Ein Foto von Marton Kardos im Archiv des Holocaust Memorial Center in Budapest. Er und sein Bruder überlebten den Krieg, andere Familienmitglieder wurden in Hofamt Priel ermordet.

Foto: ORF/© 2020 Hans Hochstöger

Yakov Tibor Schwarz überlebte das Massaker und erzählt im Film, wie er den Schüssen der Nazis entkommen ist.

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Regisseur Hans Hochstöger sprach mit Zeitzeugin Rosa Eder, ihr Vater hat die erschossenen Menschen im Graben gesehen.

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Es geschah in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 1945. 228 jüdische Frauen, Männer und Kinder wurden nur wenige Tage vor Kriegsende im niederösterreichischen Dorf Hofamt Priel erschossen. Die jüdischen Zwangsarbeiter und ihre Familien waren in Barackenlagern der Kraftwerksbaustelle in Persenbeug untergebracht, wurden spät nachts nach Hofamt Priel gebracht, nach ihrer Ermordung mit Benzin übergossen und teilweise verbrannt.

Filmemacher Hans Hochstöger und sein Bruder Tobias, er ist Politikwissenschafter, sind in dieser Gegend aufgewachsen. In "Das Schweigen der Alten" – Sonntag, 23.05 Uhr in ORF 2 – erzählen sie über dieses Massaker in ihrer Heimat. Die Mörder wurden nie gefunden, keiner wurde jemals zur Rechenschaft gezogen. Jahrzehntelang wurde über diese Gräueltat geschwiegen, einen Prozess gab es nie. Nur Gerüchte über die Täter, auch Männer aus Persenbeug sollen dabei gewesen sein – ernsthaft nachgegangen wurde diesen Gerüchten aber nicht.

Dunkles Gras

Nach dem Massenmord wurden die Leichen rasch in einem Acker vergraben. Ihr Vater habe vom Haus aus gesehen, was passiert sei, erzählt Barbara Weber in der Dokumentation und zeigt den Graben, an dem die Menschen erschossen wurden. Noch Jahre später sei das Gras hier ganz dunkel gewesen. "Aber es ist darüber gar nicht viel geredet worden", sagt sie.

Nur wenige der in Persenbeug untergebrachten Juden überlebten diese Nacht. Einer von ihnen ist Yakov Tibor Schwarz, er war damals elf Jahre alt, versteckte sich unter Stroh. Ein Junge neben ihm habe eine Kugel in den Kopf bekommen, das Blut dieses Buben habe ihn gerettet. "Alle haben sie erschossen, mich haben sie übersehen", sagt Schwarz. Die Filmemacher besuchten ihn in Israel. Seine Mutter und seine beiden Schwestern wurden bei dem Massaker ermordet.

Das Blut der Opfer

Der Wiener Sozialist Klemens Markus versteckte sich damals in Persenbeug. Er fotografierte die Toten als Beweis für die Verbrechen der SS. Die Bilder seien bald aus dem Akt verschwunden, erzählt Hans Hochstöger im Film. Jahrzehntelang galten diese Fotos als verschollen. Abzüge fand der Filmemacher im Holocaust-Forschungszentrum Yad Vashem in Jerusalem. Ausweise, Dokumente und Erinnerungsstücke, die die Ermordeten bei sich trugen, wurden lange in der Polizeistation in Persenbeug aufbewahrt, später nach Budapest gebracht. An einigen Dokumenten klebt noch das Blut der Opfer.

Nach dem Krieg übergab Polizist Franz Winkler dem Bezirksgericht in Ybbs ein Dossier. Er nannte mögliche Verdächtige und brachte 1945, 1948 und 1960 Anzeigen ein, wie die Filmemacher recherchierten. Vergeblich. Lange erinnerte in Hofamt Priel nichts an die ermordeten Menschen, erst 1993 finanzierte der Holocaust-Überlebende Ernst Fiala einen Gedenkstein. Rund um den Acker, in dem die Opfer begraben wurden, entbrannte Anfang der 1960er-Jahre ein Streit, heute steht dort eine Wohnbausiedlung. Die sterblichen Überreste wurden auf den jüdischen Friedhof in St. Pölten gebracht.

Als möglicher Mittäter sei unter anderem SS-Offizier und NSDAP-Mitglied Fritz Sedlazeck genannt worden. Bis in die 1970er-Jahre war Sedlazeck Gemeindearzt in der Nachbargemeinde Petzenkirchen. Er habe viel für den Ort getan, sagt die Bürgermeisterin in der Doku, Sedlazeck war auch Ehrenbürger des Ortes. Sogar ein Platz – direkt vor der Schule – ist nach ihm benannt. (Astrid Ebenführer, 22.1.22)