem dazu, dass es bei BA.2 zu keinem sogenannten S-Gen-Ausfall kommt und BA.2 anders als BA.1 S-Gen-positiv ist. Wie diese "halbseitig mutierte" Subvariante entstanden sein könnte, wirft für den Genetiker einige noch ungelöste Fragen auf.

Unklar ist vor allem, ob BA.2 andere Eigenschaften hat als BA.1, insbesondere was die Symptome, die Schwere der Verläufe oder die Immunflucht anbetrifft. Die dänischen Daten deuten laut Elling aber darauf hin, dass BA.2 bei den Geboosterten überrepräsentiert sein könnte. Und das wiederum würde auch erklären, warum in Dänemark bei einer hohen Impf- und Boosterquote die Infektionszahlen und auch die der CoV-Patienten in Krankenhäusern weiterhin steigen, während sie in Ländern wie Großbritannien wieder sinken.

Zudem sei laut Elling unbekannt, wie gut eine Infektion mit BA.1 auch vor einer Infektion mit BA.2 immunisiert. Für konkrete Befürchtungen sei es aber noch zu früh – denn es fehlen schlicht die Daten, die am ehesten aus Dänemark zu erwarten sind.

Auch in Österreich verbreitet

Mittlerweile ist auch in anderen Ländern wie Großbritannien, Norwegen und Schweden ein Anstieg der BA.2-Fälle zu verzeichnen, allerdings offenbar nicht in demselben Ausmaß wie in Dänemark. Zu diesen Ländern dürfte auch Österreich zählen, wie die Sequenzierungen von Viren aus dem Abwasser nahelegen: In Wiens und Klagenfurts Kläranlagen etwa betrug der BA.2-Anteil rund um den Jahreswechsel sieben Prozent am detektierten CoV-Virenmaterial.

Nicht zu vergessen ist aber auch, dass Delta in Österreich längst noch nicht vollständig verschwunden ist. Und da man nur recht unsystematisch sequenziert, weiß man etwa auch nicht, wie groß der Anteil von Delta an den CoV-Spitalspatienten in Österreich ist. Vom BA.2-Anteil bei den Patienten einmal ganz zu schweigen. (Klaus Taschwer, 21.1.2022)