Wenn es Probleme gibt, startet Jordi Savall den Tag mit einer halben Stunde an seiner Gambe.

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Skurrile Umwege muss die klassische Musik bisweilen gehen, wenn es darum geht, zu zeigen, dass sie fähig ist, auch "normale" Genrereichweiten zu sprengen. Puccinis Turandot war wohl nie bekannter als 1990 während der Fußball-Weltmeisterschaft in Italien. Ein Tenor namens Luciano Pavarotti schmetterte die Arie Nessum dorma und flog an die Chartspitze.

Es gibt Beispiele sonder Zahl: Als A Fifth of Beethoven landete Ludwigs bekannteste Symphonie im Film Saturday Night Fever und durch die Coverversion der Big Apple Band einst in den Discos, während Léo Délibes’ Oper Lakme per Marmeladenwerbung und mithilfe der Arie Viens Mallika kurz aus dem Schatten der Operngeschichte trat.

Historisch informiert

Auch Jordi Savall, kontinuierlicher Gast des am Samstag beginnenden Festivals Resonanzen, verdankt seine klassikuntypische Bekanntheit einem Film. In der Alte-Musik-Szene natürlich seit jeher eine Autorität der historisch informierten Kunst, war der Gambist und Dirigent 1991 für die Musik beim Historienfilm Die siebente Saite verantwortlich. Gérard Depardieu spielte den alten Hofgambisten des Sonnenkönigs, Marin Marais; Savall spielte dessen Stücke ein und kam samt diesem zierlichen Vorläufer des Cellos schwer in Mode.

In jenen schon fernen 1990er-Jahren wurde auch das Festival Resonanzen gegründet. Und selbstverständlich entwickelte sich Savall bei diesem damals als abenteuerlich empfundenen Versuch, das Repertoire (Mittelalter, Renaissance und Barock) konzentriert zu präsentieren, zum Dauergast.

Fast wie damals ...

Dass Savall nun, zum 30. Geburtstag des Festivals, dabei sein wird, ist eine Selbstverständlichkeit. Der Katalane wollte mit seinen Ensemble Hespèrion XXI und der Capella Reial de Catalunya eigentlich jenes Programm wiederholen, das er bei seinem Erstauftritt 1993 zelebriert hatte. Leider musste umdisponiert werden... Es gibt Werke von Monteverdi und solche des spanischen Renaissance-Komponisten Cristóbal de Morales.

Savall, 1941 in der katalanischen Stadt Igualada geboren, gilt als einer der führenden praxisorientierten Pioniere der Aufführungspraxis, was auch bedeutet, tief nach neuem Repertoire zu graben und nicht nur die "richtige" Art des Spiels zu erforschen. Oft gleichen seine Aufnahmen denn auch musikhistorischen Wälzern mit beigelegter CD.

Lauter Meisterwerke

Im Sinne der Aufklärung versucht Savall auch, einen eurozentristischen Standpunkt zu vermeiden und zu zeigen, dass einst nicht nur in Mitteleuropa Meisterwerke entstanden (etwa die Einspielung Istanbul). Dieses Repertoire konzentriert zu erhellen wäre ein reizvolles Thema auch für die Resonanzen. Heuer geht es allerdings ums Feiern.

Am Samstag erklingt in diesem Sinne Musik des "Orpheus Britannicus" Henry Purcell. Dirigent Vincent Dumestre und Le Poème Harmonique präsentieren u. a. seine Birthday Ode für Queen Mary II. und ein Spektakel für Jean-Baptiste Poquelin, den sie Molière nannten. Daneben gibt es u.a. ein Florentiner Gartenfest, die Resonanzen-Lounge oder zum Finale Händels Feuerwerksmusik mit dem Collegium 1704. Diesmal ist auch Halbszenisches dabei: Georg Friedrich Händels "Aminta e Fillide" erlebt eine historisch angelegte Umsetzung. Akrobatisches gibt es zu Georg Philipp Telemanns Klängen.

Was heuer ausfällt, ist die immer zu Beginn stattfindende Ausstellung altehrwürdiger Instrumente. Immerhin aber findet das Festival statt, dem man wünscht, von Absagen verschont zu bleiben. (Ljubiša Tošic, 21.1.2022)