Rund 15.000 Paar Leihski hortet der Salzburger Sporthändler Sport Bründl. Firmenchef Christoph Bründl hat in den vergangenen 30 Jahren im Schnitt fast jährlich einen neuen Shop eröffnet. Er spricht über Versäumnisse in der Krise, den Wert von Mitarbeitern und darüber, wie Berge ein neues Bewusstsein schaffen.

STANDARD: Grundsatzfrage zu Beginn: Ski oder Snowboard?

Bründl: Ski und Skitouren. Im Schnitt komme ich auf 30 Skitouren und 25 Skitage im Jahr. Im Sommer sitze ich viel auf dem Rennrad und dem Mountainbike. Mein großes Glück ist, in der Sportbranche zu arbeiten, da geht Vergnügen und Produkttest Hand in Hand.

STANDARD: Seit fast zwei Jahren grassiert Corona. Wie ist es Ihrem Unternehmen bisher ergangen?

Bründl: Es hat uns brutal erwischt. Wir waren ein hochprofitabler Betrieb, durch die Krise haben wir einen zweistelligen Millionenverlust erlitten und 40 Prozent des Eigenkapitals verloren. Noch ein Lockdown wäre eine absolute Katastrophe.

Sport Bründl hat sich die alleinigen Verkaufsrechte an der Skimarke Van Deer von Marcel Hirscher gesichert. Die Fabrik kommt laut Christoph Bründl wegen der Nachfrage nicht mit dem Produzieren nach.
Foto: EXPA Pictures © JFK

STANDARD: Trotzdem haben Sie in Kaprun einen neuen Flagshipstore um 16 Millionen Euro gebaut.

Bründl: Trotzdem – darum geht es. Eine Krise ist die beste Zeit für Investitionen. Wir wussten, irgendwann geht das vorbei, mit diesem Urvertrauen sind wir die Sache angegangen. Der Store war drei Jahre lang geplant, das gibt man nicht so leicht auf. Baustart wäre der Tag des ersten Lockdowns 2020 gewesen. Dann stand alles still, weil niemand wusste, was auf uns zukommt. Zusätzlich haben wir in einen neuen Bikestore in Schladming investiert, die Bikerszene dort ermöglicht das.

STANDARD: Sie sagen, Corona ist eine Prüfung. Wie meinen Sie das?

Bründl: In Krisen lernt man Kultur und Werte von Unternehmen, aber auch Menschen kennen. Corona ist eine Lupe, ein Verstärker, eine Prüfung. Angst, Panik, Drama lasse ich nicht zu. Wir haben in der Belegschaft viel auf Mentalhygiene geachtet, haben so gut es geht aufgepasst, dass niemand mentales Corona bekommt. Das ist fast noch schlimmer als das eigentliche Virus. Die Situation hat sich irgendwie zu einem Forschungs- und Beobachtungsprojekt für mich entwickelt.

STANDARD: Was ist herausgekommen?

Bründl: Läuft ja noch.

"Vitalität ist ein neues Statussymbol, weniger Ruhm und Macht."

STANDARD: Im Tourismus wandert gerade viel Personal in andere Branchen ab. Wie sieht es bei Bründl aus?

Bründl: Die Abwanderung ist zu einem großen Teil hausgemacht durch Arbeitsbedingungen, Entlohnung und Kultur. Mir war klar, wir müssen extrem auf unsere Mitarbeiter aufpassen. Die Zeit wurde genutzt für Weiterentwicklungen, Produktschulungen und Persönlichkeitstrainings. Wir haben uns mit uns selbst beschäftigt. Einerseits weil uns nichts anderes übrig blieb, andererseits weil es sowieso wichtig ist. Von den 550 Angestellten haben wir niemand gekündigt. Die lange Kurzarbeit ermöglichte das, bei den Hilfen wurde teilweise viel richtig gemacht.

STANDARD: Wo nicht?

Bründl: Die Abwicklung der Kurzarbeit lief sehr professionell. Beim Rest geht beziehungsweise ging es nur schleppend, die erste Tranche des Verlustersatzes ist nach fast 300 Tagen immer noch nicht da. Fixkostenzuschuss und Verlustersatz sind essenziell, aber die Realität besteht aus warten, vertröstet werden, warten, vertröstet werden. Nach knapp einem Jahr wurde ich zu einem bitter enttäuschten Unternehmer.

STANDARD: Abgesehen von der Pandemie: Was läuft in der österreichischen Wirtschaftspolitik falsch?

Bründl: Bei etlichen Behörden und Institutionen vermisse ich oft Respekt und Kommunikation auf Augenhöhe. Es geht primär darum, zu verhindern oder zu verzögern, helfen wollen die wenigsten. Es fehlt die Lösungsbegabung. Ideen werden oft, ohne Alternativen aufzuzeigen, abgelehnt, da braucht man einen langen Atem. Dennoch hatten wir beim Flagship-Projekt einige vorbildliche Baubehörden, die großes Lösungsverhalten zeigten.

Am 16. März hätte Baustart sein sollen für den neuen Flagshipstore in Kaprun. Der erste Lockdown kam vorerst dazwischen.
Foto: Bründl

STANDARD: Was hätten Sie sich von der Regierung erwartet?

Bründl: Ein Umdenken. Die Regierung hat Abbau von Bürokratie und Unternehmerfeindlichkeit versprochen, davon ist nicht viel zu spüren. Wohlstand gelingt nur, wenn wir die Wirtschaftskraft erhalten. Am meisten entsetzt mich, dass die Regierung Tourismus kaum wertschätzt und darin keine Zukunftskraft sieht.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Bründl: In der Tourismuswertschöpfung wird nur die unmittelbare Wertschöpfung durch Beherberger, Gastro und Bergbahnen herangezogen, eventuell der Handel. Der Bäcker, die Handwerker oder der Autohändler zählen nicht. Auch dem Krankenhaus (in Zell am See, Anm.) fehlen ohne Touristen zwei Drittel der Patienten im Winter. Ohne Tourismus kommt die Landflucht, diese ganzheitliche Sicht fehlt in Wien.

STANDARD: Zurück zu den Mitarbeitern. Sie haben eine eigene Akademie aufgebaut, in der es Flirtseminare gibt. Muss man Kunden verführen?

Bründl: Verkaufen ist Flirten. Körpersprache ist entscheidend, auf den Verkäufer kommt es an, ob der Kunde kauft und wiederkommt. In unserer Akademie gibt es 38 verschiedene Workshops und Trainings, dazu gehört Flirten, aber auch Konfliktmanagement oder Selbstorganisation. Der Wettkampf um die besten Leute ist enorm, sie gehören dann auch richtig integriert. Es ist wie beim Fußball, nicht jeder Star passt in jedes Team.

Christoph Bründl wollte das Geschäft seines Vaters eigentlich nie übernehmen. Er habe es dann doch versucht. Mehr als 31 Jahre später führt er das Unternehmen immer noch.
Foto: Bründl

STANDARD: Auch dem Handel gehen die Mitarbeiter aus...

Bründl: Wenn der Mensch für den Firmenerfolg so entscheidend ist, gehört dort der Fokus hin. Es ist traurig, manche Menschen muss man Lachen lehren. Das hilft nicht nur im Geschäft, das wirkt sich positiv auf das ganze Leben aus. Ich sehe in Bründl keinen Arbeits-, sondern einen Entwicklungs- und Spielplatz. Bei uns kommt immer zuerst der Mensch – ich nenne sie nicht Mitarbeiter –, dann der Kunde.

STANDARD: Themenwechsel. Bründl hat sich 2019 nach fast 50 Jahren von der Intersport-Gruppe getrennt. Warum wollten Sie weg?

Bründl: Genauso wie eine Trennung vom Elternhaus irgendwann sein muss, war es dafür an der Zeit. Wir haben einen beiderseitig respektvollen Trennungsprozess geschafft. Die politische Konzernhaltung solcher Genossenschaften passt hier in den Bergen nicht. Die Abnabelung hat ein paar Jahre gedauert, überstürzen darf man so eine Entscheidung nicht. Seit zweieinhalb Jahren sind wir frei, und das ist gut so.

STANDARD: Bleibt uns der aktuelle Outdoor-Hype langfristig erhalten?

Bründl: Der Drang, in die Berge zu gehen, nimmt stetig zu. Berge sind das perfekte Outdoor-Fitnessstudio, aber auch Mediations- und Adrenalinhotspot. Mangels Fernreisen haben viele Junge die Berge entdeckt. Es gibt ein neues Bewusstsein, das die Zahlungsbereitschaft deutlich erhöht. Ein neues Statussymbol ist Vitalität, weniger Ruhm und Macht.

Laut Bründl zieht es die Menschen nicht nur stärker in die Berge, sie sind auch bereit dafür immer mehr Geld auszugeben.
Foto: Bründl

STANDARD: Was geht am besten?

Bründl: Alpiner Tourismus ist eine vielversprechende Zukunftsbranche. Wir haben mehr als 15.000 Paar Leihski und 13.000 Paar Skischuhe. Mit Skidienstleistungen machen wir ein Viertel des Umsatzes. Gigantisch ist der E-Bike-Trend, wir verkaufen Räder um bis zu 14.000 Euro, das ist Motorrad-Level. Langlaufen und Schneeschuhwandern sind weiter groß im Kommen, und mittlerweile muss fast jeder Österreicher Tourenski haben (lacht).

STANDARD: Was passiert mit den Leihski, wenn sie "alt" sind?

Bründl: Größtenteils bleiben die Ski ein Jahr, manche zwei. Wir haben drei große Abnehmer, die sie nach Osteuropa, China oder Australien bringen. Nachhaltiger Umgang mit unseren Produkten ist uns sehr wichtig.

STANDARD: Sie verkaufen exklusiv die Marke Van Deer von Marcel Hirscher. Ist der Ski massentauglich?

Bründl: Dass Hirscher einen guten Rennski baut, war keine Frage, aber auch das Modell für "normale" sportliche Genussfahrer ist top. Die Nachfrage ist überraschend groß. Marcel ist besessen von der besten Qualität, dementsprechend gut ist der Ski im Innenleben aufgebaut. Er liegt aber preislich im oberen Segment. Leider kommt die Manufaktur Stuhlfelden mit der Nachfrage kaum nach.

STANDARD: War es klar, dass Sie den Betrieb von Ihrem Vater übernehmen?

Bründl: Gar nicht. Ich habe in Linz und den USA studiert und wollte eigentlich nie in die Berge zurückkommen. Ich war lieber in Großstädten. Mit der Zeit stellte ich fest, ich muss raus aus der Konzernwelt. Mein Vater hat mir ein gutes Angebot mit der Firma gemacht, dann habe ich es mal probiert, das war 1989. Jetzt bin ich immer noch da. (Andreas Danzer, 23.1.2022)