Seit Wochen überzieht eine dicke Eisschicht den Innradweg bei Hall in Tirol.

Foto: Steffen Arora

Es ist gar nicht so einfach, die gesamte Eisfläche auf dem Radweg noch in einem Foto abzubilden.

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Für Fußgänger und Radfahrer ist die riesige Eisfläche schwer zu passieren.

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Das Wasser scheint aus dem Hang zur Autobahn hin zu sickern.

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Hall in Tirol / Ampass – Am 29. Dezember des Vorjahres fuhr Matthias Breit, passionierter Radfahrer und Kurator des Absamer Dorfmuseums, am Innradweg von Hall in Richtung Volders. Kurz nach dem Gasthof Badl kam Breit jedoch unvermittelt zu Sturz. Grund dafür war eine enorme Eisplatte, die den gesamten Radweg überzogen hatte. In der einsetzenden Dämmerung erkannte Breit die Gefahr zu spät. Resultat waren eine kaputte Hose und ein "ziemlich aufgeschlagenes Knie".

Der Innradweg ist Tirols wichtigste Radverkehrsader. Vor allem Pendlerinnen und Pendler nutzen den parallel zum namensgebenden Fluss verlaufenden Radweg. Längst wird hier ganzjährig geradelt, denn die Tage mit starkem Schneefall sind mittlerweile auch im Inntal zur Seltenheit geworden. Doch Winterradeln bleibt Enthusiasten vorbehalten. Das liegt weniger an den Temperaturen als an der kaum stattfindenden Pflege der Radverkehrsrouten.

Warnungen, Artikel, Erklärungen

Um andere vor ähnlichem Ungemach zu bewahren, versuchte der gestürzte Breit auf die Gefahrenstelle aufmerksam zu machen. Er nutzte seine Mailingliste und verschickte Fotos der Eisfläche mitsamt dem Hinweis, wo sie sich befindet. Und er kontaktiere Medien. Die "Tiroler Tageszeitung" griff den Fall auf und berichtete am 7. Jänner dazu. Im Artikel kommen mehrere Bürgermeister aus der Region zu Wort, die unisono erklären, wie schwierig und aufwendig es sei, Radwege im Winter zu betreuen.

Auf Breits Rundmail zur Gefahrenstelle meldete sich ein Landtagsabgeordneter zurück, der ihm nach Rücksprache mit dem zuständigen Beamten beim Land erklärte, dass es bereits Winterdienst-Pilotprojekte in Tirol gebe. Und zwar im Unterland (auf insgesamt fünf Kilometern) sowie im Oberland (auf insgesamt zehn Kilometern). Am Ende des Winters werde man diese "evaluieren". Zudem läuft diesen Winter ein Pilotprojekt des Planungsverbands Innsbruck und Umgebung, im Zuge dessen "eingeschränkter Winterdienst" auf einem Abschnitt des Innradwegs zwischen Zirl und Völs erprobt wird.

Derlei Engagement sei natürlich zu begrüßen, sagt Breit, doch was genau diese Projekte für die Entschärfung der akuten Gefahrenstelle brächten, auf die er seit Ende Dezember hinweise, erschließe sich ihm nicht. Er hat in der Sache mittlerweile auch ein Schreiben an Verkehrslandesrätin Ingrid Felipe (Grüne) gerichtet. Eine Antwort steht aber noch aus.

Schöne Worte, keine Taten

Passiert ist in der Zwischenzeit nur eines: Die Eisplatte wuchs. Bei einem Lokalaugenschein am Mittwoch zeigte sich die besagte Stelle eisiger als je zuvor. Selbst ein Vorbeimanövrieren ist derzeit kaum noch möglich. Die tiefen Temperaturen, gepaart mit dem Wasser, das stetig aus dem Hang neben dem Radweg, der zur Autobahn A12 gehört, zu sickern scheint, haben eine veritable Eislaufbahn geschaffen.

In den knapp 15 Minuten, die der Lokalaugenschein an der Eisfläche dauerte, passierten vier Radler und zwei Spaziergänger die Stelle. Zu Sturz kam dabei glücklicherweise niemand. "Ein kleiner Bagger könnte eine Furche ziehen, damit das Wasser abfließt, und das Problem wäre gelöst", ist Breit überzeugt. "Wäre das ein Parkplatz oder eine Straße für Autos: So schnell könnte man gar nicht schauen, wär das Eis weg", ist er sich sicher. Dass trotz seiner Hinweise bislang überhaupt nichts passiert ist, zeugt für Breit von der "Ignoranz hinsichtlich Rad-Infrastruktur".

Gemeinden haften

Doch diese Ignoranz könnte für die Verantwortlichen durchaus Folgen haben, wie der auf Fahrradrecht spezialisierte Jurist Johannes Pepelnik mit Verweis auf die Wegehalter-Haftpflicht erklärt: "Wenn die Gemeinde von der Gefahrenstelle Kenntnis hat und nichts dagegen tut, haftet sie verschuldensunabhängig." Pepelnik sagt weiter, dass von dieser Wegehalterhaftung auch eine Räumpflicht für Radwege ableitbar sei. Wobei sich die meisten Wegehalter ganz einfach aus dieser Verantwortung stehlen, indem sie den betreffenden Weg kurzerhand sperren.

Das habe man derzeit aber nicht vor, erklärt der Ampasser Bürgermeister Hubert Kirchmair. Der betreffende Abschnitt des Radwegs gehört zu seinem Gemeindegebiet. Er wisse von dem Problem und der besagten Stelle "aus der Zeitung", bestätigt er im Gespräch mit dem STANDARD. Seitens der Gemeinde werde auf diesem Abschnitt kein Winterdienst durchgeführt, sagt er. Wobei er gerne bereit wäre, einen solchen am Innradweg-Abschnitt, der seine Gemeinde betrifft, anzubieten. Allerdings mache dies nur Sinn, wenn es im Verbund mit den anderen Gemeinden entlang des Radwegs passiere. Dass es ein Pilotprojekt des Planungsverbands gebe, habe er auch gehört: "Aber da sind wir nicht dabei, man hat uns nicht gefragt."

Thema für die Gemeinderatswahlen

Das Thema Winterdienst am Innradweg ist kein Neues. Schon im vergangenen Jahr startete die "Tiroler Tageszeitung" dazu einen Rundruf unter den Anrainergemeinden im Bereich Innsbruck. Das Ergebnis liest sich ernüchternd. Die Leuten sollen lieber Skifahren gehen, als im Winter Rad zu fahren, hieß es da zum Beispiel.

"Wenn man abends hier sein Radl über die Eisplatte schieben muss, kann man schön hinaufschauen zu den beleuchteten Liftanlagen auf den Bergen rundherum, wo jeden Tag mit großem Aufwand die Pisten präpariert werden", sagt Matthias Breit. Eine solche Hingabe würde er sich auch bei der Pflege der Radwege wünschen. Am 27. Februar stehen in Tirol Gemeinderatswahlen an. Für Winterradler eine gute Gelegenheit, die Politik in ihren Gemeinden auf das Thema hinzuweisen. (Steffen Arora, 22.1.2022)